Gastkommentar

Österreich und Deutschland im statistischen Vergleich

Österreich und Deutschland unterscheiden sich vor allem signifikant bei Pensionssystem und Infrastrukturinvestitionen.

Im Jahr 2017 wird nach der jüngsten Prognose der EU-Kommission Österreich mit 2,6 Prozent erstmals seit Jahren wieder stärker als Deutschland, mit 2,2 Prozent, wachsen, wozu eine aktivere österreichische Wirtschafts-, insbesondere Fiskalpolitik wesentlich beigetragen hat. Es handelte sich dabei um eine umfassende Senkung der Einkommensteuer, die zum Teil erst 2017 voll wirksam wurde. Die aktivere österreichische Fiskalpolitik hat zu einem, wie es der IWF beschreibt, Kickstart des Wachstums geführt. Auch EZB-Präsident Mario Draghi fordert seit geraumer Zeit, dass die Geldpolitik durch andere expansiv wirkende Politiken entlastet wird.

Jetzt ist es aber in Österreich erforderlich, die Budgetdefizite zu verringern und das erreichte höhere Wachstum dazu zu nutzen, um die sehr hohen Staatsschulden zu reduzieren. Hier kann Deutschland, dem es gelungen ist, aus den Schulden herauszuwachsen, als Vorbild dienen.

Im Folgenden soll auf zwei Bereiche eingegangen werden, in denen sich Österreich und Deutschland signifikant unterscheiden – Pensionssystem und Infrastrukturinvestitionen.

Pensionssystem stabil

Für öffentliche Pensionen gibt Österreich mit 13,9 Prozent des BIPs 2013 mehr aus als Deutschland mit zehn Prozent. Das österreichische Pensionssystem ist stabil, da die Ausgaben bis 2060 nur gering auf 14,4 Prozent des BIPs ansteigen werden, während sie in Deutschland wesentlich stärker, auf 12,7 Prozent ansteigen (EU-Kommission, „The 2015 Ageing Report“). Der Unterschied der Abgabenquote zwischen Deutschland, rund 40 Prozent des BIPs, und Österreich, rund 43 Prozent, erklärt sich daher durch die höheren Pensionsausgaben in Österreich.

Es wird schwierig, wie von einigen Parteien vor der Wahl versprochen, die niedrigere deutsche Abgabenquote ohne Pensionskürzungen zu erreichen. Die höheren Pensionen Österreichs werden durch die höhere Abgabenquote finanziert. Eine fundierte Aufgabenreform des Staates und eine solide Gegenfinanzierung der Steuersenkungen fehlen bisher.

Mit der niedrigeren Steuerquote Deutschlands müssten in Österreich, wenn nicht in anderen Bereichen wesentlich unter das Niveau Deutschlands gekürzt würde, die Pensionen wohl auf das Niveau Deutschlands und damit stark gekürzt werden. Die durchschnittliche monatliche Altersrente für Neurentner nach langjähriger Beschäftigung betrug 2013 in Deutschland für Männer 1050 Euro und für Frauen 590 Euro – zum Vergleich Österreich: 1820 Euro für Männer und 1220 Euro für Frauen (deutscher Wirtschaftsdienst 2016, „Österreichs Alterssicherung: Vorbild für Deutschland?“). In Deutschland wird daher über Altersarmut diskutiert, weil die private Vorsorge nicht ausreicht, um die niedrigen öffentlichen Pensionen zu kompensieren.

Der gesamte Staatszuschuss zu den Pensionen in Österreich betrug 2015 insgesamt neun Mrd. Euro – Arbeitnehmer ASVG 4,7 Mrd., Selbstständige GSVG 1,7 Mrd., Bauern BSVG 1,6 Mrd. Euro. Sollte der Staatszuschuss wegfallen, müssten die Pensionen durchschnittlich um 21 Prozent gekürzt werden. Am wenigsten bei Arbeitnehmern, die sich die Pensionen weitgehend selbst finanzieren – Kürzung 14 Prozent, mehr bei Selbstständigen – Kürzung 48 Prozent, und am meisten bei den Bauern – Kürzung 77 Prozent, denen der Staat den Großteil ihrer Pensionen finanziert.

