Van der Bellen: Undiplomatisch vor Diplomaten

Bisher hat Bundespräsident Alexander Van der Bellen bei den Regierungsverhandlungen eine gute Figur gemacht. Nun möglicherweise einen Fehler.

Geschichte wiederholt sich also doch. Im konkreten Fall ist es dann zwei Mal ein Mittelding aus Tragödie und Farce. Bundespräsident Thomas Klestil lehnte im Jahr 2000 Thomas Prinzhorn und Hilmar Kabas als FPÖ-Minister ab. Nun ließ Bundespräsident Alexander Van der Bellen bei einem Treffen mit den Botschaftern der EU-Staaten in Österreich verlauten, dass er die Freiheitlichen Harald Vilimsky und Johann Gudenus nicht angeloben würde. Der eine wird an der Gerüchtebörse als möglicher Innenminister gehandelt, der andere als Außenminister.

Warum ausgerechnet diese beiden? Der russophile Gudenus ist jedenfalls gern gesehener Gast in Wladimir Putins Reich. Und Vilimsky ist der Verbindungsmann zu anderen rechtspopulistischen Bewegungen in Europa wie etwa dem Front National von Marine Le Pen: Die beiden riefen 2016 den „Patriotischen Frühling“ aus, und ihre Parteien sind in derselben Fraktion im EU-Parlament.

Im Umkehrschluss hieße dies dann aber: Der Weg für FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache ins Innenministerium wäre frei. Ja, sogar jener des vorjährigen Präsidentschaftskandidaten Norbert Hofer ins Außenministerium. Bisher hatte es stets geheißen, der Bundespräsident wünsche gar keinen Freiheitlichen im Außenamt, im Innenressort am besten auch nicht.

Van der Bellens Motiv

Auch über die Motive Alexander Van der Bellens, das nun vorab auszuplaudern, kann nur gemutmaßt werden. Die eine Vermutung ist, dass der oft so distanziert wirkende Bundespräsident sein Herz eben doch auf der Zunge trägt – siehe auch seinen Sager, alle Frauen müssten bald aus Solidarität mit den unter der „Islamophobie“ leidenden muslimischen Frauen Kopftuch tragen.

Die andere, nachvollziehbarere Erklärung wäre, dass Alexander Van der Bellen seit der Nationalratswahl und dem Beginn der Regierungsverhandlungen unter einem beträchtlichen Druck ausländischer Staatskanzleien und EU-Institutionen steht, die keine allzu große Freude mit der Regierungsbeteiligung der Freiheitlichen hätten. Das Bild der FPÖ ist dort auch ein vielfach negativeres als hierzulande.

So gesehen hat der Bundespräsident gegenüber diesen Bedenkenträgern über ihre Botschafter nun einmal eine Geste der Beruhigung gesetzt. Ob das taktisch klug war, hier auch gleich Namen zu nennen, ist wiederum eine andere Geschichte. Van der Bellen vermittelt dabei den Eindruck, dass er aktiv ins Geschehen der Koalitionsverhandlungen eingreift und dabei den Verhandlungsspielraum einschränkt, indem er einem präsumtiven Regierungspartner bei Personalfragen hineingrätscht. Aber vielleicht ist das so beabsichtigt. Schließlich will auch Van der Bellen seine Wähler bei der Stange halten.

Bedächtiger als Vorgänger Fischer

Alexander Van der Bellen geht insgesamt bedächtiger zu Werke als sein quirliger Amtsvorgänger, Heinz Fischer. Bei den Regierungsverhandlungen hat er bisher aber eine gute Figur gemacht. Er hat sich an die Spielregeln gehalten und umsichtig die ersten Gespräche begleitet. Er hat dabei nicht wie seinerzeit Thomas Klestil persönlichen Unmut oder Präferenzen erkennen lassen.

Van der Bellen kann freier agieren als seine Vorgänger, da er selbst als vormaliger Grüner nicht aus dem bisher herrschenden System der Großparteien kam. Aber ganz frei ist er dann auch wieder nicht. Die EU-Vertreter liegen ihm in den Ohren und auch heimische Unternehmervertreter, die um die Reputation Österreichs im Ausland fürchten.

Eine Trauermiene bei der Angelobung wird Alexander Van der Bellen dann aber wohl auch nicht aufsetzen – nicht zuletzt aufgrund der historischen Erfahrung. Bundespräsident Thomas Klestil begleiteten diese Bilder seine letzten Lebensjahre hindurch, und noch heute hängen sie in der kollektiven Gedächtnisgalerie dieses Landes.

Letztlich wird sich Alexander Van der Bellen nach den realpolitischen Maßstäben ausrichten müssen, die von jenen beiden Parteien, die miteinander regieren wollen, vorgegeben werden. Damit die Tragödie nicht zur Farce wird und die Farce nicht zur Tragödie wird.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.11.2017)

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