Das Dilemma der Schulz-SPD

Martin Schulz.
Martin Schulz.(c) APA/AFP/TOBIAS SCHWARZ (TOBIAS SCHWARZ)
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Die SPD fürchtet eine Große Koalition: „Wir wollen keine österreichischen Verhältnisse.“ Aber vor Neuwahlen haben viele Genossen ebenso große Angst.

Berlin. Der Druck auf Martin Schulz wächst. Innerhalb und außerhalb der Partei. Es vergeht kein Tag, ohne dass neue SPD-Politiker aus der Deckung kommen und das kategorische Nein zu einer Großen Koalition infrage stellen. Auch die CDU bedrängt Schulz, es sich noch einmal zu überlegen. Vorstandsmitglied Mike Mohring zum Beispiel lockte die Sozialdemokraten gestern mit der Aussicht auf die gewünschte Rentenreform.

Auch CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer rief die Sozialdemokraten zu Gesprächen auf, allerdings weniger freundlich. Die Abkürzung SPD stehe für „Schmollende Partei Deutschlands“, spottete Scheuer. Es gebe aber einige „vernünftige“ SPD-Kollegen, „die nicht vorschnell den Begriff Neuwahlen in den Mund nehmen und sich nicht ,verschulzen‘ lassen“.

Heute ist Schulz zu Gast bei einem alten Parteifreund, dem Bundespräsidenten. Dann wird der Druck noch einmal steigen. Frank-Walter Steinmeier ist fest entschlossen, Neuwahlen abzuwenden. Und mehrere SPD-Politiker wie der Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises, Johannes Kahrs, forderten Schulz vorab auf, offen in das Gespräch zu gehen.

Zwei schlechte Optionen

Das Problem: Am Montag hatte der SPD-Vorstand einstimmig beschlossen, für den Eintritt in eine Große Koalition nicht zur Verfügung zu stehen. Der Satz ist eindeutig. Hinzu kommt, dass Schulz am 7. Dezember auf einem SPD-Parteitag in Berlin wiedergewählt werden will. Und dort ist die Große Koalition ("GroKo") äußerst unbeliebt.

In der Fraktion bröckelt der Widerstand gegen eine Große Koalition. Dass sich die SPD-Führung ohne Not festlegte, gilt zumindest als taktischer Fehler. Auch  Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz, Schulz' innerparteilicher Rivale, soll die Formulierung unglücklich finden.

Denn die SPD fürchtet zwar die Große Koalition, aber Neuwahlen eben auch. Sie kämen viel zu früh. Die Partei durchlebt ihre schwerste Krise der Nachkriegsgeschichte, am Wahlabend wurde sie auf 20,5 Prozent gestutzt, seither ringt die SPD um eine inhaltliche Linie. Und ein neuer Hoffnungsträger an der Spitze ist auch nicht in Sicht. „Neuwahlen wären ein Armutszeugnis“, sagte nun SPD-Vize Ralf Stegner. Zwei Tage zuvor hatte das bei SPD-Chef Schulz noch ganz anders geklungen: „Wir scheuen Neuwahlen nicht, im Gegenteil, wir halten sie auch für richtig.“

Als Ausweg brachte nach Fraktionschefin Andrea Nahles nun auch SPD-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel eine Minderheitsregierung ins Spiel. Sie brächte der SPD Zeit. Kanzlerin Angela Merkel präferiert in diesem Fall jedoch Neuwahlen. Eine Große Koalition lehnte Schäfer-Gümbel übrigens erneut ab. Zur Begründung musste das kleine Nachbarland herhalten: „Wir wollen keine österreichischen Verhältnisse.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.11.2017)

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