Die EU-Arzneimittelagentur bewertet seit 1995 Medikamente. Sie siedelt wegen des Brexits auf die andere Seite des Ärmelkanals. Wien hatte auf Mehreinnahmen gehofft.
Die 900 Beschäftigten der EU-Arzneimittelbehörde (European Medicines Agency/EMA) müssen nicht weit übersiedeln: Die bisher in London beheimatete EMA wird künftig im knapp fünf Zugstunden entfernten Amsterdam ihre Zelte aufschlagen. Aufgabe der 1995 gegründeten EMA ist der Schutz der Gesundheit von Menschen und Tieren durch Bewertung und Überwachung von Medikamenten.
Zur "Sicherstellung, dass alle auf dem europäischen Markt erhältlichen Medikamente sicher, wirksam und von hoher Qualität sind" schaut die Agentur darauf, dass die nationalen Arzneimittel-Regulierungsbehörden der 28 Mitgliedstaaten ihre Arbeit besser untereinander abstimmen. So ist in Europa ein Netzwerk aus diesen einschlägigen Institutionen entstanden. Die Vorteile dadurch: verbesserter Informationsaustausch, schnellere und effizientere Verwaltungsabläufe, Bündelung von Ressourcen, einheitliche Standards bei Medikamenten.
Die EMA ist ferner zuständig für Medikamente, die speziell für Kinder oder gegen seltene Krankheiten entwickelt wurden, sowie für pflanzliche Mittel. In ihrer mehr als 20-jährigen Tätigkeit empfahl die Behörde die Zulassung von knapp 1.000 Arzneien für den Gebrauch von Menschen und knapp 200 für Tiere.
Geführt wird die EU-Agentur seit 2011 (mit einer einjährigen Unterbrechung) von dem Italiener Guido Rasi, der sich wohl eine Übersiedlung nach Mailand gewünscht hätte. Rasi steht an der Spitze des 36-köpfigen EMA-Verwaltungsrates aus Experten der EU-Mitgliedstaaten, von EU-Kommission und EU-Parlament sowie Vertretern von Patienten-, Ärzte- und Tierärzte-Organisationen.
Ein BIP-Plus von einer Milliarde Euro
Nach einer Studie des IHS im Auftrag des Finanzministeriums hätte das österreichische Bruttoinlandsprodukt bei einer Ansiedlung der EMA innerhalb von fünf Jahren um eine Milliarde Euro steigen können. Außerdem könnten in diesem Zeitraum 9000 zusätzliche Arbeitsplätze gesichert werden. Durch die Organisation von Konferenzen und Veranstaltungen sorgt die EMA jährlich für tausende zusätzliche Hotelübernachtungen, dazu kommen die Ausgaben der hochqualifizierten EMA-Mitarbeiter und ihrer Angehörigen.
Österreich hatte sich noch im Sommer gute Chancen ausgerechnet, doch nach einer kritischen Bewertung der Bewerbung durch die EU-Kommission Ende Oktober schien der Zug abgefahren. Bis zuletzt wollte Wien nicht zugunsten des benachbarten Bratislava verzichten, dem viel bessere Chancen gegeben wurden und das beim Voting am Montag in der ersten Runde knapp ausschied.
Wegen des EU-Austritts von Großbritannien muss die Arzneimittelagentur in einen anderen Mitgliedstaat umziehen. Österreich wollte die Behörde nach Wien holen, blieb aber bei der Abstimmung am Montag mit vier Stimmen chancenlos. Neben Amsterdam, Mailand, Bratislava und Wien hatten auch Athen (Spanien), Barcelona (Spanien), Bonn (Deutschland), Brüssel (Belgien), Bukarest (Rumänien), Kopenhagen (Dänemark), Dublin (Irland), Helsinki (Finnland), Lille (Frankreich), Mailand (Italien), Porto (Portugal), Sofia (Bulgarien), Stockholm (Schweden), Valletta (Malta), Warschau (Polen) und Zagreb (Kroatien) mitgeboten.
(APA)