Klausur: Die SPÖ sucht den Ausweg aus der Krise

Noch-Kanzler Christian Kern traf sich mit dem erweiterten Präsidium der SPÖ zur Klausur.
Noch-Kanzler Christian Kern traf sich mit dem erweiterten Präsidium der SPÖ zur Klausur. (c) APA/HERBERT PFARRHOFEROFER)
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Das Präsidium berät zwei Tage lang, wie man sich innerparteilich und als Opposition aufstellen will. Die Meinungen gehen wieder einmal auseinander.

Wien. Im Gartenhotel Altmannsdorf wurden die vergangenen Jahre rauschende Kanzlerfeste der SPÖ gefeiert. Was Noch-Kanzler Christian Kern dieser Tage dort mit seiner Partei tut, ist so ziemlich das Gegenteil von Feiern. Das erweiterte Parteipräsidium hat sich dort zu einer Klausur zusammengefunden, um Wege aus der Krise zu finden: personell, inhaltlich – aber auch finanziell.

Die Partei hat hohe Schulden und darum bereits begonnen, Kronjuwelen zu verscherbeln – und so steht auch das Hotel Altmannsdorf zum Verkauf. Wie hoch die finanziellen Verpflichtungen der SPÖ sind, kann nur geschätzt werden. Es gibt zwar einen Rechenschaftsbericht, den die Parteien jedes Jahr beim Rechnungshof einbringen müssen, Schulden und Vermögen müssen aber nicht angegeben werden.

Hubert Sickinger ist Experte für Parteienfinanzierung und schätzte den Schuldenberg der SPÖ-Bundespartei Anfang des Jahres auf mindestens 14 Millionen Euro. Allerdings erhält diese Schätzung keine Zinszahlungen – inklusive wären es wohl 18 bis 23 Millionen Euro. Dazu kommen die Kosten für den Wahlkampf die per Gesetz höchstens sieben Millionen Euro betragen dürfen.

Laut Sickinger gibt es keine andere Partei, die finanziell so schlecht dasteht wie die SPÖ. Als Ursprung dafür nennt er das finanzielle Desaster rund um die „Arbeiterzeitung“ in den 1980er-Jahren. Weiters gebe es seit Jahren ein Ungleichgewicht zwischen fixen Kosten der Partei und Geld, das man dann für Wahlkämpfe aufbringen müsse. Dazu komme ständiger Mitgliederschwund – und damit weniger Einnahmen durch Beiträge.

Die Strukturen passen nicht mehr zu den finanziellen Mitteln. Das hat auch Kern erkannt, er versuchte bereits bei Amtsantritt, eine Parteireform einzuleiten. Der Apparat sollte moderner, schlanker und somit beweglicher werden – die Partei offener. So wurden etwa Gastmitgliedschaften eingeführt, das Renner-Institut – das ebenfalls im Hotel Altmannsdorf untergebracht ist – bekam mit der 32-jährigen Maria Maltschnig eine neue Direktorin. Die Ausrufung von Neuwahlen bremste die Reformen.

Nicht nur strukturell, sondern auch inhaltlich hat die Partei seit Monaten Schwierigkeiten, auf Kurs zu kommen. Vor allem in der Flüchtlingsfrage driften die Positionen zwischen links und rechts innerhalb der Partei teilweise weit auseinander. Auch wenn man stets betont hat, dass es kein Links und Rechts in der SPÖ gebe. Das wiederholte man auch am Montag wieder gebetsmühlenartig. Kern stellte einen Richtungsstreit ebenso in Abrede wie Bürgermeister Michael Häupl. Dieser plädierte dafür, mehr Städtepolitik zu machen – immerhin habe man bei dieser Wahl gesehen, wo die SPÖ noch viele Stimmen bekommen könne. Noch-Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil warnte hingegen, sich nur auf den innerstädtischen Bereich zu konzentrieren.

Er war es auch, der warnte, dass man „nicht die Ersatzgrünen“ werden dürfe. Kern erklärte am Montag, dass man Grünen- und Liste-Pilz-Wählern aber ein Angebot machen wolle. „Es wird sicher eine Themenverbreiterung geben müssen“, meinte Häupl. Gewisse Themen ins Portfolio aufzunehmen sei „vernünftig“.

Quo vadis, Arbeiter?

Einmal mehr wurde diskutiert, wie man sich als „Partei der Arbeiter“ positionieren könne. Der klassische Arbeiter fühlt sich laut Umfrage von der SPÖ immer weniger repräsentiert – allerdings gibt es auch immer weniger wahlberechtigte Arbeiter. „Es ist wichtig, dass wir für jene da sind, die in unserer schnelllebigen modernen Gesellschaft Unsicherheit verspüren“, meinte Doskozil. „Wenn wir uns nur auf den innerstädtischen Bereich konzentrieren und ausschließlich die akademische Bildungsschicht ansprechen, bewegen wir uns weg von unserer klassischen Wählerklientel.“ Häupl befand, dass es um ein „Sowohl-als-auch“ geht.

Ex-Grünen-Klubchef Albert Steinhauser versuchte sich am Montag übrigens auch in der Beraterfunktion für die SPÖ. In einem Blogeintrag empfahl er der SPÖ, sich auf die historische Rolle als Arbeiterpartei zu besinnen, um ein Ausrinnen in Richtung FPÖ zu verhindern. Die SPÖ müsse sich entscheiden, „ob sie sich als linksliberale Partei ohne Chance auf Mehrheiten zwischen 20 und 30 Prozent positioniert oder ob sie endlich den Kampf um die berühmten Kleinen, Hackler und Verunsicherten aufnimmt“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.11.2017)

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