Universität Wien: „Normaler Student, komisches Gefühl“

(c) APA (Roland Schlager)
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Erstmals nach der Räumung des Audimax fanden wieder Vorlesungen statt. "Schade ums Geld", sagt der Professor, nachdem er das Rednerpult betreten hat. Die Besetzung hat die Universität Wien 1,5 Millionen Euro gekostet

Wien. Keine Spur von Revolution mehr: Im blitzblank gereinigten Audimax der Universität Wien wurde am Donnerstag der Lehrbetrieb wieder aufgenommen. Im größten Hörsaal des Landes erinnert fast nichts an die zweimonatige Besetzung. Die Studenten bereiten sich auf ihre Vorlesung vor; das Erscheinen von zahlreichen Journalisten scheint einige von ihnen sogar zu überraschen.

Auch vor dem Audimax herrscht weit und breit keine Aufregung. Lediglich Exbesetzer Michael verteilt Flugblätter mit dem Titel „Die Bewegung lebt“. Etwas wehmütig blickt er in den sich füllenden Audimax. „Es ist ein komisches Gefühl, wieder als normaler Student herzukommen“, sagt er, „und dann ist es auch noch eine Vorlesung vom Brauneder.“ Kritisch sieht Michael dem Professor nach, der um 8.30 Uhr das Audimax betritt. Wilhelm Brauneder, Rechtsgeschichteprofessor und Dritter Nationalratspräsident zwischen 1996 und 1999, ist als ehemaliger FPÖ-Politiker nicht nur Michael ein Dorn im Auge.

„Schade ums Geld“, sagt der Professor, nachdem er das Rednerpult betreten hat. Die Besetzung hat die Universität Wien 1,5Millionen Euro gekostet; das Geld hätte man für wichtigere Dinge aufwenden können. So zeigt sich Brauneder unzufrieden, dass die Einstellung einer wissenschaftlichen Hilfskraft vom Rektorat abgelehnt wurde. Auch die „permanente Kürzung“ des Dienstpersonals würden die Studenten bald zu spüren bekommen, warnt er.

Jusstudentin Sandra zeigt sich nach diesen Worten besorgt: „Alle jammern wegen der 1,5 Millionen Euro“; sie hingegen frage sich, was mit den 34 Millionen Euro passiert sei, die die Regierung der Universität am Beginn der Besetzung zugesichert habe. „Wollte das Rektorat das Extrageld in die Lehre investieren, hätte der Brauneder jetzt seinen wissenschaftlichen Mitarbeiter.“

Das Rektorat gab bekannt, das Reservegeld in Schwerpunktprojekte investieren zu wollen, etwa in Gastprofessuren und Mentoringangebote. Bei der Bildungsdebatte erhofft sich die Uni-Leitung Unterstützung: Eine Besserung von Studienbedingungen könne von der Uni nicht allein herbeigeführt werden. Politische Entscheidungsträger seien nun mit konkreten „Roadmaps“ gefragt.

Streit über Vorlesung im Hörsaal

Nach der polizeilichen Räumung des Audimax kurz vor Weihnachten hat sich die Besetzung in den Hörsaal C1 auf dem Campus verlagert. Einige Studenten frühstücken, während die Obdachlosen, die mitumgezogen sind, noch schlafen. „Die meisten Arbeitsgruppen gibt es noch“, sagt Günter vom Informationspult am Eingang. „Der Hörsaal C1 wird für Lehrveranstaltungen freigegeben.“ Jedoch nicht ohne Streit: Einige Besetzer haben die Freigabe heftig kritisiert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.01.2010)

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