Der aus Spanien geflüchtete ehemalige katalanische Regierungschef hat sich in Belgien den Behörden gestellt. Sein Anwalt will alle Rechtsmittel gegen eine Auslieferung nutzen.
Madrid/Brüssel. Sie stellten sich am Sonntagmorgen um 9.07 Uhr in der zentralen Brüsseler Polizeiwache in der Rue Royale: Carles Puigdemont, der mit europäischem Haftbefehl wegen Rebellion gesuchte frühere katalanische Ministerpräsident. Und vier mit ihm aus Spanien geflüchtete Ex-Minister. Begleitet von ihren Anwälten. Und erwartet von Vertretern der belgischen Staatsanwaltschaft, mit denen am Samstag diese freiwillige Übergabe vereinbart worden war.
„Sie wurden nach ihrer Ankunft über den internationalen Haftbefehl informiert“, berichtete am Sonntagnachmittag der Sprecher der belgischen Staatsanwaltschaft, Gilles Dejemeppe. Dann seien die Festgenommenen, die von Spaniens Justiz beschuldigt werden, auf illegale Weise die Unabhängigkeit Kataloniens vorangetrieben zu haben, in einem Polizeibus zum Sitz der Staatsanwaltschaft transportiert worden. „Sie wurden nicht mit Handschellen gefesselt“, erläuterte Dejemeppe, „weil sie keine Gefahr für die sie begleitenden Polizisten darstellten.“
Anhörung durch U-Richter
Nun müsse bis Montagfrüh ein Untersuchungsrichter die Festgenommenen anhören, sagte der Sprecher. Der Richter werde auch die formelle Rechtmäßigkeit der von Spaniens Nationalem Gerichtshof ausgestellten Haftbefehle prüfen und entscheiden, ob die Politiker in Haft bleiben oder unter Auflagen bis zu einer Entscheidung über die Auslieferung freikommen.
Kommt der Untersuchungsrichter zum Schluss, dass die Haftbefehle rechtens sind, schickt er den Fall an eine Gerichtskammer, die dann innerhalb von 15 Tagen über die Auslieferung entscheiden muss. Diese Gerichtsentscheidung kann aber in mehreren Instanzen angefochten werden. Eine endgültige Entscheidung müsse normalerweise innerhalb von 60 Tagen – in komplizierten Ausnahmefällen innerhalb von 90 Tagen – fallen, erläuterte ein Sprecher des belgischen Justizministeriums.
Er wolle mit der Justiz zusammenarbeiten, hatte Puigdemont angekündigt, „aber mit der belgischen, nicht mit der spanischen“, da er in Spanien keine Gerechtigkeit erwarte. Eine Auslieferung an Spanien will er nicht akzeptieren.
Puigdemonts Anwalt Paul Bekaert machte bereits deutlich, wie die Verteidigungsstrategie aussieht: Er werde einen denkbaren Auslieferungsbeschluss der belgischen Justiz „auf jeden Fall“ anfechten, sagte Bekaert. Der Anwalt, ein Spezialist für Auslieferungsrecht, hatte in der Vergangenheit auch schon mehrere in Belgien festgenommene ETA-Terroristen vor der Auslieferung gerettet.
Bekaert will die Auslieferung mit jenen Behauptungen bremsen, mit denen auch Puigdemont den spanischen Staat attackiert: Die Beschuldigten könnten in Spanien keinen fairen Prozess erwarten, weil Richter und Staatsanwälte nicht unabhängig, sondern der Regierung zu Diensten seien. Die katalanischen Separatisten würden aus politischen Gründen verfolgt. Und das ihnen vorgeworfene Delikt der Rebellion, das mit bis zu 25 Jahren Haft bestraft werden kann, sei juristisch nicht stichhaltig.
Spaniens Justiz wirft Puigdemont und seinen Ex-Kabinettsmitgliedern fünf Delikte vor: Rebellion gegen den spanischen Staat, das Anzetteln eines Aufruhrs, Rechtsbeugung, Ungehorsam und Veruntreuung von öffentlichen Geldern. Zudem könnte noch die widerrechtliche Aneignung von Ämtern hinzukommen, da die Geflüchteten auch nach ihrer Absetzung behaupten, die „legitime Regierung“ Kataloniens zu repräsentieren.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.11.2017)