Die Slowakei kritisiert "Politik-Kasterei" und enthielt sich in der finalen EMA-Abstimmung, was einen Losentscheid erst ermöglichte. Österreich hatte es verabsäumt, Allianzen zu schmieden.
Es geht um viel Geld, um Prestige und um die Lebensumstände von mehr als 1000 Menschen. Zwei EU-Agenturen müssen wegen des angestrebten EU-Austritts Großbritanniens London verlassen. Die Arzneimittelagentur EMA findet in Amsterdam ein neues Zuhause, die Bankenaufsicht EBA siedelt nach Paris - zur großen Freude der dortigen Regierungen.
Jene Länder, denen im Vorfeld gute Chancen zugerechnet wurden, geben vor allem dem Abstimmungsverfahren die Schuld, dass sie nicht zum Zug gekommen sind. Etwa die Slowakei. Bratislava schied in der ersten Runde des Abstimmungsverfahrens aus und enthielt sich dann der Stimme. "Ich bin enttäuscht, dass die besten Angebote nicht in die zweite Runde aufgestiegen sind", sagte der slowakische Gesundheitsminister Tomas Drucker am Montagabend.
Abstimmungsverfahren erfordert gute Taktik
Bratislava schied wie Wien zwar in der ersten Runde aus, verpasste das Finale mit 15 Punkten als Vierter aber deutlich knapper als Wien. Die zweite Runde erreichten neben Mailand (25 Punkte) und Amsterdam auch Kopenhagen (je 20 Punkte). In der ersten Runde durfte man drei, zwei und einen Punkt(e) für jeweils drei Städte abgeben, in den beiden weiteren Runden nur für eine Stadt stimmen. Dadurch ist es etwa möglich, sich als Kandidat in der ersten Runde selbst maximal drei Punkte zu geben und aussichtsloseren Kandidaten die restlichen Punkte.
Der slowakische Gesundheitsminister Drucker kritisierte diese Art der Entscheidungsfindung scharf: Sie sei das Ergebnis bilateraler Vereinbarungen zwischen Mitgliedstaaten gewesen. "Politik-Kasterei" hätte vorgeherrscht und individuelle Interessen bestimmter Länder seien über einer generellen Botschaft an die EU-Bürger gestanden. "Auch aus diesen Gründen haben wir in der zweiten und dritten Runde keinen Kandidaten unterstützt."
Die Slowakei wollte nur Kandidaten aus den neuen EU-Ländern Mittel-Osteuropas unterstützen. Auch Sofia, Warschau, Zagreb und Bukarest hatten sich um den Sitz der EMA beworben. Es wäre vielleicht fairer, wenn das Los gleich von Anfang an eingesetzt worden wäre, meinte der slowakische Gesundheitsminister.
Der Fall (von) Mailand
Und noch ein Land ging gekränkt aus den Abstimmungen. Italien mit seinem Kandidaten Mailand für die EMA. "Eine solide Kandidatur, wie jene Mailands ist von einer Verlosung versenkt worden", sagte Premier Paolo Gentiloni.
In der zweiten Runde erhielt Mailand die Unterstützung von zwölf Staaten, Amsterdam kam auf neun. Kopenhagen schied mit fünf Stimmen aus. Erst dann holte Amsterdam dank Unterstützung der Nordstaaten auf und holte mit Glück den Sieg.
Für Österreich nichts zu holen
Für Wien mit seiner Doppelbewerbung war es ein Abend ohne den Ansatz eines Erfolgs. Die Stadt schied sowohl bei EMA (vier Punkte, 13. Platz von 16 Bewerbern) als auch bei EBA (zehn Punkte, 7. Platz von acht Bewerbern) in der ersten Runde aus. Die Wiener Bewerbung galt qualitativ als hochwertig. Die hohe Lebensqualität soll bei den Mitarbeitern der EBA gar Grund gewesen zu sein, Wien intern ganz oben auf dem Wunschzettel zu haben. Überhaupt hatte man sich bei der (wesentlich kleineren) Finanzagentur ein wenig mehr Chancen ausgerechnet. "Wir hätten uns das anders vorgestellt. Aber es ist kein Beinbruch, dass wir das nicht bekommen haben", sagte Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP), der für Österreich in Brüssel abstimmte. Man habe versucht, im Hintergrund Allianzen zu schmieden, zum Teil seien aber Zusagen anderer Länder schon vorhanden gewesen. "Da dürften andere besser gearbeitet haben."
Warum der Kampf um die beiden Agenturen so heftig geführt wurde, zeigt eine Studie des IHS im Auftrag des Finanzministeriums. Bei einer Ansiedelung der EMA mit rund 900 Beschäftigten hätte das österreichische Bruttoinlandsprodukt innerhalb von fünf Jahren um eine Milliarde Euro steigen können. Außerdem hätten in diesem Zeitraum 9000 zusätzliche Arbeitsplätze gesichert werden können. Durch die Organisation von Konferenzen und Veranstaltungen sorgt die EMA jährlich für tausende zusätzliche Hotelübernachtungen, dazu kommen die Ausgaben der hochqualifizierten EMA-Mitarbeiter und ihrer Angehörigen.

(Ag./klepa)