SPD fordert hohen Koalitions-Preis

Wahlkampfpakate der CDU und der SPD.
Wahlkampfpakate der CDU und der SPD.(c) imago/Fotoagentur Nordlicht
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Merkel will Sozialdemokraten für einen ausgeglichenen Haushalt gewinnen, aber die wollen Solidarrente und Aus für private Krankenversicherungen.

Berlin. Union und SPD bewegen sich in Deutschland vorsichtig auf eine Neuauflage der großen Koalition zu und haben erste inhaltliche Markierungen dafür gesetzt. Sowohl Bundeskanzlerin Angela Merkel als auch CSU-Chef Horst Seehofer warben nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen am Wochenende für ein Regierungsbündnis mit den Sozialdemokraten. Merkel lehnt Neuwahlen als „ganz falsch“ ab. Seehofer ging sogar noch weiter. Er sagte: „Ein Bündnis von Union und SPD ist die beste Variante für Deutschland – besser (...) als Jamaika, Neuwahlen oder eine Minderheitsregierung.“ Er begrüße die Bereitschaft der Sozialdemokraten zu Gesprächen, warnte sie aber vor überzogenen Forderungen. „Eine große Koalition um jeden Preis darf es nicht geben“.

Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier hält eine schwarz-grüne Minderheitsregierung, zu der sich die Grünen auf einem Parteitag grundsätzlich bereit erklärt haben, für nicht wünschenswert. „Das hält niemand lange durch, und es würde uns auch in Europa unberechenbar machen“, mahnte er in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“.

Inhaltlich stellte Merkel allerdings klar, dass eine Koalition mit der SPD einen ausgeglichen Haushalt zum Ziel haben müsse. Maßstab werde sein, ob Deutschland vorankomme, es den Menschen besser gehe und die richtigen Weichen für die Zukunft gestellt würden. Die CDU-Chefin sprach aber auch von notwendigen Kompromissen mit dem bisherigen Partner.

Die SPD versucht indessen, den Preis für eine Abkehr von der Oppositionsrolle und ein Wiedereintreten in eine große Koalition hoch anzusetzen. Fraktionsvize Karl Lauterbach machte indirekt die Abschaffung der privaten Krankenversicherung zur Voraussetzung für Koalitionsverhandlungen. Bewege sich die CDU dabei nicht, „haben wir keine Chance, Neuwahlen zu verhindern“, so Lauterbach. SPD-Familien-Staatssekretärin Elke Ferner forderte CDU und CSU auf, „sofort als vertrauensbildende Maßnahme“ das Rückkehrrecht von Teilzeit auf die alte Arbeitszeit sowie die Solidarrente zu beschließen. „Beides war im Koalitionsvertrag vereinbart. Beides wurde von der Union blockiert.“

Ökonomen warnen

Führende deutsche Ökonomen erwarten bei einer Neuauflage der Großen Koalition mehr Sozialausgaben und geringere Steuerentlastungen als bei einer Jamaika-Koalition. Der Direktor des arbeitgebernahen Instituts der Wirtschaft (IW), Michael Hüther, sagte im Gespräch mit dem „Handelsblatt“, ein schwarz-rotes Bündnis werde keine „nachhaltige Strategie der Wachstumsvorsorge“ verfolgen. Ifo-Chef Clemens Fuest rechnet mit einer stärkeren Ausweitung der Staatsausgaben und weniger Steuerentlastungen als unter einer Jamaika-Koalition. (ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.11.2017)

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