Jerome Powell wird Janet Yellen an der Spitze der US-Zentralbank nachfolgen. Eine neue Politik dürfte dieser Wechsel an einer der wichtigsten Positionen der Weltwirtschaft aber nicht mit sich bringen.
Wien. „Jay bringt eine große Erfahrung im Privatsektor mit sich. Dadurch weiß er, was unsere Wirtschaft braucht, um zu wachsen, und was den amerikanischen Erfolg wirklich antreibt.“ So stellte US-Präsident Donald Trump am Donnerstagabend europäischer Zeit seinen Kandidaten für den neuen Chef der US-Notenbank Federal Reserve vor. Wie berichtet, fiel die Wahl Trumps dabei auf den schon im Vorfeld als Favorit gehandelten bisherigen Fed-Direktor Jerome Powell – von Freunden „Jay“ genannt.
Der 64-Jährige muss zwar noch vom Senat bestätigt werden, das gilt jedoch nur mehr als Formsache. Powell wird daher mit ziemlicher Sicherheit auf die derzeitige Fed-Chefin, Janet Yellen, folgen, deren Vertrag im kommenden Februar endet.
Wie überraschend kommt diese Neubesetzung an einer der wichtigsten Positionen der globalen Wirtschaft, und was sind die Auswirkungen davon auf die USA und Europa? „Die Presse“ gibt Antworten:
1 Ist die Entscheidung von US-Präsident Donald Trump für Jerome Powell überraschend?
Betrachtet man nur die letzten paar Tage und Wochen, ist die Überraschung eher gering. So galt Powell unter den drei bis zum Schluss verbliebenen Kandidaten als Favorit. Er ist ein Kompromisskandidat, mit dem sowohl Republikaner als auch Demokraten gut leben können. Anders als etwa der Stanford-Professor John Taylor, der vor allem von konservativen Kreisen innerhalb der republikanischen Partei unterstützt wurde. Taylor galt jedoch aufgrund seines harten geldpolitischen Kurses bereits im Vorfeld als eher unwahrscheinlich. Die derzeitige Fed-Chefin, Janet Yellen, wiederum war von Anfang an als Ablösekandidatin gehandelt worden. Hierbei war es eher die Überraschung, dass eine mögliche zweite Amtszeit für Yellen überhaupt noch in Betracht kam.
Denn blickt man weiter zurück, in den vor rund einem Jahr gelaufenen Wahlkampf für die US-Präsidentschaft, dann zeigt sich eine radikale Kehrtwende von Trump in der Geldpolitik. Damals geißelte er Yellen öffentlich für ihren Kurs des billigen Geldes. Er hielt ihr vor, die Zinsen nur deshalb niedrig zu halten, um die Wirtschaftspolitik seines Vorgängers, Barack Obama, zu beschönigen, wofür sie sich „schämen“ sollte. Nun setzt er bei ebendieser Politik auf Kontinuität.
2 Ist die Entscheidung für Powell nun gut oder schlecht?
Diese Frage kann nicht eindeutig beantwortet werden, weil sie auch ideologisch aufgeladen ist. Grundsätzlich ist es aber wohl in jedem Fall gut, dass es nicht zu einem plötzlichen und massiven Bruch in der Geldpolitik kommt. Denn die Strategie der Fed – und in weiterer Folge der anderen großen Notenbanken wie EZB, Bank of Japan oder Bank of England –, die Wirtschaftskrise mit Nullzinsen und Anleihenkäufen in Milliardenhöhe zu bekämpfen, ist bisher einmalig in der Geschichte. Als Krisenmaßnahme hat sie bisher auch gut funktioniert. Die USA erleben derzeit den drittlängsten Aufschwung ihrer Geschichte, weshalb ja auch die Zinsen bereits wieder angehoben wurden und seit Oktober auslaufende Anleihen auch nicht mehr vollständig neu investiert werden.
Allerdings sitzt die Fed nach wie vor auf einem Geldberg von gut 4500 Milliarden Dollar, bei dessen Abbau sie sehr behutsam vorgehen muss. Dass nur ein paar falsche Worte ausreichen, um an den Finanzmärkten Panik auszulösen, zeigte nämlich Yellens Vorgänger, Ben Bernanke, im Jahr 2013. Er hatte mit der Ankündigung, dass die Anleihenkäufe demnächst zurückgefahren würden, Schockwellen auf den Märkten verursacht, unter denen vor allem Schwellenländer zu leiden hatten. Die Situation ist also nach wie vor fragil, weshalb politische Kontinuität von Vorteil ist.
3 Was heißt das nun für die Geldpolitik der Vereinigten Staaten?
Powell wird den bisherigen Plan der Fed wohl nur geringfügig adaptieren. Derzeit will die Notenbank den Leitzins heuer noch einmal und im kommenden Jahr dreimal anheben. Von derzeit einem bis 1,25 Prozent soll er bis Ende 2018 demnach auf zwei bis 2,25 Prozent ansteigen. Gleichzeitig soll auch der Abbau des Anleihenbergs durch geringeres Neuinvestment stetig erfolgen. Von zehn Milliarden Dollar pro Monat soll diese Reduktion bis Frühjahr 2018 auf 50 Milliarden Dollar je Monat erhöht werden. Größeren Einfluss dürfte Powell auf die langfristige Geldpolitik der USA haben, etwa dabei, bis zu welchem Wert er den Zins ansteigen lassen wird. Das ist noch vollkommen offen. Auf dem Markt rechnen viele jedoch mit einem Maximalwert von rund drei Prozent auf mittelfristige Sicht.
4 Welche Positionen hat Powell abseits der Geldpolitik, etwa bei der Bankenregulierung?
Die größte Veränderung durch den Wechsel an der Fed-Spitze dürfte es bei der Regulierung der US-Banken geben. So hat der ehemals als Investmentbanker tätige Powell in der Vergangenheit bereits mehrmals erklärt, dass die Regulierung infolge der Finanzkrise aus seiner Sicht zu stark ausgefallen sei und angepasst gehöre. „Unser Finanzsystem ist wesentlich stärker und resilienter als es vor der Krise war. Unsere Banken haben mehr Kapital und Liquidität als damals, daher sind sie auch fähiger, die Risken zu managen“, sagte er auch bei seiner Nominierung im Rosengarten des Weißen Hauses.
Aber auch hier gilt Powell als nicht von Ideologie getriebener Pragmatiker. So will er die Regeln zwar reduzieren, stellt sie aber nicht grundsätzlich infrage. Eine Vorgangsweise, mit der sowohl die Behörden als auch die Banken leben können.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.11.2017)