Infrastrukturinvestitionen

Mitte der 1990er-Jahre wurde in Österreich zur Erfüllung der budgetären Konvergenzkriterien für den Eurobeitritt eine wachstumsfreundliche Budgetkonsolidierung durchgeführt. Das Sparpaket wurde 1996 durch ein Konjunkturförderungspaket ergänzt, welches insbesondere außerbudgetäre Infrastrukturinvestitionen umfasste.

Als wirtschaftspolitischer Berater der damaligen Finanzminister war ich in die Entwicklung dieses Pakets involviert. Die Einrichtung der Asfinag zur Finanzierung und zum Betrieb der österreichischen Autobahnen war ein wesentlicher Teil dieser Maßnahmen. Dadurch wurde außerbudgetär durch Infrastrukturinvestitionen die Inlandsnachfrage angekurbelt und langfristig der Wirtschaftsstandort Österreich durch eine bessere Infrastruktur gestärkt.

Mit dem Asfinag-Modell gelang es, die Autobahnfinanzierung von Budget- auf Nutzerfinanzierung umzustellen. Es ist wesentlich effizienter als klassische öffentlich-private Partnerschaften (ÖPP), da private Investoren nicht die niedrigen Finanzierungskosten des Staates erreichen. Das Asfinag-Modell wurde auch von der EU bei der 2014 erfolgten Umstellung des Systems der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (ESVG) anerkannt. Dies, weil überzeugend demonstriert werden konnte, dass die Asfinag ihre Verpflichtungen durch ihre Einnahmen (etwa zwei Drittel durch Lkw-Maut, Rest durch Vignette, Sondermauten) abdecken kann, daher bleibt die Asfinag weiter im privaten Sektor.

Österreich hat auch wesentlich mehr als Deutschland in den Bahnsektor investiert – der Elektrifizierungsgrad ist höher und steigt schneller, Modernisierung von Strecken, Alpentunnels, neue Bahnhöfe – der Wiener Zentralbahnhof war die größte Baustelle Europas und wurde in der Zeit und im Budget fertiggestellt.

Im Gegensatz dazu hat Deutschland wenig in Infrastruktur investiert, was sich in Problemen im Straßen- und Bahnbereich bemerkbar macht, dafür aber auch weniger Budgetdefizit gehabt. Die schlechtere Infrastruktur wird längerfristig die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands beeinträchtigen.

Der beträchtliche deutsche Sparüberschuss wäre wahrscheinlich besser in deutsche Infrastruktur als im Ausland investiert. Dann ginge auch der deutsche Leistungsbilanzüberschuss, der international stark kritisiert wird, zurück.

Ich arbeitete in der deutschen Expertenkommission BMWi-Investitionsstrategie – Infrastruktur, der sogenannten Fratzscher Kommission mit. Ich stellte dort das Asfinag-Modell vor, welches dann auch vorgeschlagen wurde. Der deutsche Wirtschafts- und der Finanzminister wollten schon 2015 eine Verkehrsinfrastrukturgesellschaft nach dem Vorbild Österreichs gründen. Leider ist diese bisher aber immer noch nicht umgesetzt. Deutschland, aber auch Österreich haben oft Probleme mit dem Föderalismus, welcher Projekte verzögert oder verhindert.

Skandinavien digitale Spitze

Während Österreich beim Ausbau der Verkehrsinfrastruktur in den vergangenen Jahren sicher besser war als Deutschland, sind beide beim Ausbau der digitalen Netze nicht bei den Spitzenreitern, dies sind die Skandinavier und einige asiatische Länder.

In diesem Bereich haben beide Aufholbedarf, um international mithalten zu können. Das Asfinag-Modell – Infrastruktur wird mit staatlicher Garantie billig vorfinanziert, Rückzahlung erfolgt durch Benutzer – könnte sicher auch in diesem Bereich verwendet werden.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

DER AUTOR


Mag. Franz Nauschnigg
ist seit 2000 Leiter der Abteilung für Integrationsangelegenheiten und Internationale Finanzorganisationen der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB). Er ist Mitglied in internationalen Gremien, z. B. der Gruppe der EZB-Ratskoordinatoren, dem International Relations Committee des Eurosystems/ESZB. Publikationen zu europäischer Integration, Währungspolitik, Kapitalverkehr, Finanzkrise. [ Privat ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.11.2017)

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