Gewerkschaft rüstet sich für Streiks

Für Rainer Wimmer, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft Pro-GE,  ist das Angebot der Industrie eine „Pflanzerei“.
Für Rainer Wimmer, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft Pro-GE, ist das Angebot der Industrie eine „Pflanzerei“.(c) APA/HANS KLAUS TECHT
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Nach dem Platzen der Metaller-Lohnverhandlungen droht ein Arbeitskampf. Die Wirtschaft wirft den Gewerkschaften vor, die Zukunft der Sozialpartnerschaft zu gefährden.

Wien. Internationale Organisationen wie die Industriestaatenorganisation OECD loben Österreich: Die Lohnfindung laufe hier ohne Konflikte ab. Und es werde kaum gestreikt. Doch mit der Ruhe könnte es bald vorbei sein.

Weil sich die Gewerkschaften und die in der Wirtschaftskammer organisierten Firmen auch in der fünften Verhandlungsrunde über keine Lohnerhöhung für die 130.000 Beschäftigten in der metalltechnischen Industrie einigen konnten, beschloss der Vorstand des Österreichischen Gewerkschaftsbunds (ÖGB) am Dienstag einstimmig die Freigabe von Streiks. Die letzte Verhandlungsrunde hatte 15 Stunden gedauert.

Für die Zukunft der Sozialpartnerschaft bedeutet der Konflikt nichts Gutes. Denn in Österreich machen die Metaller traditionell den Auftakt für die Lohnrunden. Ihr Ergebnis gilt als Zugpferd für andere Wirtschaftszweige. Nun warten Vertreter anderer Branchen ab, wie es mit den Metallern weitergeht. Die Gewerkschaften fordern für die Metaller ein Plus von vier Prozent, während die Arbeitgeber 2,5 Prozent angeboten haben.

Ultimatum der Gewerkschaften

Nach dem Platzen der Verhandlungsrunde stellten die Gewerkschaften den Arbeitgebern ein Ultimatum: Sollte es bis nächsten Montagabend keine Einigung geben, sind ab 14. November Kampfmaßnahmen geplant. Arbeitskämpfe sind in Österreich eine Seltenheit. Beim letzten flächendeckenden Streik, 2011, waren rund 200 Firmen betroffen. Die Wirtschaft stimmte danach zähneknirschend einer Lohnerhöhung von 4,2 Prozent zu. Zuvor hatte es in den Jahren 1986 und 1962 flächendeckende Streiks gegeben.

Vertreter der Wirtschaftskammer werfen den Gewerkschaften vor, die Sozialpartnerschaft bewusst zu schädigen. Der Abbruch sei ein Zeichen, dass die Sozialpartnerschaft „zutiefst“ reformbedürftig sei, sagte Veit Schmid-Schmidsfelden, Mitglied des Verhandlungsteams in der Wirtschaftskammer. Er bestreitet, dass es sich dabei um Theaterdonner handelt. „Heuer ist es schon besonders gekippt“, sagte Schmid-Schmidsfelden auf „Presse“-Anfrage. Denn die Gewerkschaftsvertreter seien bereits zum dritten Mal aufgestanden und haben den Verhandlungstisch verlassen. „Für den Standort Österreich wäre es wichtig und notwendig gewesen, fertig zu verhandeln und zu einem Ergebnis zu kommen“, betonte Schmid-Schmidsfelden.

Basis für die Verhandlungen ist die Inflationsrate. Diese liegt derzeit bei 1,88 Prozent. Dazu verlangen die Gewerkschaften einen kräftigen Aufschlag. Gewerkschaftsvertreter Rainer Wimmer nannte das Angebot der Industrie von 2,5 Prozent eine „Pflanzerei“. Denn laut Wimmer sei es eine Tatsache, dass die Konjunktur „steil bergauf geht, die Gewinne explodieren und enorme Dividenden ausgeschüttet werden“.

Die Firmenvertreter bestreiten nicht, dass es der exportorientierten Branche aufgrund der weltweit anziehenden Konjunktur gut geht. Allerdings müssten die guten Zeiten genutzt werden, um überfällige Investitionen zu tätigen, die im Zuge der Finanzkrise zurückgestellt wurden, erklärte Branchenobmann Christian Knill.

Angeblich sollen die Verhandlungspartner zuletzt gar nicht so weit auseinander gelegen sein. Laut Aussagen der Arbeitgeber sollen die Gewerkschaften nach den langen Verhandlungen am Dienstagfrüh von ihren ursprünglich geforderten vier Prozent auf drei Prozent zurückgegangen sein.

Die Gewerkschaften sehen das anders. Sie erklärten nach Abbruch der Verhandlungen, dass sie weiterhin auf vier Prozent bestehen. Später erklärte Wimmer vor Journalisten: „Ein Dreier muss vorn stehen.“

Vertreter der Wirtschaftskammern sehen die Gefahr, dass die Gewerkschaften auf dem Rücken von Lohnthemen Politik machen. Denn im Gewerkschaftsbund haben Vertreter der SPÖ das Sagen. Solange die SPÖ in der Regierung saß, wurden wichtige Gewerkschaftsanliegen umgesetzt. Doch nun verhandeln ÖVP und FPÖ über die Bildung einer neuen Regierung. Wirtschaftsvertreter schließen nicht aus, dass die Gewerkschaften mit der Streikdrohung auch ein Signal gegen ÖVP und FPÖ setzen wollen. Die Gewerkschaften bestreiten hingegen, dass der Lohnkonflikt etwas mit der Regierungsbildung zu tun hat.

Sollte der Streit eskalieren, dürften sich die Spitzen der Sozialpartner einschalten. Auch beim jüngsten Streik im Jahr 2011 gelang erst nach Eingreifen von Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl und ÖGB-Präsident Erich Foglar ein Kompromiss.

Auf einen Blick

Die Metaller bilden in Österreich seit Jahrzehnten den Auftakt für die Lohnrunden. Ihr Abschluss gilt als Vorbild für andere Branchen. Doch heuer konnten sich Vertreter der Gewerkschaften und der Industrie auch in der fünften Verhandlungsrunde auf kein Ergebnis einigen. Daher hat der Vorstand des Gewerkschaftsbund am Dienstag die Freigabe von Streiks beschlossen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.11.2017)

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