Bundespräsident Steinmeier empfing SPD-Chef Schulz. Merkel-Intimus Kauder (CDU) drängt auf eine Große Koalition.
Berlin. Am Vormittag mischte sich SPD-Chef Martin Schulz unter die protestierende Siemens-Belegschaft in Berlin. Den geplanten Stellenabbau im Konzern bezeichnete er als „asozial“. Der vormittägliche Schulterschluss mit Siemens-Mitarbeitern und Gewerkschaftern war der leichte Termin für Schulz. Der nachmittägliche Besuch im Schloss Bellevue war schon eine Nummer schwieriger. Nach dem Scheitern der Jamaika-Verhandlungen sondiert Steinmeier, ob sich eine Regierungsbildung doch noch irgendwie bewerkstelligen lässt. In der Pflicht sieht er dabei – auch die SPD. Der Bundespräsident, der jahrelang zu den führenden SPD-Politikern zählte, legt seine Rolle betont überparteilich an.
Es wurde erwartet, dass Steinmeier seinen Duzfreund Schulz zumindest dazu auffordert, sich Gesprächen mit Angela Merkels Union nicht zu verweigern. In der SPD hieß es vor dem Treffen, einen solchen Wunsch könnte man dem Staatschef auch nicht ausschlagen. Allerdings hat der SPD-Vorstand festgenagelt – mit einem einstimmigen Beschluss, der eine Große Koalition (GroKo) ausschließt. Das war am Montag. Seither wächst die Zahl an SPD-Politikern, die eine GroKo in Erwägung ziehen. Wenn überhaupt nichts anderes geht, müsse auch noch einmal über eine Große Koalition nachgedacht werden, sagte der SPD-Abgeordnete Karl Lauterbach, der dem linken Parteiflügel der SPD angehört. Er sei freilich „sehr skeptisch“. Schulz wollte Donnerstagabend im kleinen Kreis über das Treffen mit Steinmeier berichten. Dort sollte auch beraten werden, „ob und wie man in Deutschland zu einer neuen Bundesregierung kommen kann“, zitierte Reuters ein Mitglied der SPD-Führung. Die Angst vor Neuwahlen ist groß. SPD-Politiker brachten immer wieder eine Unions-Minderheitsregierung ins Spiel.
Was Kanzlerin Angela Merkel (CDU) von all dem hält? Einen Hinweis gibt die jüngste Wortmeldung ihres engen Vertrauten Volker Kauder. Er würde sich sehr freuen, „wenn sich die bisherigen Partner in der Bundesregierung wieder zusammenfänden“, sagte der Unionsfraktionschef. „Wir hören, dass sich in der SPD etwas bewegt. Da gibt es eine gewisse Hoffnung.“ (ag/strei)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.11.2017)