Retten, was zu retten ist: Eine Revolution im Österreich von 1918

(c) Wilhelm Willinger / Imagno / pic (Wilhelm Willinger)
  • Drucken

Revolutionäre lieben Barrikaden und wütende Massen. Ganz anders die Ereignisse am 12. November 1918 in Österreich. Die Beseitigung der Monarchie und die Gründung einer demokratischen Republik war doch wohl eine Revolution. Aber eben eine österreichische. Ein Auszug aus unserem neuen Geschichte-Magazin zu 1918.

Die Revolution! Zweifellos ein großes Wort, das ein erhabenes Ereignis anzeigt, Menschenmassen ziehen durch Straßen, sie stürmen Gebäude, töten die dort verschanzten Machthaber, kurz: Sie machen Geschichte. Zugleich ist es ein Gefühlsereignis, geprägt von Hass gegenüber dem Vergangenen und Liebe zu dem, was kommen wird. „Strukturen gehen nicht auf die Straße“, sagte man 1968, es braucht schon die großen Emotionen, den Gesang: „An die Laterne mit ihm!“ Kann freilich sein, dass man nach dieser emotionalen Hochschaubahn wieder auf der Straße landet, im ruhigen Gang der Geschichte, und nicht begreifen kann, dass der Traum durch die Wirklichkeit besiegt wurde.

Haben die Österreicher 1918 diese „erhabene Rührung“, diesen „Enthusiasmus des Geistes“ (Hegel) verspürt? Mit Sicherheit nicht. Der staatliche Boden, auf dem sie standen, hatte seit dem Hungerwinter 1917 schon laut geknirscht, doch der Gedanke, dass daraus ein Erdbeben entstehen könnte, das alles umstürzte, rief weniger Hoffnungen als Angst hervor. In den zwei Jahren nach dem Tod des alten Kaisers merkte man ein allmähliches Zerbröckeln, die unbestimmte Ahnung einer neuen Ordnung, doch noch war das Chaos zunächst nicht groß genug.

K. u. k. Sozialdemokraten. Auch die linke Seite im Parteienspektrum hatte sich den liebevollen Schimpfnamen „k. u. k. Sozialdemokratie“ redlich verdient, war sie doch bis zuletzt eine systemerhaltende Kraft, die mithalf, die Streiks und Krawalle zu beenden. Zuletzt aber, so Karl Seitz, wurde sie von der orientierungslosen bürgerlichen Parteienmehrheit geradezu angefleht, „zu retten, was zu retten sei“.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.