Paradise Papers: EU droht Steueroasen mit Platz auf schwarzer Liste

 EU-Kommissionsvizepräsident Valdis Dombrovskis
EU-Kommissionsvizepräsident Valdis Dombrovskis AFP (JOHN THYS)
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Die EU-Kommission spielt ein paar Ideen durch, wie man die unliebsamen Steueroasen trocken legen könnte. Dazu gehört eine unionsweite Liste der Länder.

Nach dem Auftauchen neuer Geheimdokumente aus Steueroasen will die Europäische Union die Länder auf eine schwarze Liste setzen. Die jüngsten Enthüllungen bestärken die EU in ihrem Kampf gegen Steuervermeidung, wie EU-Kommissionsvizepräsident Valdis Dombrovskis am Montag in Brüssel sagte.

Der österreichische Finanzminister Hans Jörg Schelling unterstütze den Vorstoß. "Auf eine schwarze Liste zu kommen, ist eine dramatische Konsequenz." Nach einer Reihe von ähnlichen Vorfällen müsse endlich gehandelt werden. "Wir müssen jetzt mit den betroffenen Staaten reden und ihnen klar machen: Wer nicht mitmacht, landet auf der Liste." Nicht direkt zum Thema äußern wollte sich der deutsche Übergangsfinanzminister Peter Altmaier, der seinen ersten Auftritt in dem Amt auf der europäischen Bühne absolvierte.

Die EU-Länder beraten seit Monaten über die Einführung einer Liste von Steuertricksern und wollten ursprünglich bis Jahresende eine Übereinkunft finden. Aufgrund der neuen Verstrickungen einiger Konzerne und reicher Privatleute beraten die europäischen Finanzminister nach Aussagen von EU-Vertretern aber schon beim derzeitigen Treffen über das Thema. Die informellen Gespräche, die sich auch um viele andere Themen wie die Zukunft des Euro drehen, dauern bis Dienstag.

Der EU-Kommission spielt ein paar Ideen durch, wie man die unliebsamen Oasen trocken legen könnte. Dazu gehört eine unionsweite Liste der Länder. Hoffnung ist, dass damit Konzerne abgehalten werden, Gewinne in bekannte Niedrigsteuerländer wie Panama oder Bermuda zu verschieben. Derzeit legt jeder Mitgliedsstaat seine eigene Liste an. Und die Kriterien dafür, wer auf den Aufstellungen steht, sind von Land zu Land unterschiedlich.

Mit einer einheitlichen Front könne man unkooperative Staaten leichter Druck setzen, erwarten EU-Vertreter. "Es ist an der Zeit, dass wir uns auf eine Liste von Steueroasen einigen und sie öffentlich machen", sagte EU-Steuerkommissar Pierre Moscovici. Die Aufzählung müssten "angebrachte Sanktionen" folgen. Unklar ist, woraus die Strafen genau bestehen sollen.

Die "Süddeutsche Zeitung" berichtete über 13 Millionen Dokumente, in denen die Namen von 120 Politikern und Prominenten aus fast 50 Ländern enthalten seien. Recherchiert und ausgewertet wurden die "Paradise Papers", wie schon die "Panama Papers", vom Internationalen Netzwerk Investigativer Journalisten ICIJ.

Altmaier versprach, sich die Papiere genau anzuschauen. "Wir werden die Dokumente prüfen und auch die Auswirkungen auf die europäische Gesetzgebung." Sie dürften auch eine Thema bei der Neubildung der Bundesregierung werden. 

"Paradise Papers" nur Spitze eines Eisbergs

Der Chef der Deutschen Steuer-Gewerkschaft Thomas Eigenthaler betrachtet die "Paradise Papers" zu Steuervermeidungsstrategien von Konzernen und reichen Privatpersonen nur als die "Spitze eines Eisbergs". Er wundere sich nicht über das, was nun neu in diesem Bereich bekanntwerde, sagte Eigenthaler am Montag der Nachrichtenagentur Reuters. Es habe schon so viele ähnliche Fälle gegeben, nicht zuletzt die "Panama Papers". Eigenthaler warf Deutschland und der EU vor, zu wenig auf Europa zu schauen, wenn es um Steuerflucht und Steuerhinterziehung gehe. "Wir habe nicht nur Steueroasen in der Südsee und in der Karibik - wir haben sie mitten in der EU".

Eigenthaler beklagte, wenn solche Informationen über dubiose Steuervorgänge bekannt würden, gebe es zwar immer kurzfristig einen lauten Aufschrei, doch danach geschehe oft kaum etwas. Er wies darauf hin, dass durch kriminelles Handeln, wie etwa Schwarzgeld-Praktiken und ähnliches, dem deutschen Fiskus jährlich allein 50 bis 70 Milliarden Euro an Steuereinnahmen verloren gingen. Was darüber hinaus über legale Praktiken, über Steuerschlupflöcher verloren gehe, da ginge es noch um ganz andere Größenordnungen. Hier gebe es eine hohe Dynamik.

Steueroasen gibt es nach seinen Worten rund um den Globus, "wobei man Malta, Luxemburg und Irland eben hinzuzählen muss". Eigenthaler verwies auf die Versuche der EU, mit einer Klage Irland dazu zu veranlassen, einen Milliardenbetrag von Apple einzuklagen, weil das Land den Konzern steuerlich unerlaubt begünstigt habe. Eine Hinterziehung sei das nicht. "Apple nutzt nur elegant aus, wie viele andere auch, dass die Staaten untereinander uneins sind und man versucht, auf dem Rücken der anderen, sich zu sanieren", beklagte er.

Der EU warf Eigenthaler vor, insgesamt zu wenig vor der eigenen Haustür zu kehren, um diesem Unwesen zu begegnen. "Die Geschichten, die wir jetzt wieder auf dem Tisch haben, mit Malta und Madeira, und den britischen Kanalinseln, das sind Dinge, die in Europa, in der EU passieren", sagte er. Als Beispiel bemängelte Eigenthaler auch, dass kürzlich im Bundestag nur Meldepflichten zu Briefkasten- und Steueroasen-Geschäften mit Drittstaaten geschaffen wurden, nicht für EU-Staaten. "Warum nur Drittstaaten", fragte er.

(Reuters)

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