Stiwoll: Nach drei Monaten keine Spur vom Doppelmörder

Vor knapp drei Monaten, am 29. Oktober, hat ein 66 Jahre alter Mann aus Stiwoll in dem kleinen weststeirischen Ort in einem Nachbarschaftsstreit einen Mann und eine Frau erschossen und eine weitere schwer verletzt. Die Suche nach dem mutmaßlichen Todesschützen verlief bisher trotz eines großen Aufgebots von Polizei und Technik ergebnislos. Der Flüchtige wurde in den Wäldern um seinen Heimatort vermutet.

"Kein Hinweis, keine objektiven Spuren seit Fahrzeug-Findung, die dem Flüchtigen zugewiesen werden können", zog Soko "Friedrich"-Leiter Rene Kornberger nun am Freitag in Graz Bilanz. Laut Landespolizeidirektor Gerald Ortner beendet die Soko Anfang Februar ihre Tätigkeit.

Die Polizei, die erst mit einem Großaufgebot von mehreren hundert Beamten und Beamtinnen, Hubschraubern, Suchhunden sowie mit Unterstützung des EKO Cobra und drei gepanzerten Fahrzeugen nach dem Mann gefahndet hatte, ist längst aus dem Ortsbild verschwunden. "Wir haben auch keine Spur, dass er sich im Nahbereich von Stiwoll aufhält. Es ist ein einzigartiger Fall", sagte Landespolizeidirektor Gerald Ortner nun.

Das weststeirische Stiwoll im Bezirk Graz-Umgebung liegt rund zwölf Kilometer Luftlinie vom westlichen Grazer Stadtrand entfernt. Zuletzt waren am 20. November mehrere Suchhunde um den Ort im Einsatz gewesen.
Auf Hinweise, die zur Festnahme des Verdächtigen führen, wurde eine Belohnung von 5.000 Euro ausgelobt. Zum Vergeleich: Auf Briefbomber Franz Fuchs wurden umgerechnet 726.000 Euro ausgesetzt, damals rund zehn Millionen Schilling.

Der 66-Jährige hatte am Sonntagvormittag, 29. Oktober, mit einem Kleinkalibergewehr auf seine Nachbarn geschossen, die sich zu einer Aussprache wegen eines Grundstücksstreits nahe dem Gehöft des Imkers und Tierfilmers versammelt hatten.

Eine 55-jährige Frau und ein 64-jähriger Mann wurden von mehreren Projektilen tödlich getroffen. Eine 68-jährige Frau wird bei der Flucht vor den Schüssen am Oberarm getroffen und überlebte schwer verletzt. Der Schütze flüchtete in seinem Auto, der weiße Kleinbus wurde einen Tag später in einem Wald in Södingberg, wenige Kilometer vom Tatort entfernt, entdeckt.

Der Mann war mit Behörden, Gerichten und Nachbarn jahrelang im Streit gelegen. Die Staatsanwaltschaften in Graz und Leoben gaben bekannt, dass gegen ihn Anzeigen unter anderem wegen gefährlicher Drohung und nationalsozialistischer Wiederbetätigung - er war mit einem Bus mit einschlägigen Parolen durch Graz gefahren (Bild) - vorlagen. Einem Gutachten zufolge war der Mann jedoch zurechnungsunfähig. Da er aber auch als nicht gefährlich eingestuft wurde, war er nicht in eine Anstalt eingewiesen worden.

Die Wälder um Stiwoll wurden mehrmals von Hunderten Polizisten in schwerer Ausrüstung mit Helm, Schutzweste und mit Sturmgewehren bewaffnet durchkämmt, weit über 100 Objekte sowie das nahe Freilichtmuseum Stübing durchsucht. Auch wurde ein altes Bergwerk und Höhlen in dem steilen und unzugänglichen Waldgebiet in Augenschein genommen. Sowohl in Oberösterreich als auch in Niederösterreich langten Anfang November Zeugenaussagen bei der Polizei ein, dass der Flüchtige dort gesehen worden sei. Dies stellte sich jedoch als nicht zutreffend heraus.

Sowohl der Fallanalytiker des Bundeskriminalamtes, Werner Schlojer, als auch Generalmajor Bernhard Treibenreif, Direktor der Spezialeinheiten, vermuteten Mitte November, dass die Tat nicht von langer Hand vorbereitet worden sei. Schlojer ging von einer "tiefen Kränkung" als Auslöser der Bluttat von Stiwoll Ende Oktober aus: "Der mutmaßliche Täter fühlt sich als Opfer." Einen möglichen Suizid des Täters, der als sehr versiert im Überleben zu jeder Jahreszeit im Freien gilt, schloss die Polizei bisher aus.
Bild: Fahndungsfoto des Verdächtigen

Ein Polizist ist bei der Suche schwer verletzt worden: Der Hundeführer war am vierten Tag nach den Todesschüssen bei der Suche in einem Heustadel durch eine Holzluke gebrochen. Technisch hat sich die Polizei Verstärkung beim Bundesheer geholt: Spezialfahrzeuge des Bundesheeres vom Typ Iveco "Husar" mit starker Tageslicht- sowie Wärmebildkameras wurden eingesetzt.

Laut Ortner habe es bei den Flüchtigen Udo Proksch und Peter Seisenbacher in den ersten drei Monaten Hinweise gegeben, die weitergeführt hätten. Im Fall F. gab es gar nichts. Die Möglichkeit eines zweiten Fluchtautos wurde abgeklärt, das konnte man durch Auswertung einer Videoüberwachung ausschließen. Etwa 300 bis 400 Meter vom gefundenen Kleinbus des Mannes wurde im Wald eine Zeichnung gefunden, diese konnte ihm nicht eindeutig zugeordnet werden. Auf die Frage eines Journalisten, ob der Schütze noch leben könnte, sagte Soko "Friedrich"-Leiter Rene Kornberger: "Tot ist er erst dann, wenn wir es eindeutig feststellen, wir haben uns an objektive Fakten zu halten". Es habe keine Hinweise auf Vorbereitungsmaßnahmen oder einen Fluchthelfer gegeben.