Postenschacherei im Familienministerium?

Die Presse/Clemens Fabry
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In einem Schreiben an Kanzler Kern und Präsident Van der Bellen werfen Mitarbeiter Ministerin Sophie Karmasin Postenschacherei vor. Mehrere Führungsposten sollen an Kabinettsmitarbeiter und Karmasins Vertraute zu Unrecht vergeben worden sein. Das Ministerium dementiert.

Mitarbeiter des Familienministeriums erheben den Vorwurf der Postenschacherei gegen ihre Chefin Sophie Karmasin. In einem Schreiben an Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) und Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen - es liegt der "Presse" vor - behaupten sie, dass mehrere Führungsposten nach parteipolitischer Gunst vergeben wurden. "Im Bundesministerium für Familien und Jugend wird durch Bundesministerin Sophie Karmasin eine personalpolitische Besetzungspolitik betrieben, die die Seriosität, Kompetenz und Effizienz der Bundesverwaltung an die Wand fährt und der Lächerlichkeit preisgibt", heißt es in dem Schreiben.

Die neue Sektionschefin: Die beste Wahl oder abgekartetes Spiel?

Einer dieser Posten, der ihrer Meinung nach zu Unrecht vergeben worden war, sei jener der Sektionschefin Bernadett Humer. "Mit 17. Juli 2017 wurde eine Sektionsleitung bestellt, deren Grundlage eine Stellenausschreibung war, die durch das Fehlen von Fachkompetenz gekennzeichnet war", heißt es in dem Schreiben. Einer Mitarbeiterin des Ministerbüros sei so der Weg zur Sektionsleitung geebnet worden.

Humer war ab 2015 Karmasins stellvertretende Kabinettschefin und gilt als eine ihrer engsten Vertrauten. Sie wurde nun mit 35 die jüngste Sektionschefin Österreichs. Die Ausschreibung für die Stelle wurde bereits im März veröffentlicht - tatsächlich munkelte man damals schon hinter vorgehaltener Hand, dass sowieso schon klar sei, dass Humer den Job bekommen werde.

Aus Sicht des Ministeriums hat Humer den Posten aber nur bekommen, weil sie im Bewerbungsprozess als die Fähigste beurteilt wurde - und zwar von einer Bewertungskomission, die ebenfalls aus Führungskräften des Ministeriums bestand.

Karmasin wird aus der Regierung ausscheiden. Versucht man darum Posten für ihre Kabinettsmitarbeiter zu finden? 

Ein weiterer Vorwurf ist, dass nun durch die vorzeitigen Nationalratswahlen "alles nur Erdenkliche" versucht werde, um Mitarbeiter der Ministerin noch schnell zu versorgen. Ohne Ausschreibung der Stellen hätten bisher Mitarbeiter ihres Büros Planstellen erhalten "auf die langjährige Mitarbeiter mit wesentlich mehr Erfahrung in inhaltlichen Materien des Ministeriums seit Jahren vergeblich warten".

Auf "Presse"-Nachfrage erklärt das Ministerium, dass im Zuge der Planstellenanpassung vier Planstellen geschaffen wurden, die noch nicht besetzt sind - man suche hausintern nach dem geeigneten Personal. Dass es keine öffentliche Ausschreibung gegeben hat wird damit argumentiert, dass dies gesetzlich bei interner Besetzung nicht notwendig sei und eine Aufnahmekommission dann die Personalvorschläge überprüfen werde.

KONSTITUIERENDE SITZUNG DES NATIONALRATES: MAHRER / KARMASIN / SCHELLING / BRANDSTETTER
KONSTITUIERENDE SITZUNG DES NATIONALRATES: MAHRER / KARMASIN / SCHELLING / BRANDSTETTERAPA/HERBERT NEUBAUER

Der getauschte Abteilungsleiter

Mit 1. Dezember 2017 wird nun wieder eine Mitarbeiterin des Ministerbüros mit der geschäftsführenden Leitung der Abteilung Jugendpolitik betraut. Der bisherige langjährige geschäftsführende Abteilungsleiter soll seines Postens enthoben werden, heißt es. Und zwar, ohne dass er sich etwas zu Schulden kommen hätte lassen, wird in dem Brief beteuert.

