Doppelmörder von Stiwoll: Soko "Friedrich" ändert Such-Strategie

Polizei am Wochenende am Schauplatz der Schießerei
Polizei am Wochenende am Schauplatz der Schießerei APA/ELMAR GUBISCH
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Sechs Tage, kein Ergebnis. Die Sonderkommission "Friedrich" sucht mit neuen Mitteln nach dem 66-Jährigen, der im steirischen Stiwoll zwei Nachbarn erschossen haben soll.

Die Polizei hat sechs Tage nach den tödlichen Schüssen auf Nachbarn in Stiwoll am Samstag die Sonderkommission "Friedrich" zusammengestellt. Die Strategie bei der Suche nach dem 66-jährigen Verdächtigen wird abgeändert und verschiebt sich von großflächigen Screenings in Richtung Analyse und gezielten Überprüfungen. Indessen wurde das erste der beiden Todesopfer am Samstag verabschiedet.

Bisher waren bis zu 400 Beamte im Einsatz in und rund um Stiwoll (Bezirk Graz-Umgebung), es wurde rund 100 Hinweisen nachgegangen, doch der Mann blieb verschollen. "Wir suchen einen bewaffneten Straftäter, nicht einen Vermissten", sagte Bundeskriminalamt-Direktor Franz Lang. In der Soko "Friedrich", die unter der Leitung von Rene Kornberger vom Landeskriminalamt Steiermark steht, arbeiten unter anderem das Bundeskriminalamt (BK) sowie die Direktion für Spezialeinheiten und der Landesverfassungsdienst mit.

Verdächtiger "ist nach wie vor flüchtig"

Laut Landespolizeidirektor Gerald Ortner werden "eine örtliche, überörtliche sowie österreichische und internationale Fahndung" beibehalten, jedoch werde die Strategie nun Lang zufolge von einer "Geländefahndung in eine Ermittlungsfahndung übergeführt". Der Verdächtige "ist nach wie vor flüchtig", sagte Ortner bei der Pressekonferenz am Samstag in Graz. Die nun eingerichtete Soko, benannt nach dem Vornamen des geflüchteten Verdächtigen Friedrich F., soll sich vermehrt auf die Ermittlungsfahndung konzentrieren.

Im Ort Stiwoll wird die Polizei künftig nur nach "laufenden Lagebeurteilungen" präsent sein, "damit wieder Normalität einkehren kann", meinte Ortner. Gefährdete Personen bekommen aber weiterhin Schutz, wurde betont. Lang beschrieb die schwierige Suche nach einem bewaffneten Straftäter im Gelände. Es sei zu befürchten, dass der Verdächtige, wenn er einen Polizisten sieht, "sofort von der Waffe Gebrauch machen" werde. Zudem mussten die Beamten mit schwerer Ausrüstung mehrere hundert Höhenmeter innerhalb kürzester Zeit und bei ständiger Gefahr bewältigen. Die Umstände hätten den Einsatz "komplizierter" als andere gemacht, so Lang.

Profiler versuchen, sein Verhalten abzuschätzen

Zusätzlich zu den Streifen- und Suchtätigkeiten der Polizei werden auch Profiler die Persönlichkeit des Täters noch genauer untersuchen: "Sie werden versuchen, sein Verhalten abzuschätzen und seine Fluchtstrategie zu finden", fasste Lang die Aufgaben zusammen. Derzeit werde davon ausgegangen, dass er Personen, die ihn nicht aktiv suchen, nicht gefährden dürfte. Das würde seiner momentanen Strategie - nämlich unbehelligt aus der Gegend herauszukommen - entgegenstehen.

