Deutsche Grüne liegen auf Jahres-Höchstwert

APA/AFP/JOHN MACDOUGALL
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Der Zustimmungswert der Grünen liegt heuer erstmals bei 11 Prozent. Doch während die Umfragen viel versprechen, nagt die Partei an den Koalitionsverhandlungen mit Union und FDP.

Während die Grünen in Österreich an ihrem Ausstieg aus dem Nationalrat nagen, steigt ihr deutsches Pendant in einer Umfrage auf den Jahres-Höchstwert. Im aktuellen Sonntagstrend, den das Meinungsforschungsinstitut Emnid wöchentlich für "Bild am Sonntag" erhebt, kommen die Grünen erstmals in diesem Jahr auf elf Prozent (plus 1). Für den Sonntagstrend hat Emnid zwischen dem 26. und 30. Oktober 1476 Personen befragt.

Nach zehn Tagen Sondierungen einer Jamaika-Koalition mit CDU, CSU und FDP scheinen sich die Grünen jedoch nicht zu sein, ob sie in das Viererbündnis passen. Rätsel gibt den Grünen vor allem die Haltung der FDP auf, die auch am Wochenende wieder Neuwahlen ins Spiel gebracht hat. Manch grüner Unterhändler gibt an, sich nicht sicher zu sein, ob die Freidemokraten ernsthaft an einer Jamaika-Koalition interessiert seien. "Die waren darauf eingestellt, nach der Bundestagswahl in die Opposition zu gehen und sind nun von den Verhandlungen überrascht worden", mutmaßt einer. Ein anderer sagt, mit der FDP sei es "menschlich schwieriger". Man könne die FDP-Unterhändler schwerer einschätzen als das etwa mit CSU-Vertretern der Fall sei. Es mache sich eben bemerkbar, dass die Liberalen in der abgelaufenen Legislaturperiode nicht im Bundestag vertreten waren.

Aber auch an der CSU reiben sich die grünen Verhandler. Man sei konsterniert, wie kompromisslos insbesondere FDP und CSU seien, berichtete ein Unterhändler. "Die wollen eine schwarz-gelbe Koalition mit einem grünen Ehrenmitglied", schimpft einer. Auch Realos, die einem Jamaika-Bündnis gegenüber viel aufgeschlossener seien als der linke Parteiflügel, seien verärgert über die unnachgiebige Haltung. Es wird berichtet, sogar dem Oberrealo Winfried Kretschmann seien Zweifel gekommen.

Grüne pochen auf drastische Senkung des CO2-Ausstoßes

Insbesondere dass sich die Gegenseite bei den Themen Klima und Agrar nicht bewegten, erzürne auch Realos, heißt es. Schließlich wüssten Union und FDP genau, dass sie in diesen Feldern Ergebnisse vorweisen müssten. So dürfen aus grüner Sicht die deutschen Klimaschutzziele 2020 - im Kern eine drastische Senkung des CO2-Ausstoßes - auf keinen Fall aufgeweicht werden. Man habe selbst die Forderung nach einer Vermögenssteuer fallengelassen, aber bislang keine Gegenleistung erhalten, monieren Unterhändler.

Jürgen Trittin, führender Kopf des linken Flügels, zog denn auch am Freitag eine ernüchternde Bilanz: In den zehn Verhandlungstagen habe man sich vor allem auf lange Listen von Dissensen geeinigt. Der 63-Jährige hat in den vergangenen Tagen mit am deutlichsten den potenziellen Koalitionspartnern Grenzen aufgezeigt. Führende Realos loben ausdrücklich sein Agieren. Das ist nicht selbstverständlich, denn für manche Realos ist er ein rotes Tuch. Sein Verhältnis zum zweiten Chef-Unterhändler neben Göring-Eckardt - Parteichef und Realo Cem Özdemir - gilt als angespannt.

Die an sich streitbaren Realos und Linken haben es bislang geschafft, bei den Sondierungen einheitlich aufzutreten. Der linke Flügel beobachtet allerdings genau die Realos Özdemir und Göring-Eckardt. Für ihre politischen Karrieren dürfte das Gelingen einer Jamaika-Koalition entscheidend sein, gelten beide doch als Ministerkandidaten. Sollten die Grünen jedoch wieder die Oppositionsbänke drücken, ist ihnen nicht einmal der Fraktionsvorsitz gewiss.

Für Grüne steht Scheitern noch immer im Raum

Die Einigkeit zwischen den Parteiflügeln wird durch interne Abstimmungen und Rückkopplungen erreicht. Damit soll sichergestellt werden, dass alle maßgeblichen Gruppierungen hinter den Verhandlungsergebnisses stehen. Für die Gespräche mit Union und FDP heißt das, dass Göring-Eckardt und Özdemir eigenmächtig eigentlich keine Zusagen machen können, sondern sich erst rückversichern müssen. Beiden Flügeln ist zudem bewusst, dass sie beim Grünen-Parteitag am 25. November nur gemeinsam ein überzeugendes Votum für oder gegen Jamaika erzielen können.

Die Belastungsprobe für die Parteiflügel steht allerdings noch aus. In der nun beginnenden Woche soll es um konkrete Kompromisse gehen und nicht mehr um das Auflisten von Gegensätzlichkeiten. Am Sonntag will die grüne Verhandlungsgruppe in einer Klausursitzung den Kurs dafür abstecken, Haltelinien definieren und Verhandlungsstrategien nach den Erfahrungen der vergangenen zehn Tage entwickeln. Dabei geht es auch darum, bei einem möglichen Scheitern nicht als Schuldiger dazustehen.

In beiden Flügeln dominiert bislang der Wille, eine Jamaika-Koalition zum Erfolg zu führen. Partei-Linke verweisen darauf, dass Neuwahlen vor allem der AfD nutzen würden. Der Sprecher der Realos, Dieter Janecek, gibt sich zuversichtlich. "Ich glaube, dass die Chancen überwiegen, aber das Risiko des Scheiterns gibt es nach wie vor", sagte er der Nachrichtenagentur Reuters. "Das liegt weniger an der Unvereinbarkeit von Positionen, sondern mehr an persönlichen Befindlichkeiten."

(APA/Reuters)

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