Wohin mit dem ganzen Impfstoff?

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Österreich sicherte sich 16 Mio. Dosen Impfstoff gegen Neue Grippe. 1,2 Mio. wurden geliefert, 300.000 „verimpft“. Der Rest ist unverkäuflicher Sondermüll.

Wien. Wer impft sich noch gegen die Neue Grippe? Eine Frage, die sich Österreichs Gesundheitsbehörden in den vergangenen Tagen wohl öfter gestellt haben. Die Antwort lautet: immer weniger Menschen, woraus sich eine zweite, nicht so leicht zu beantwortende Frage ergibt: Was tun mit dem überschüssigen Impfstoff?

33 Mio. Euro hat die Republik dem Pharmariesen Baxter für die exklusive Reservierung von 16 Millionen Dosen Impfstoff überwiesen. 1,2 Millionen Dosen hat das Ministerium bisher auch gekauft, 300.000 davon wurden „verimpft“. Der Rest liegt nun buchstäblich auf Eis.

Im Ministerium gibt man inzwischen zähneknirschend zu, das Interesse an der Immunisierung überschätzt zu haben (der Vorvertrag wurde bereits 2006 unter Exministerin Rauch-Kallat abgeschlossen). Andererseits war kaum abschätzbar, welches Ausmaß die Pandemie (und damit die Impfnachfrage) annehmen würde.

Nach anfänglichen Staus in den Impfzentren – allein in Wien wurden im November täglich bis zu 7000 Personen immunisiert – ging das Interesse schnell zurück. Am Montag wurden die 21 Standorte der Hauptstadt von gerade einmal 152 Personen besucht. Tendenz weiter stark fallend.

Reservierung statt Kauf

Abzüglich des enormen Schwundes von knapp 200.000Dosen (zu diesem Schwund kommt es, weil der Impfstoff in unpraktischen Zehnerpackungen geliefert wird und binnen drei Stunden nach Öffnung verbraucht werden muss) ruhten in den Lagern der Republik mit gestrigem Stichtag 640.000 Dosen im Wert von 4,16 Mio. Euro. Ein Wert, für den sich kaum mehr Verwendung finden wird. „Es sei denn, wir erleben eine zweite Krankheitswelle“, sagt Pandemiekoordinator Jean-Paul Klein.

In Europa ist der Impfstoff wegen der geringen Nachfrage nahezu unverkäuflich geworden. Eine Notlösung wäre ein Verkauf auf die Südhalbkugel, wo in einem halben Jahr der Winter (und damit die Grippesaison) beginnt. Die Zeit drängt. Das Präparat ist nur ein Jahr haltbar. Die letzte Möglichkeit wäre die Entsorgung als Sondermüll.

Trotzdem sieht sich das Gesundheitsministerium in seiner bisherigen Reservierungsstrategie bestätigt, weshalb über eine Verlängerung des Vertrags mit Baxter verhandelt wird. Das wäre zwar mit neuen Kosten verbunden, umgekehrt vermeidet man so die Gefahr, wie derzeit Frankreich auf übermäßig vielen gekauften Impfdosen (70 Millionen) sitzenzubleiben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.01.2010)

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