Kindergartenpflicht für (fast) alle Vierjährigen

Kindergarten
Kindergarten(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Die Koalitionsverhandler einigen sich bei der Kindergartenpflicht. Die Finanzierungsfrage bleibt offen.

Die Koalitionsverhandler von ÖVP und FPÖ genießen ein freies Wochenende. Nachdem sie am Freitag fast bis Mitternacht tagten, wollen sich die einzelnen Fachgruppen erst wieder am Montag treffen. Schon am Dienstag will die Steuerungsgruppe die nächste Teileinigung präsentieren. Ein Detail sickerte allerdings bereits am Samstag durch: Die Verhandler haben sich auf ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr geeinigt. Gelten soll es allerdings nur für die Vierjährigen, „die es brauchen“, wie es in einem Papier, das der „Presse am Sonntag“ vorliegt, heißt.
Schon jetzt besuchen rund 95 Prozent der Vierjährigen einen Kindergarten. Für die restlichen fünf Prozent – das sind rund 4500 Kinder – wurden erst kürzlich verpflichtende Elternberatungsgespräche eingeführt. So sollte die Besuchsquote erhöht werden. Daran gab es allerdings Kritik. Der jetzige oberösterreichische Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) sagte noch in seiner Funktion als Bildungslandesrat, dass die Elterngespräche „nichts anderes als ein riesiger Papiertiger“ seien.

Nun paktierte man also die Pflicht. Wobei man die Wahlfreiheit nicht ganz einschränken will. Deshalb wird die Pflicht nicht alle treffen. Das halten die politischen Gegner für „ambitionslos“. ÖVP und FPÖ wollen aber vorwiegend die Kinder, die Deutschdefizite haben, erreichen. Festgestellt werden soll das „auf Basis von Sprachstandsfeststellungen“. Es müsste also bereits bei den Dreieinhalbjährigen ein Sprachtest durchgeführt werden. Außerdem sollen bei der Bewertung, welches Kind in den Kindergarten gehen muss, weitere, „für die Entwicklung des Kindes relevante Faktoren“ einbezogen werden. Näher beschrieben werden diese nicht.

Das zweite verpflichtende Kindergartenjahr wurde eigentlich schon von der rot-schwarzen Koalition paktiert. Die Einführung eines solchen war sogar Teil der Bildungsreform. Gekommen ist es allerdings nie. Die Umsetzung scheiterte an der Finanzierung. Das bereits bestehende Pflichtjahr für Fünfjährige ist gratis. Denn dort, wo Pflicht besteht, will man kein Geld verlangen. Dafür schießt der Bund jährlich rund 70 Millionen Euro zu. Den Rest – und das ist der Großteil – tragen die Gemeinden. Das zweite Pflichtkindergartenjahr soll, wie der „Presse am Sonntag“ bestätigt wurde, ebenso für alle gratis sein. Das wird die schon bisher skeptischen Gemeinden nicht freuen.

Große Steuerentlastung? Am gestrigen Samstag sind auch angebliche Details zum Entlastungsvolumen für eine Steuersenkung publik geworden. Laut „Profil“ sollen die Bürger bis zum Ende der Regierungsperiode um 5,2 Milliarden Euro weniger Lohn- und Einkommenssteuern zahlen. Die Entlastung solle in Etappen erfolgen – allerdings noch nicht 2018. Bereits fallen gelassen worden sei der Plan von ÖVP-Chef Kurz, die Körperschaftssteuer auf nicht entnommene Gewinne zu streichen.
Die Koalitionsverhandler dementieren diese Berichte: „Diese Zahl existiert in den Verhandlungen überhaupt nicht.“ Über eine Steuerreform sei noch nicht gesprochen worden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.11.2017)

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