Diäten: Unterhaltungen mit einer Waage

(c) Clemens Fabry
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Diäten sind nicht nur schwer durchzuhalten, sondern auch schwer zu durchschauen. Derzeit isst man nur drei Mal am Tag, kaum Kohlehydrate und lässt sich von einem Küchengerät schimpfen, wenn man schlingt.

Entweder man muss, oder man will. Sei es, dass die Blutfettwerte nicht optimal sind, man sein Gewicht nicht mehr ohne Keuchen die Treppen hochbringt, die Garderobenauswahl sich nur noch auf zwei alte Hosen beschränkt oder man sich selbst einfach nicht mehr im Spiegel anschauen kann. Fürs Abnehmen finden die meisten Menschen so gut wie immer einen Grund. Besonders, wenn sie Frauen sind.

Der Entschluss zur Diät ist dabei bekanntlich der einfachste Schritt, sie durchzuhalten, der schwierigste. Dazwischen liegt allerdings noch eine Hürde, die mit jedem Jahr höher wird: die Qual der Wahl zwischen tausenden Erfolg und Kiloverlust versprechenden Methoden. Soll man fasten, soll man nur bestimmte Lebensmittel konsumieren, soll man auf Kohlehydrate verzichten, soll man nur drei Mal am Tag essen oder doch lieber fünf Mal, soll man die altgediente „Brigitte“-Diät aus der Schublade ziehen oder etwas völlig Neues versuchen? Soll man auf die Ernährungsgesellschaften hören, die Vernunft predigen und eine langsame, dafür aber durchhaltbare Ernährungsumstellung mit viel Bewegung empfehlen? Oder auf die fünf Freundinnen, die mit fünf verschiedenen Diäten sagenhaft abgenommen haben – wer weiß, für wie lange, aber auch egal, jetzt sind sie glücklich, hinter ihnen die Sintflut.

Durch diesen undurchdringlichen Diätdschungel lassen sich dennoch jedes Jahr einige Breschen schlagen und Trends erkennen, die unter Experten gerade für besonders zielführend gehalten werden.


„Drei ist besser als fünf.“
So galt zum Beispiel bis vor Kurzem das eiserne Diätprinzip, man solle fünf kleine Mahlzeiten am Tag essen. Jetzt haben Schweizer Forscher diese These gekippt. Nur ein Körper, der zwischen den Mahlzeiten Hunger erlebe, sei ein gesunder Körper, meinen die Wissenschaftler der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich.

Angelpunkt der Schweizer These ist die Insulinausschüttung. Nach jedem Essen wird die Bauspeicheldrüse aktiv und produziert Insulin. Leute, die zu oft Nahrung zu sich nehmen, zwingen die Bauchspeicheldrüse zur Akkordarbeit, der Körper ist praktisch nie „insulinfrei“. Dadurch aber werde ein Protein unterdrückt, das mit dem Bewegungsdrang und der Fettleibigkeit in Zusammenhang gebracht wird: Foxa2. Dieses Protein wirkt auf das Gehirn des Menschen und löst einerseits das Bedürfnis nach Nahrungsaufnahme aus, andererseits nach Bewegung. Menschen, die zwischen den Mahlzeiten Hungergefühle erleben, sind daher wesentlich aktiver als jene, die ihren Körper durch einen ständigen Verdauungsprozess anästhetisieren. Das legt den Schluss nahe, dass Oma und Opa mit dem Ernährungsgrundsatz „Morgens wie ein König, mittags wie ein Bürger und abends wie ein Bettler“ gar nicht so weit danebenlagen.


„Böse“ Kohlehydrate.
Einige der erfolgreichsten Diäten operieren nach dem Grundsatz der „bösen Kohlehydrate“. Die „Montignac-Diät“ oder die „Metabolic Balance“ zieht die Konsequenz aus dem Umstand, dass sich die meisten Menschen heute wesentlich weniger bewegen als früher. Isst man viel Pasta, Erdäpfeln, Reis oder Brot, führe das sehr schnell zu Übergewicht, meinen sie. In der „Metabolic Balance“-Diät sind daher nur ganz wenige Kohlehydrate erlaubt – und nur ganz bestimmte, wie etwa Roggenbrot. Vor allem bei der Montignac-Methode spielt der „Glykämische Index“ eine wichtige Rolle – die Blut-Glukose-Antwort auf ein kohlehydratreiches Lebensmittel.

Dafür wird in diesen „Low Carb“-Diäten der Eiweißanteil sehr großzügig gehandhabt – nicht zuletzt deshalb, weil Protein einen stark sättigenden Effekt hat. Auch Fett erlebt im Fahrwasser der kohlehydratarmen Diäten eine gewisse Renaissance. Obwohl Methoden wie „Metabolic Balance“ zumindest kurzfristige Erfolge bringen, stehen Ernährungswissenschaftler diesem Ansatz skeptisch gegenüber. Sie warnen sogar vor gesundheitlichen Schäden.


Hauptsache maßgeschneidert.
Zwar greifen noch immer sehr viele Menschen zu fixfertigen Diätprogrammen, wer es aber wirklich ernst meint, geht einen anderen Weg: den der individuellen Beratung. Spitzenreiter ist auch hier die „Metabolic Balance“-Diät, die auf Basis von 36 Blutwerten ein maßgeschneidertes Programm für den Kunden erarbeitet. Ernährungsexperten betrachten das Konzept mit Skepsis – vor allem, weil die 36 Blutwerte vom Erfinder Wolf Funfack streng geheim gehalten werden und eine externe Überprüfung der Diät damit praktisch unmöglich wird.

Die „Blutgruppen-Diät“ funktioniert ebenfalls nach der Idee, dass jeder Mensch anders ist – allerdings nur, so weit seine Blutgruppe das zulässt. Bestimmte Lebensmittel könnten bei manchen Blutgruppen negative Auswirkungen haben, heißt es.

Maßgeblich zum Erfolg von „Metabolic Balance“ etwa dürfte die individuelle Betreuung beitragen, die über die schwere Anfangszeit hinweghilft. Und wofür die Kunden entsprechend bezahlen. Viele Experten glauben, dass individualisierten Diätprogrammen die Zukunft gehört – egal, mit welcher Methode.

Die sprechende Waage.
Gimmicks gibt es, seit die Menschen an ihrem Gewicht arbeiten. Jetzt hat das schwedische Karolinska-Institut etwas entwickelt, das vielleicht bald in vielen Haushalten den Ton angeben wird: eine sprechende Waage. Auf dieses „Mandometer“ stellt man den Teller, die Waage misst das Esstempo. Schlingt man zu schnell in sich hinein, wird man von einer strengen Männerstimme zur Ordnung gerufen.

Ein weiteres Beispiel – neben GPS – für die elektronische Bevormundung des Menschen – aber eine, die offenbar funktioniert. Wissenschaftler der Universität Bristol haben die Vorrichtung an fettleibigen britischen Jugendlichen getestet und festgestellt, dass sich bei den „Zöglingen“ des Mandometers der Body-Mass-Index deutlicher verringerte als bei denen, die der gängigen Methode „Weniger essen, gesünder essen, mehr bewegen“ folgten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.01.2010)

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