Deutschland: Horst Seehofers Zweifrontenkampf

CSU-Chef Horst Seehofer beklagt sich über das „Kesseltreiben“.
CSU-Chef Horst Seehofer beklagt sich über das „Kesseltreiben“.(c) REUTERS
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Der CSU-Chef und bayerische Ministerpräsident kämpft in Berlin um ein Zustandekommen einer Jamaika-Koalition – und in der Heimat ums politische Überleben.

Wien/München. Markus Söder ist ein zu großer Profi, als dass er die Falle nicht erahnt hätte. „Könnt ihr das nicht ohne mich machen? Ich kriege sonst Ärger“, sagte Bayerns Finanzminister zu den Jungtürken in der CSU vor dem obligaten Gruppenfoto. Am Ende stellte er sich schmunzelnd an den Rand, ein wenig auf Distanz. Nur ja keinen Fehler begehen, lautet seine Devise.

Ein paar Dutzend Delegierte der Jungen Union (JU) aus seinem fränkischen Landesverband hatten den früheren JU-Chef am Wochenende bei ihrer Landesversammlung in Erlangen in ihre Mitte gebeten. Sie hielten blaue Schilder in die Kameras, auf denen sie einen Führungswechsel in der CSU und der Kanzlei des Ministerpräsidenten forderten: „MP Söder“, „Unsere neue Nummer eins“ oder „Die Zeit ist reif“. In ihrer „Erlanger Erklärung“ hatte die JU einen personellen Neuanfang urgiert. Ihr Unmut war umso größer, nachdem CSU-Chef Horst Seehofer abgesagt hatte.

Am Abend zuvor hatte die JU ihren Ex-Chef Söder mit „Markus“-Rufen hochleben lassen. Er war aus seinem Wohnort Nürnberg ins 20 Kilometer entfernte Erlangen gekommen, um seine Fußtruppen im Machtkampf gegen Seehofer hinter sich zu scharen. Zwar brachte er in seiner Rede das Kunststück zuwege, den Namen Seehofer nicht einmal zu erwähnen. Zugleich verstärkte er die Kritik: „Ich bin mir nicht sicher, ob alle den Ernst der Lage wirklich erkannt haben.“ Die Krise der CSU sei existenziell.

Salomonische Ämterteilung

Seit dem Absturz bei der Bundestagswahl auf 38,8 Prozent (minus 10,5 Prozent) rumort es in der CSU. Selbst aus den Bezirksverbänden in Seehofers Heimat Oberbayern mehren sich die Stimmen, die ihn zu einem geordneten Rückzug vor den Landtagswahlen im September 2018 auffordern. Seehofer hat indessen die Gefahr längst ausgemacht und die Parole ausgegeben, die rechte Flanke zu schließen. Der CSU-Chef beklagt sich über das „Kesseltreiben“ und das „Trommelfeuer“. Nun richtet es sich gegen ihn, 2008 nahm er noch selbst die CSU-Spitzen Günther Beckstein und Erwin Huber ins Visier.

Seehofer pocht auf die Losung, erst in Berlin über eine Jamaika-Koalition zu verhandeln, dann beim Parteitag im Dezember in Nürnberg über Personalfragen zu diskutieren. Bisher, berichten Verhandler der FDP und Grünen, agiere Seehofer erstaunlich konstruktiv. Seehofers persönliches Schicksal hängt an einem Erfolg, eine Schwächung des CSU-Chefs schwächt auch seine Verhandlungsposition.

Die Aussichten auf sein Ziel, Söder als Nachfolger unter allen Umständen zu verhindern, schwinden. Der 68-Jährige kämpft mit dem Rücken zur Wand. An Finten mangelte es ihm indes nie. Womöglich kann er sich in eine Ämterteilung retten: als Ministerpräsident an der Seite Joachim Herrmanns als CSU-Chef und Innenminister – oder gar selbst als Parteichef und Minister in Berlin neben einem Ministerpräsidenten Söder.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.11.2017)

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