Der Radbeauftragte der Stadt Wien, Martin Blum, spricht sich für klare Regeln für die neuen Bikesharing-Anbieter aus. Ein Limit an Leihrädern sei "eine von mehreren Möglichkeiten". Und: "Das Verhalten der Nutzer muss sich erst einspielen."
Fahrräder, die mitten auf dem Gehsteig stehen, in der U-Bahn-Station oder an anderen Plätzen, an denen sie eigentlich nicht abgestellt werden dürfen: Die neuen Leihrad-Anbieter "Ofo" und "Obike" haben das Bike-Sharing-Angebot in Wien breiter gemacht. Aber auch aufgezeigt, dass es noch nicht genügend Regelungen für diese neue Art von Bike-Sharing gibt. Die Stadt arbeitet gerade daran, Vorschriften für die sogenannten stationslosen Leihräder auszuarbeiten. Martin Blum, als Geschäftsführer der Mobilitätsagentur und Radbeauftragter Teil der Arbeitsgruppe, über Obergrenzen und den Lernprozess der Wiener.
Die Presse: Wie groß ist das Chaos wegen der neuen Leihräder in Wien?
Martin Blum: Das wird mitunter schon etwas problematisiert dargestellt. Die neuen Leihräder haben viele Vorteile, sie werden vor allem von Jugendlichen genutzt und machen Fahrräder sehr schnell und rasch für kurze Fahrten verfügbar. Das ist das Positive. Die Kehrseite ist, dass es zu Vandalismus kommt und dass sie auch dort abgestellt werden, wo sie eigentlich nicht stehen dürfen. Welche neuen Regeln es da braucht, wie man diese Probleme lösen kann: Das sind neue Fragestellungen, die bisher noch nicht aufgetreten sind.
Verhängt Wien nun also einen Stopp an Leihrädern?
Bis zum Frühling bleibt es bei den derzeit 1500 Fahrrädern (Anmerkung: 800 von oBike, 700 von Ofo). Bis dahin müssen die Anbieter versuchen, das Service zu verbessern und für eine gute Verteilung zu sorgen. Ob sich die Stadt generell für eine Obergrenze ausspricht, wird sich zeigen: Das ist eine von mehreren Möglichkeiten. Das Konzept wird gerade, koordiniert von der Magistratsdirektion und unter Einbindung von den zuständigen Magistratsabteilungen und Juristen ausgearbeitet.
Wie viele Leihräder verträgt Wien?
Das ist eine gute Frage, für die es bisher keine fachlichen Grundlagen gibt. Für stationsgebundene Leihräder wie in Wien die Citybikes gibt es Berechnungen und Obergrenzen, die recht hoch sind. Für die stationslosen Leihräder gibt es noch keine derartigen Erfahrungen. Ich glaube aber, dass es weniger eine Frage einer Obergrenze an Leihrädern ist.

Sondern?
Es ist eher in kultureller Prozess. Das Verhalten der Nutzer muss sich erst einspielen. Wie geht man mit diesen Leihrädern um, wo stellt man sie ab: Das ist ein Lernprozess. Sofern sich dieses stationslose Leihrad-System überhaupt etabliert – das wissen wir ja noch nicht – ist es aber sicher sinnvoll, dass es anfangs einmal weniger Räder gibt. Wenn man sieht, es funktioniert und wird auch genutzt, dann kann man die Zahl erhöhen.
Die Wiener müssen also erst lernen, sich richtig zu verhalten?
Bei den Citybikes ist die Nutzung klar: Man borgt es sich aus und bringt es an einer der Stationen zurück. Gibt es Schäden am Rad, sind diese klar dem letzten Nutzer zuzuordnen. Bei den stationslosen Leihrädern ist das schwieriger. Das steht irgendwo herum, jeder kann es wegheben. Das System ist grundsätzlich vandalismusanfälliger. Die Räder haben auch noch nicht die Qualität, die ich mir wünschen würde. Wenn die Wertigkeit höher wird, wird auch der Umgang besser. Und es ist wichtig, die vandalisierten Fahrräder rasch zu entfernen, damit man nicht mehr Leute auf derartige Gedanken bringt.
Welche neuen Maßnahmen sind aus Ihrer Sicht notwendig?
Zum einen ist eine Schnittstelle zwischen den Anbietern und der Stadt sinnvoll, damit wir wissen, wie stark die Leihräder angenommen werden. Denkbar wäre auch ein Abschlepplimit: Wird dem Verleiher ein kaputtes oder falsch abgestelltes Fahrrad gemeldet, muss er dieses innerhalb von zwei Stunden abholen. Das wird in anderen Städten schon so gemacht. Pro Fahrrad, das in den Verkehr gebracht wird, ist ein Beitrag an die Stadt zu zahlen, der entstehende Kosten abdeckt.