Der Wiener Regisseur Filip Antoni Malinowski hat eine Dokumentation über das Pariser Klimaabkommen gedreht. Ein abenteuerliches Unterfangen.
Ein Film über eine Klimakonferenz, die noch dazu zwei Jahre her ist, als Dokumentation in voller Kinolänge? Das mag trocken klingen, ist es aber nicht. „Guardians of the Earth“ heißt die Doku, die sich, in Anspielung auf Hollywood'sche Science-Fiction-Bedrohungen aus dem Weltall, auf die deutlich realere Gefahr des Ansteigens der Meeresspiegel konzentriert – und die das Ringen hinter den Kulissen des Pariser Klimaabkommens begleitet hat.
Jenes Abkommens, das, drastisch ausgedrückt, in zähen bürokratischen Verhandlungen über die Zukunft des Planeten entscheiden sollte (und aus dem die USA inzwischen wieder ausgestiegen sind). Regisseur des Films ist mit Filip Antoni Malinowski ein Österreicher. Im Büro seiner kleinen Produktionsfirma Soleil Film an der Linken Wienzeile scheint an diesem Vormittag wirklich die Sonne durchs Fenster, während Malinowski düstere Szenarien skizziert, sollten die Klimaziele von Paris nicht erreicht werden. Welcher Thriller allein dem Formulieren der Ziele vorausgegangen ist, schildert er in seinem Film.
Er folgt etwa Saleemul Huq, dem Chefverhandler des vom Klimawandel besonders betroffenen Bangladesch, der „auf Konferenzen lebt und hofft, dass sein Land endlich wahrgenommen wird“. Oder Christiana Figueres, der Generalsekretärin des Sekretariats der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC). Die Tochter eines revolutionären Kaffeebauern aus Costa Rica, der dreimal zum Präsidenten gewählt wurde, war quasi Gastgeberin der Konferenz und damit jene Frau, auf deren Schultern das „Gewicht der Welt“ lastete, wie damals der „New Yorker“ schrieb: „Kann sie die Welt dazu bringen, sich selbst zu retten?“
Das eigene Zittern um das Zustandekommen des heiklen Unterfangens spart Malinowski im Film aus. Alles an diesem Film sei schwierig gewesen, sagt er rückblickend, „es ist ein Wunder, dass wir es geschafft haben“. Eine Klimakonferenz, das bedeutet: 35.000 Menschen, davon 20.000 Unterhändler. Ein Privatflughafen war, kurz nach den Anschlägen von Paris, zur UN-Hochsicherheitszone umfunktioniert worden. Eine abgeschottete Parallelwelt, von Snipern und Drohnen bewacht, mit einem Zelt, in dem zeitweilig 150 Staatschefs versammelt waren. „Es wurde gewitzelt, dass der IS der größte Gegner der Konferenz sei, weil er mit Erdöl das meiste Geschäft macht.“
Um fünf Uhr morgens wurde das Team von der Produktionsleiterin aus den Betten geworfen. Dann sei es zunächst darum gegangen, die Sicherheitskontrollen zu passieren und die aktuelle Lage zu besprechen. „Termine haben sich im Halbstundentakt geändert. Und Leute, die dabei sind, ihr Land zu retten, haben nicht viel Zeit für ein Filmteam aus Österreich.“ Gesprächspartner mussten aus unzähligen Untergruppen geholt und in einen Interviewraum gelotst werden. Viele Verhandlungen waren geheim. Der Film beinhaltet dennoch spektakuläres – Malinowski zugespieltes – Material.
Kindheit in Polen
Die Motivation für das Projekt, sagt Malinowski, habe mit seiner persönlichen Geschichte zu tun. Aufgewachsen in Polen unter dem kommunistischen Regime, bevor er mit acht nach Österreich kam, habe er „in einer Gesellschaft gelebt, die mit einer Lüge lebte. In den Schulheften haben wir die Propaganda einer Solidarität vorgesetzt bekommen, die es in der Gesellschaft nicht gab. Es war eine höchst verdorbene Gesellschaft, in der jeder nur auf seinen Vorteil geschaut hat und versucht hat, durchzukommen.“
Mit dem Film will er auch die Frage stellen, „wie es um unsere Bereitschaft zur Solidarität steht“. Das Paradoxe am Klimawandel sei dabei, dass man genau genommen ja auch aus Eigeninteresse handeln müsste. Es sei denn, man lebe gern in einer Welt, in der die schönsten Strände überflutet sind und Millionen auf der Flucht. Er möge das Wort Flüchtlingswelle ja nicht, sagt Malinowski, „aber die Anzahl der Flüchtlinge durch Krieg, Instabilität, Hunger wird sich rapide erhöhen“.
Er selbst versuche nun einfach, sich anders zu ernähren, weniger einzukaufen und sich „die schönen Länder anzuschauen, die es bald nicht mehr geben wird“. Gerade lief der Film auf einem Festival in Mexiko. Dort, erzählt Malinowski, sei er auf der Halbinsel Yucatán über den Strand spaziert – und habe schon die ersten Sandsäcke liegen gesehen.
ZUR PERSON
Filip Antoni Malinowski wurde 1982 in Posen in Polen geboren und lebt seit 1989 in Wien. Studium der Theater-, Film- und Medienwissenschaft, später der Bildenden Kunst in Wien. 2008 gründete er die Produktionsfirma Soleil Film, in der er als Produzent und Regisseur arbeitet. Nach „Maria muss packen“ ist „Guardians of the Earth“ (ab heute im Kino) sein zweiter Langdokumentarfilm. Er beleuchtet darin die Mechanismen hinter dem Klimaabkommen von Paris. Derzeit arbeitet er an „Roboter“ über die Folgen der Automatisierung.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.11.2017)