Aiginger fordert 100 Milliarden Euro mehr EU-Entwicklungshilfe für Afrika

AFP (LEMMY IJIOMA)
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Afrika ist das "China von morgen", sagt Ex-Wifo-Chef Karl Aiginger. Allerdings seien vorerst zusätzliche Hilfen notwendig, denn sie versprächen für Europa hohe Rendite.

Der Wirtschaftswissenschafter Karl Aiginger hat 100 Milliarden Euro zusätzliche EU-Entwicklungshilfen für Afrika gefordert. "Diese Summe macht 0,7 Prozent des EU-Bruttoinlandsproduktes aus", sagte er am Mittwoch im Rahmen einer Podiumsdiskussion in Wien. Alle Teilnehmer der Veranstaltung waren sich einig, dass Europa sich auch aus eigenem Interesse mehr in Afrika involvieren müsse.

"Im Moment werden für Afrika rund zehn Milliarden Euro bereitgestellt", so Aiginger, der bis 2016 Leiter des österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung war. Die zusätzlichen 100 Milliarden seien jedoch notwendig, denn sie versprächen für Europa hohe Rendite. Afrika habe enormes Potenzial und sei das "China von morgen". Die zusätzlichen Mittel müsse man jedoch andernorts einsparen, betonte Martin Brunkhorst von der Europäischen Investitionsbank (EIB).

Aiginger schlug vor, besonders Steueroasen und illegale Kapitalexporte einzubremsen und so die zusätzlichen Mittel aufzubringen. Für die Rüstung gebe die EU jährlich 350 Milliarden Euro aus, betonte der Ökonom, um die Summe in Relation zu setzen. "100 Milliarden sind ein lächerlicher Beitrag im Gegensatz dazu, was wir jeden Tag verschwenden", sagte er.

Der Grund für den Ausbau der Entwicklungshilfe sei "sowohl altruistisch als auch egoistisch", so Aiginger, der darum eine "Partnerschaft auf Augenhöhe" forderte.

"EU zu passiv"

Auch der ehemalige Spitzendiplomat Wolfgang Petritsch erklärte, dass sich die EU in Afrika involvieren müsse, China sei bereits weit voraus. Die EU sei zu passiv und verliere zunehmend global an Einfluss, den sie außenpolitisch zu wenig zum Tragen bringe. Man müsse einen "gesamteuropäischen politischen Willen generieren", so Petritsch, der von 1999 bis 2002 Hoher Repräsentant der internationalen Gemeinschaft in Bosnien-Herzegowina war. "Wir sind die größte Bedrohung für uns, wenn wir nicht vom zahlenden Kontinent zum gestaltenden Kontinent werden", fügte er hinzu.

Konstantin Huber vom Finanzministerium betonte, dass die bestehenden Freihandelsabkommen zwischen der EU und Afrika "neoliberal" und "nicht zielführend" seien. "Nicht freier, sondern fairer Handel ist wichtig", fügte er hinzu. Afrika könne sich nur entwickeln, wenn es eigene Märkte bedienen könne.

Das Problem sei jedoch, dass die Partnerschaftspolitik der EU mit Afrika von den Mitgliedsstaaten nicht als Priorität gesehen werde. Der EU-Nachbarschaftskommissar Johannes Hahn (ÖVP) betonte in einer Videobotschaft, dass alles nur noch unter dem Migrationsaspekt gesehen werde. Aiginger forderte daher, dass langfristige politische Ziele Vorrang vor Migrationsfragen haben müssten: "Kümmern wir uns um die Symptome, oder um die Ursache der Flüchtlingskrise?" fragte er.

Wegen des "Mangels an europäischer Dynamik" sei es mittlerweile möglich, Wahlkämpfe in Europa mit "Es geht nicht mehr" zu gewinnen, so Petritsch. Statt weitsichtiger Politik werde "geistige Provinzialisierung" und "Angst" gefördert. Für Petritsch hat der Bundespräsident nun die Möglichkeit, wichtige Themen zu artikulieren und öffentlich zu machen. Es sei ein "Armutszeugnis", dass man "sowohl im Wahlkampf als auch jetzt" nicht über "wirklich große Themen" gesprochen habe, sagte der frühere Sekretär von Alt-Bundeskanzler Bruno Kreisky (SPÖ) am Rande der Diskussionsveranstaltung gegenüber der APA. Dies sei jedoch das Ziel einer demokratischen Wahl. Stattdessen versuche man "irgendwelche Themen zu lancieren, die von einem Neidkomplex, Missmut und Xenophobie geprägt" seien, fügte er hinzu.

(APA)

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