Elektroden, die nicht zerbröseln

Die technische Chemikerin Arlavinda Rezqita kam über ein Erasmus-Programm nach Europa und macht nun in Wien Akkus stabiler und leichter.
Die technische Chemikerin Arlavinda Rezqita kam über ein Erasmus-Programm nach Europa und macht nun in Wien Akkus stabiler und leichter.(c) Clemens Fabry
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Die Indonesierin Arlavinda Rezqita entwickelt in Wien Batterien, die leichter, kleiner und günstiger sind als bisherige. Damit soll die Reichweite von Elektroautos erhöht werden.

Umgezogen ist Arlavinda Rezqita oft: Von Cirebon nach Bandung (beides in Indonesien), dann ins französische Toulouse, ins polnische Warschau, nach Córdoba in Spanien, Amiens in Frankreich und zuletzt nach Wien. Die Chemikerin kam 2011 nach Europa für ein Erasmus-Mundus-Masterstudium, bei dem jedes Semester an einer Uni in einem anderen Land absolviert wurde. „Begonnen hat der Kurs in Toulouse. Dann ging es weiter nach Warschau, und im dritten Semester waren wir in Córdoba“, sagt Rezqita. Jedes Mal mussten die 20 internationalen Masterstudenten in einer neuen Stadt eine Bleibe suchen.

„In Toulouse lebte ich in einem Studentenheim, in Polen und Spanien dann in Wohngemeinschaften mit meinen Freunden“, erzählt sie. Die Freundschaften aus der Zeit halten bis heute, wenn auch über die ganze Welt verteilt. Rezqita war die Einzige der Gruppe, die es danach nach Österreich verschlug. „Ich bin 2013 nach Wien gezogen, um meine Dissertation zu schreiben“, sagt sie. Betreut wurde Rezqitas Arbeit an der TU Wien und am Austrian Institute of Technology (AIT), wo sie heute als Junior Scientist forscht.

Silizium: zehnmal so viel Energie

Ihr Spezialgebiet sind Energiespeicher für Elektroautos. „Ich möchte die Effizienz von Lithium-Ionen-Batterien erhöhen“, sagt Rezqita. Diese Akkus besitzen Anoden und Kathoden, zwischen denen während des Ladens und Entladens in der Elektrolytflüssigkeit Lithium-Ionen hin und her wandern.

„Herkömmliche Anoden, also negativ geladene Elektroden, bestehen in solchen Batterien aus Graphit“, erklärt Rezqita. Die Kohlenstoff-Verbindung ist auch in Bleistiftminen zu finden. „Ich ersetze Graphit durch Silizium“, sagt die 28-Jährige. Der Vorteil des Materials, das als zweithäufigste Substanz der Erdkruste gilt, ist eine höhere Energiedichte. Das heißt, dass in Silizium zehnmal so viel Energie gespeichert werden kann als in Graphit. „Der Nachteil ist aber, dass es beim Laden und Entladen jeweils sein Volumen um bis zu 400 Prozent verändert. Die Silizium-Anode wird also beim Laden größer: Die Volumenveränderung schwächt das Material, macht es brüchig, bis es irgendwann versagt“, beschreibt Rezqita. Sie fand in ihrer Dissertation innovative Möglichkeiten, um diese Größenveränderung zu verhindern und das Material somit stabiler zu machen. Ihre Arbeit ist derzeit für den Staatspreis Mobilität nominiert, den das Technologieministerium vergibt.

In ihrem Projekt werden die Nanopartikel des Siliziums mit Karbon umhüllt, das die Ausdehnung der Silizium-Kristalle begrenzt. „In der Dissertation konnte ich im Labormaßstab zeigen, dass es klappt: Kleine Batterien mit Silizium-Anoden sind über Hunderte Lade- und Entladezyklen stabil. Nun wollen wir die Technologie in größeren Batteriezellen testen“, erklärt Rezqita.

Sie selbst ist noch nie mit einem Elektroauto gefahren, möchte die Technik aber gern auf der Straße ausprobieren. Die Forschung an dieser Technologie boomt jedenfalls weltweit.

Rezqita will nun nicht nur die negativen, sondern auch die positiven Elektroden in Akkus verbessern: „Ich beschäftige mich in meinen Folgeprojekten nun auch mit Kathoden, die Lithium-Vanadium-Phosphat bzw. Lithium-Nickel-Mangan-Kobaltoxide enthalten.“ Ziel der Optimierungen ist stets, dass neuartige Batterien für Elektroautos kleiner und leichter sind, also mehr Energie auf weniger Raum speichern können – und trotzdem weniger kosten.

Wien ist bisher die Lieblingsstadt

Auf die Frage, in welcher Stadt Rezqita am liebsten gelebt hat, wo sie doch so weit herumgekommen ist, antwortet sie: „Wien ist für mich die lebenswerteste Stadt. Nicht nur wegen Vorteilen wie dem gut funktionierenden öffentlichen Verkehr, sondern ich habe hier so ein internationales Umfeld, in dem ich mich wohlfühle. Ich empfinde die Atmosphäre als offen und habe schnell Freunde gefunden – internationale und Österreicher.“ Manchmal kocht sie auch für die Freunde, wenn die Sehnsucht nach indonesischem Essen groß ist. „Ich fliege nur einmal im Jahr, meistens im Sommer, zu meiner Familie in Cirebon.“

ZUR PERSON

Arlavinda Rezqita wurde 1989 in Cirebon, Indonesien, geboren und studierte Technische Chemieam Bandung Institute of Technology in Indonesien. 2011 ging sie für das Masterstudium Material for Energy Storage and Conversion nach Europa und lebte in Frankreich, Polen und Spanien. Seit 2013 forscht Rezqita in Wien, an der TU Wien und dem Austrian Institute of Technology (AIT). Seit 2017 ist sie Junior Scientist am AIT.

Alle Beiträge unter:diepresse.com/jungeforschung

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.11.2017)

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