Lang verriet auch, dass das bisherige flächendeckende Screening inklusive Durchsuchung von möglichen Unterschlupfen sich nun verändere. Man wolle vermehrt den Analyse- und Fahndungshinweisen sowie Kontaktpunkten nachgehen, "Ankerpunkte" und Bewegungslinien nachvollziehen und "mit großer Präzision arbeiten", um den 66-jährigen Verdächtigen zu finden. Die Profiler schauen sich das Leben des Mannes, seine Kontakte und bisherigen Reisebewegungen genau an. Überprüft werden auch seine elektronischen Geräte und eine Vielzahl an Daten. Die Bevölkerung wurde gebeten, weiterhin mit Hinweisen zu unterstützen.

Schüsse um 9:15 Uhr

Kornberger erklärte, dass die Untersuchung des Tathergangs weitgehend abgeschlossen sei. Das Treffen zwischen den Töchtern des Verdächtigen und den drei Nachbarn hätte offenbar schon am vergangenen Samstag stattfinden sollen. Der 66-Jährige war an diesem Tag nicht daheim. Als er am Abend nach Hause kam, habe er sich erkundigt, wie die Aussprache mit den Nachbarn verlaufen ist. Da habe er erfahren, dass diese sich auf Sonntag verschoben hatte.

Während der am Sonntag stattfindenden Besprechung zwischen den Töchtern und den Nachbarn, die sich im Freien abspielte, fielen gegen 9:15 Uhr die Schüsse. Als Tatwaffe diente dem Verdächtigen eine nicht registrierte Kleinkaliber-Langwaffe. Es handelte sich definitiv nicht um eines der beiden Gewehre seiner Ehefrau. Sie konnte den Ermittlern bisher auch nicht sagen, woher er die Waffe hatte. Sie habe von dieser nichts gewusst. Gegen den 66-Jährigen bestand zudem ein Waffenverbot, sagte Kornberger.

Die Ehefrau habe sich kooperativ gezeigt und den Beamten bei der Suche geholfen. Zu ihr soll der Verdächtige sehr guten Kontakt gehabt haben - im Gegensatz zu seinen Töchtern, auf die das Anwesen der Familie bereits überschrieben sei. Entgegen kolportierten Meldungen ist der 66-Jährige nicht entmündigt.

Kein Pass, kein Führerschein, wenig Bargeld

Kornberger zufolge habe Friedrich F. Erfahrung mit mehreren Tagen am Stück in der Natur, denn er gilt als Hobby-Filmer und machte Tieraufnahmen im Wald. Er wisse daher, wie er längere Zeit im Freien überleben kann. Einbrüche, bei denen er sich möglicherweise Vorräte geholt haben könnte, liegen bisher keine vor.

Der Soko-Leiter erklärte weiter, dass der Mann für seine Flucht weder seinen Reisepass noch Führerschein oder größere Mengen an Bargeld dabei haben dürfte. Sein Pass, den er vor längerer Zeit neu beantragt hatte, liege immer noch bei der Bezirkshauptmannschaft zur Abholung bereit. Sein Führerschein wurde sichergestellt. Es gibt laut den Ermittlern keine Hinweise für eine länger vorbereitete Flucht, dennoch sei das nicht auszuschließen. Den Profilern zufolge liege anhand seiner Persönlichkeit in den ersten Tagen auf der Flucht eine eher geringe Suizid-Wahrscheinlichkeit vor: "Aber eine Flucht mit Gewehr verändert einen", meinte Lang.

Samstagnachmittag wurde jener 64-jährige Nachbar in der Kirche in Stiwoll verabschiedet, der bei den Schüssen ums Leben gekommen ist. Rund 150 Trauergäste nahmen an der Messe unter strengen Sicherheitsvorkehrungen teil. Kommende Woche soll auch das zweite Opfer, eine 55-jährige Frau, bestattet werden. Das dritte Opfer, eine 68-jährige Frau, hat einen Einschuss im Oberarm schwer verletzt überlebt. Jener Polizist, der sich am 1. November bei der Spurensuche am Tatort schwer verletzt hatte, befindet sich laut Polizeidirektor Ortner nach der Operation am Weg der Besserung. Der Beamte war durch eine mit Heu bedeckte Luke gefallen und hatte sich dabei ein Bein gebrochen.

(APA)

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