Regierungsverhandlungen

"Kurz und Strache wissen, dass beide Parteien ihr Profil erhalten müssen"

Nationalratspräsidentin Elisabeth Köstinger (ÖVP)
Nationalratspräsidentin Elisabeth Köstinger (ÖVP) APA/GEORG HOCHMUTH
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Nationalratspräsidentin Köstinger lobt die Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP und FPÖ als "konstruktiv und auf Augenhöhe". Die Diskussion um das Gehalt von SPÖ-Chef Kern stört die 39-Jährige, nicht bewerten will sie das Doch-Nicht-Autogeschenk für Kira Grünberg.

Nationalratspräsidentin Elisabeth Köstinger (ÖVP) plädiert für einen behutsamen Ausbau der direkten Demokratie. Sie habe "keine Angst" vor mehr direkter Demokratie und Volksabstimmungen, die entsprechenden Regelungen müssten aber so gestaltet werden, dass millionenschwere Kampagnen, radikale Kräfte oder das Ausland keinen Einfluss auf Referenden nehmen könnten, sagte Köstinger am Sonntag.

Die Frage der direkten Demokratie ist derzeit einer der Knackpunkte bei den Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP und FPÖ. Die Freiheitlichen wünschen sich mehr Volksabstimmungen. Wird ein Volksbegehren von mehr als vier Prozent der Zeichnungsberechtigten (rund 250.000 Personen) unterstützt, soll es eine Volksabstimmung geben. Die ÖVP legt in ihrem Wahlprogramm die Latte höher und will Volksabstimmungen erst ab zehn Prozent Unterstützung (rund 640.000).

"Verfechterin der repräsentativen Demokratie"

Köstinger glaubt zwar, dass die Instrumente der direkten Demokratie - dazu zählt sie eine stärkere Bürgerbeteiligung durch Abstimmungen aber auch die Stärkung des Vorzugsstimmensystems bei Wahlen - ausgebaut gehören, will am System der repräsentativen Demokratie, bei der gewählte Vertreter für das Volk entscheiden, aber nicht rütteln. "Ich bin eine leidenschaftliche Parlamentarierin und eine echte Verfechterin der repräsentativen Demokratie. Weil ich es gelernt habe und bisher auch kein besseres Modell auf der Welt kennengelernt habe", so Köstinger.

Zugleich warnt sie: Kampagnen mit Millionen-Hintergrund, radikale Kräfte oder Gruppen aus dem Ausland könnten Abstimmungen schnell in die falsche Richtung ziehen. "Man braucht sich nicht fürchten, muss es aber so ausgestalten, dass es nicht zu einer Gefahr für die Demokratie werden kann", betont die 39-Jährige.

Den Verlauf der Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP und FPÖ beschrieb Köstinger, die Teil der Steuerungsgruppe ist, positiv: "Konstruktiv, strukturiert, auf Augenhöhe - wir würden uns einen Abschluss vor Weihnachten wünschen. Das ist das große Ziel, auf das wir hinarbeiten, aber Qualität steht vor Geschwindigkeit." Auch erste Widerstände aus den eigenen Reihen - etwa bei Sozialversicherungen und Krankenkassen - oder Zyniker, die der Meinung sind, dass sich die Türkisen leichter mit den Blauen als mit den Schwarzen einigen werden, stören die Stellvertreterin von ÖVP-Chef Sebastian Kurz nicht. "Es gibt in jeder Partei unterschiedliche Strömungen. Das sehen wir ja auch in Wien", meinte sie in Anspielung auf die Vorgänge in der Wiener SPÖ.

50 Prozent? "Dann sind wir sehr sehr zufrieden"

Wie stark die Handschrift von ÖVP-Chef Kurz im Regierungsprogramm sein wird, wollte Köstinger am Wochenende nicht bemessen. "Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache wissen, dass es eine Möglichkeit geben muss, dass beide Parteien ihr Profil erhalten. Was sich herauskristallisiert hat, ist der große Wille, für Österreich zu arbeiten. Da zählt man dann keine Prozente." Dass FPÖ-Chef Strache 50 Prozent freiheitliche Handschrift angekündigt hat, womit für die ÖVP ebenfalls 50 Prozent blieben, quittierte die türkise Politikerin mit einem Schmunzeln. "Dann sind wir sehr sehr zufrieden. Eine Koalition, und das hat man in der Vergangenheit gesehen, kann nur funktionieren, wenn man sich respektvoll auf Augenhöhe begegnet."

Die Frage eines Ministeramts stelle sich für sie nicht, betonte Köstinger einmal mehr. "Ich bin als Nationalratspräsidentin gewählt. Ich habe viele Ideen für ein starkes Parlament, und es ist mein Plan für die Zukunft, das auch umzusetzen."

Sie wünsche sich für die Regierung aber einen höheren Frauenanteil als bisher. Derzeit gibt es drei Ministerinnen, was einen Frauenanteil von etwas mehr als 21 Prozent ergibt. "Ich bin überzeugt, dass Frauen eine starke Rolle in der nächsten Regierung spielen müssen, weil Frauen sehr viel Potenzial haben zu gestalten. Wir werden da einen wichtigen Beitrag leisten, und ich vertraue darauf, dass sich auch die FPÖ auf die Suche nach qualifizierten starken Frauen macht, die in ihren Ressorts hervorragende Arbeit leisten."

Mehr Geld für Kern? "Neiddebatten halte ich für schlecht" 

Absolute Transparenz empfiehlt Köstinger den Parlamentsklubs und Abgeordneten in Sachen Compliance. Dass sich die neue ÖVP-Abgeordnete Kira Grünberg zunächst ein Auto schenken ließ und dieses nach der öffentlichen Diskussion darüber dann doch gekauft hat, will Köstinger nicht beurteilen. Der Fall sei differenziert zu bewerten, weil die Schenkung ja lange vor Grünbergs Einstieg in die Politik erfolgt war. "Sie hat selbst die Konsequenz gezogen", so Köstinger. "Ich bin es aus dem Europaparlament gewohnt, dass wir zu großer Transparenz verpflichtet sind. Ich glaube, dass es entscheidend ist, Parlamentarier auch zu sensibilisieren, was darf man, was darf man nicht."

Wenig Freude hat die Nationalratspräsidentin mit den jüngsten Diskussionen um Politiker-Gehälter - etwa die dreimonatige Entgeltfortzahlung von ausscheidenden Abgeordneten oder das von der SPÖ aufgebesserte Abgeordnetengehalt des roten Parteivorsitzenden Christian Kern. "Neiddebatten halte ich auf jeder Ebene für schlecht." Dass es dabei vor allem immer wieder um Politiker geht, sei bedauerlich. "Oft waren es auch Anlassfälle, die zu Recht kritisiert wurden. Jeder hat sich an das geltende Recht zu halten. Im Fall von Christian Kern ist es absolut legitim, wenn er sich von der Partei zusätzlich bezahlen lässt. Das ist Sache der Partei. Im Endeffekt helfen all diese Debatten nicht unbedingt, um ein positives Bild der Politik zu verstärken."

(APA)

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