Brüssel drängt auf Körperscanner-Einführung

(c) AP (Cynthia Boll)
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EU-Kommission will raschen Einsatz von neuen Sicherheitskontrollen. Tests sollen beruhigen. Einige Länder preschen bereits mit der Ankündigung vor, sie würden die pro Stück 150.000 Euro teuren Geräte demnächst zum Einsatz bringen.

BRÜSSEL/WIEN.Die plötzliche Begeisterung ist groß: In Deutschland sind laut einer Forsa-Umfrage bereits 63Prozent der Bevölkerung für die Einführung von „Körperscannern“ auf Flughäfen. In Österreich gibt es noch keine vergleichbaren Zahlen. Aber auch hier dürfte der Widerstand sinken. Nach dem misslungenen Terroranschlag auf den Flug von Amsterdam nach Detroit machen die USA Druck auf die EU, ihre Sicherheitsvorkehrungen zu verschärfen. Und die EU-Kommission sieht erstmals die Chance, dabei auch den bisher unbeliebten „Nacktscanner“ EU-weit einzuführen.

Einige Länder preschen bereits mit der Ankündigung vor, sie würden die pro Stück 150.000 Euro teuren Geräte demnächst zum Einsatz bringen. Großbritannien will in der EU Vorreiter spielen, und die Niederlande haben bereits Bestellungen abgegeben. Italien will die Geräte in Rom und Mailand demnächst installieren. Und auch Deutschland gibt seinen bisherigen Widerstand auf. Das Bundesinnenministerium in Berlin plädierte diese Woche für den Einsatz. In einem deutschen Polizeilabor wird bereits die neue Generation von Körperscannern getestet.

In Brüssel berieten am Donnerstag Flugsicherheitsexperten aus Europa und den USA über mögliche neue Maßnahmen im Kampf gegen den Terrorismus – darunter auch über die flächendeckende Einführung von Körperscannern. Die EU-Kommission, die bereits im Oktober 2008, lange vor dem Anschlagversuch, für die Einführung argumentiert hatte, fühlt sich nun bestärkt. Einwände wie jener des Europaparlaments, das die Nacktbilder der durchleuchteten Passagiere als schwerwiegenden Eingriffen in die Grundrechte bezeichnet hatte, sollen nun durch eine Testphase entkräftet werden. Am niederländischen Flughafen Schipol können Fluggäste Geräte der neuen Generation freiwillig ausprobieren. Zum Einsatz kommen Scanner, die den menschlichen Körper nur noch schematisch darstellen und bei denen keine gesundheitsgefährdenden Röntgenstrahlen mehr verwendet werden.

„Es muss klar sein, dass der Persönlichkeitsschutz gewahrt bleibt“, so Rudolf Gollia, Sprecher des Innenministeriums. Österreich werde deshalb vorerst abwarten. Auch Gesundheitsschädigungen müssten ausgeschlossen werden, und es müsse außerdem klar sei, dass die neue Technik tatsächlich höhere Sicherheit bringe. Einzelaktionen von Ländern, die schon vorzeitig den Scanner einführen, werden im Innenministerium kritisch bewertet. „Es hat nur Sinn, wenn alle dieselben Sicherheitsstandards übernehmen.“

Gollia verweist im Gespräch mit der „Presse“ auch auf den immensen Investitionsbedarf. In Österreich müssten neben dem Flughafen in Schwechat auch die internationalen Flughäfen in Klagenfurt, Graz, Salzburg und Innsbruck mit Körperscannern ausgestattet werden. Insgesamt dürfte die Investitionssumme allein in Österreich bei einigen Millionen Euro liegen.

Geschäft für US-Firmen

EU-weit wird die Investitionssumme sogar auf mehrere Milliarden Euro geschätzt. Es geht um ein riesiges Geschäft, das vor allem US-Firmen zugutekommen würde. So mag es kein Zufall sein, dass sich der Aktienkurs des US-Unternehmens L-3 Communications seit der neuen Scanner-Debatte auf einem Höhenflug befindet.

Ein Geschäft erhofft sich übrigens auch die Verwaltung des Europaparlaments. Sie hatte nach den Terroranschlägen vom 11.September 2001 sechs Körperscanner angeschafft, deren Betrieb aber durch einen Beschluss der Abgeordneten gestoppt wurde. Seitdem lagern die Geräte im Keller. Nun will die Parlamentsverwaltung die einst um 725.000 Euro angeschafften Geräte verkaufen. Sie wurden noch nie verwendet, doch entsprechen sie leider nicht mehr dem aktuellen Standard.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.01.2010)

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