ÖSV: Missbrauchsdebatte gerät auf Konfrontationskurs

Herbert Mandl (Archivbild)
Herbert Mandl (Archivbild)APA
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Nicola Werdenigg weitete im ORF ihre Vorwürfe aus, sprach von einem Fall 2005, der dem ÖSV bekannt sei. Der damalige Cheftrainer, Herbert Mandl, ist empört und spricht von Verleumdung, der Verband verlangt alle Namen.

Wien. Die Wogen im Österreichischen Skiverband gehen weiterhin hoch. Die ehemalige Skirennläuferin Nicola Werdenigg äußerte sich in der ORF-Sendung „ZiB 2“ zu ihren Missbrauchsvorwürfen, nannte aber trotz mehrfacher Nachfrage erneut keine Namen, sondern brachte im Gegenzug einen „Fall 2005“ ins Spiel.

Die 59-Jährige bezweifelt, dass diese Thematik nur ihre aktive Zeit in den 1970er-Jahren betrifft. „Ich glaube nicht, dass es vorbei ist. Ich kenne selbst einen Fall aus 2005, der sogar an die Mannschaftsführung herangetragen wurde.“ Werdenigg, Vierte der Olympiaabfahrt von Innsbruck 1976, sprach dabei den „Damenchef“ an. Sie verriet zwar nicht, wen sie meinte, es lag ohnehin auf der Hand: Herbert Mandl, damals Cheftrainer.

„Nie von Übergriffen gehört“

Mandl wurde am Donnerstag von der „Kleinen Zeitung“ erreicht. Der von 2002 bis 2013 in dieser Funktion tätige Rennsportleiter dementierte diesen Vorwurf heftig. „Ich kann nur über meine ganze Amtszeit als Damentrainer sagen, dass ich nie von sexuellen Übergriffen gehört oder Informationen darüber bekommen habe. Das weise ich wirklich auf das Schärfste zurück. Das ist überhaupt nicht denkbar!“ Werdenigg müsse Namen nennen, sonst grenze es an Verleumdung.

Mandl, Leiter der Skiakademie in St. Christoph, erzählte, dass es damals schon klare Richtlinien im Umgang gab. „Die Vorgabe der respektvollen Behandlung und die Warnung an alle, die Damen vorsichtig zu behandeln, war schon in der Trainerausbildung und Besprechung immer Thema“, sagte er.

Dennoch, der ÖSV verlangte von ihm und auch von Direktor Hans Pum schriftliche Stellungnahmen zu diesem Sachverhalt und ging anschließend mit einer Aussendung in die Offensive. Im Wortlaut: „Beim Österreichischen Skiverband gehören Ethik, Fairness und Respekt zu den obersten Maximen. In einem Sportverband, der für die Ausbildung junger Menschen verantwortlich ist, sind Respekt und Sensibilität von den Führungskräften besonders gefragt. Nachdem Frau Werdenigg-Spieß in der ,ZIB 2‘-Sendung vom 22.11.2017 behauptet hat, dass es 2005 im ÖSV-Team einen Vorfall gegeben haben soll, von dem die sportliche Leitung Bescheid wissen muss, gab es interne Recherchen.“ Um den angeführten Fall nun restlos aufklären zu können, werde Werdenigg aufgefordert, die ihr bekannten Details dieses Übergriffs und die Namen aller Beteiligten bekannt zu geben.

Schröcksnadel will Antworten

„Ich nehme die Aussagen von Frau Werdenigg-Spieß sehr ernst, denn sollte es tatsächlich Vorfälle gegeben haben, von denen der Verband nichts erfahren hat, dann möchte ich dies geklärt wissen“, erklärte ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel. „In unserer Größenordnung – 450 Aktive und rund 200 Trainer und Betreuer – kann man grundsätzlich nichts von vornherein ausschließen.“ Daher wurde Werdenigg dazu eingeladen, bei der Aufklärung mitzuwirken.

Die Situation, weiterhin mit einem Generalverdacht und ohne Namen letztendlich haltlosen Vorwürfen konfrontiert zu werden, sei in dieser Form für den Skiverband nicht weiter tragbar. Aus gut informierten ÖSV-Kreisen war zu vernehmen, dass Schröcksnadel jedes Mittel ausschöpfen werde, um Klarheit in dieser Causa zu erlangen – so oder so.

Schröcksnadels Aufforderung, Namen zu nennen, wollte die 59-jährige Tirolerin vorerst aber nicht nachkommen. In ihrem Fall sei zu viel Zeit vergangen, „würde ich sie outen, wäre das nach meinem Rechtsempfinden nicht richtig“. Werdenigg begrüßte die vom ÖSV angekündigten Maßnahmen, empfahl das Hinzuziehen von Psychologen und Beratern, von Fachleuten. Ihr gehe es um die Enttabuisierung sexualisierter Gewalt, „nicht um den Skiverband“. (red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.11.2017)

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