Arbeitslose: Zahlen Sie noch, oder pfuschen Sie schon?

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Böse Arbeitslose. Verantwortlich für die Misere sind also vor allem Menschen, die gerade ihren Job verloren haben und sich nun auf dem Schwarzmarkt etwas dazuverdienen wollen.

Wenn das keine Erfolgsmeldung für die heimischen Finanzbehörden ist: Im abgelaufenen Jahr wurden 10.000 Strafanträge wegen Schwarzarbeit gestellt – um neun Prozent mehr als 2008. Von einer derartig stark gestiegen Trefferquote darf die Polizei bestenfalls träumen. Weniger erfreulich ist, dass die via Pfusch hinterzogenen Steuern und Abgaben noch etwas schneller gewachsen sein dürften als die Zahl der Strafanzeigen. Staatliche Organe deuten die grassierende Steuerhinterziehung auf dem heimischen Arbeitsmarkt als eine Kombination aus einer offensichtlich genetisch vorgegebenen kriminellen Energie und der wachsenden Arbeitslosigkeit.

Je mehr Menschen ohne Arbeit sind, desto eher weichen sie auf den Schwarzmarkt aus, räsonierte Finanzstaatssekretär Reinhold Lopatka (ÖVP) Mitte der Woche. Na so was. Wer hätte das gedacht?


Böse Arbeitslose. Verantwortlich für die Misere sind also vor allem Menschen, die gerade ihren Job verloren haben und sich nun auf dem Schwarzmarkt etwas dazuverdienen wollen. Wenn dem so wäre, würde sich die Sache mit dem nächsten Aufschwung von selbst erledigen. Wird sie aber nicht. Wir haben es nämlich mit einem systemischen Problem zu tun, das in wirtschaftlich schwierigen Zeiten nur besser sichtbar wird. Es gehört aber zum Land wie der tägliche Sonnenaufgang.

Schuld an der um sich greifenden Schwarzarbeit sind deshalb auch nicht die schlimmen Arbeitslosen – laut „Pfuschforscher“ Friedrich Schneider (Uni Linz) haben zwei von drei Schwarzarbeitern einen fixen Job. Sie verdienen an den Abenden und am Wochenende regelmäßig dazu. Mit einem Anteil von knapp neun Prozent an der Wertschöpfung ist der „Sektor Pfusch“ bereits so groß wie der Tourismus. Allein auf dem Bau und im Handwerk legen bis zu 900.000 Menschen regelmäßig „schwarz“ Hand an. Im Haushaltsbereich werden selbst in der Hochkonjunktur 95 Prozent der Arbeiten steuerfrei erledigt.

Nun wird es schon so sein, dass das Angebot schwarz verrichteter Tätigkeiten mit der Arbeitslosigkeit wächst. Die Crux lieg allerdings nicht allein im höheren Angebot der Pfuscher. Sondern vor allem in der ungebrochen starken Nachfrage nach deren Tätigkeit. Die blühende Schwarzarbeit misst nämlich die Temperatur in der Steuerhölle Österreich, über der das Eingangsschild „Sozialer Wohlfahrtsstaat“ prangt. Sozial ist dieser Staat nicht so sehr für die Kundschaft, die drei Stunden brutto arbeiten muss, um sich eine Handwerkerstunde offiziell leisten zu können. Auch nicht so sehr für den Handwerker selbst, dem vom offiziellen Stundenlohn nach Abzug aller Steuern und Sozialversicherungsbeiträge weniger als die Hälfte übrig bleibt.


Die sozialen Partner. Sozial ist dieser Wohlfahrtsstaat mit seinen absurd hohen Arbeitskosten jedenfalls für die politische Umverteilungselite, die ungeachtet der im internationalen Spitzenfeld liegenden Sozialausgaben eine offenbar unaufhaltsame Verarmung der heimischen Bevölkerung diagnostiziert und deshalb nach immer mehr Geld verlangt. Oder für die angeblichen „Sozialpartner“, die mit Leidenschaft hohe Arbeitskosten beklagen – ohne auch nur ein Wort darüber zu verlieren, dass Kammern und Gewerkschaften dafür verantwortlich sind, wenn Bürgern immer höhere Lohnnebenkosten aufgeladen werden.

Was wiederum dazu führt, dass das gefeierte Wohlfahrtsmodell Österreich an einer eklatanten Schwäche leidet: Es ist für seine (vom Steuerstaat kahl geschorenen) Bewohner längst nicht mehr leistbar. Wer eine kalte Therme in Ordnung zu bringen hat, eine Nachhilfestunde für das mit schlechten Noten kämpfende Kind organisieren will oder die bettlägrige Oma betreuen lässt, hat in vielen Fällen nur noch eine Hoffnung: mit bereits kräftig versteuertem Einkommen auf den Schwarzmarkt zu pilgern, um dort die Probleme des Alltags lösen zu lassen.

Dieses Verhalten ist ohne Zweifel ungesetzlich. Was nichts daran ändert, dass von Regierungsmitgliedern mehr zu erwarten ist, als Arbeitslose für die boomende Schattenwirtschaft verantwortlich zu machen. Hinter dem Symptom steht nämlich stets ein Problem.

franz.schellhorn@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.01.2010)

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