Das Ministerium dementiert abermals. Es handle sich nicht um die Abberufung eines Abteilungsleiters, sondern nur um die Beendigung einer interimistischen Leitung, die darum auch nicht auszuschreiben sei. Der bisherige interimistische Leiter sei nicht aufgrund einer öffentlichen Ausschreibung bestellt, heißt es.

Interimistisch heißt in dem Fall, dass dies der alte Posten des niederösterreichischen Verkehrslandesrates Karl Wilfing (ÖVP) ist - von dem er auf unbestimmte Zeit karenziert ist, solange er in Niederösterreich arbeitet. Wilfing ist seit 2000 freigestellt. Zuerst für seine Tätigkeit als Bürgermeister von Poysdorf, seit 2011 ist er Mitglied der niederösterreichischen Landesregierung.

Ob sich jener Abteilungsleiter, der nun den Stuhl räumen muss, etwas zu Schulden hatte kommen lassen, wurde nicht kommentieren. Es seien vor allem strategische Überlegungen hinsichtlich des künftigen Aufgabenbereichs dieser Abteilung, die diese Änderung in der interimistischen Leitung erforderlich machten. Diese Argumentation ist insofern interessant, als dass sich mit einer neuen Regierung natürlich auch in den Ministerien strukturell viel ändern kann und wird. Aufgaben werden neu verteilt werden - welche strategische Ausrichtung die Abteilungen haben sollen, wird der neue Minister oder die neue Ministerin wohl erst definieren.

Eine Stabsstelle wurde noch schnell neu geschaffen - wer wird ihr Chef?

Aktuell hat das Familienministerium noch bis 24. November eine Ausschreibung für die Leitung einer neuen Stabsstelle laufen. Dass diese neu eingerichtet werden soll, wurde erst mit Ende Juni beschlossen - damals hatte ÖVP-Chef Sebastian Kurz bereits Neuwahlen ausgerufen. Die Aufgaben der Stabsstelle umfassen die Koordination abteilungsübergreifender Angelegenheiten der Sektion Familien und Jugend. Sie soll die "Koordination der internationalen und europäischen Angelegenheiten der Sektion 1" abwickeln - und die Fachaufsicht über die Vertreter des Ressort in der ständigen Vertretung Österreichs bei der Europäischen Union sein. 

Hier vermuten die Mitarbeiter ebenfalls, dass der Job eigentlich bereits vergeben ist und die Ausschreibung auf jemanden zugeschnitten wurde. Denn obwohl davon auszugehen ist, dass die englische Sprache Arbeitssprache sein wird, weil die künftigen Aufgaben sehr international angelegt sind, werden laut Ausschreibung nur "gute Englischkenntnisse" verlangt. Das Ministerium spricht gegenüber der "Presse" von einem "ausreichendem Ausmaß".

Gekennzeichnet ist der Brief mit "Eine Initiative von zum Schweigen genötigten MitarbeiterInnen des BMFJ". Auch hier widerspricht das Ministerium - man könne ausschließen, dass Mitarbeiter des Ministeriums "zum Schweigen genötigt" wurden oder werden.

Wiederkehrende Kritik

Es ist nicht das erste Mal, dass Kritik laut wird, weil versucht werden soll, politischen Kabinettsmitarbeitern Jobs im Verwaltungsapparat zu beschaffen. Aktuell haben die Neos eine Anfrage an das Bundeskanzleramt gerichtet. Thema: Die auffällige Häufung von Kabinettsmitarbeitern, die später Jobs im Bundesverwaltungsgerichtshof bekommen haben. Präsident, Vizepräsident sowie Richter werden vom Bundespräsidenten auf Vorschlag der Bundesregierung ernannt.

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