Deutschland: „Sie holen 200 Flüchtlinge“

Bürgermeister Andreas Hollstein wurde Opfer eines Messerangriffs.
Bürgermeister Andreas Hollstein wurde Opfer eines Messerangriffs.APA/AFP/dpa/OLIVER BERG
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Ein für seine liberale Flüchtlingspolitik bekannter Bürgermeister wird Opfer eines Messerangriffs. Der Fall löst Entsetzen aus.

Altena/Berlin. Altena ist eine kleine Stadt im Sauerland. Sie zählt gerade einmal 17.000 Einwohner. Auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise brachte es der Ort dennoch zu einiger Berühmtheit. Altena nahm freiwillig mehr Flüchtlinge auf als zugewiesen. Der Zuzug war erwünscht, zumal die Einwohnerzahlen seit Jahrzehnten schrumpfen und viele Wohnungen leer standen. Als sich Dienstagfrüh die Nachricht eines Messerangriffs auf Altenas Bürgermeister Andreas Hollstein (CDU) verbreitet, sorgt das deutschlandweit für Bestürzung. Hollstein wurde am Hals verletzt. Die Polizei geht von einem fremdenfeindlichen Motiv aus.

„Ich bin entsetzt“, sagt Kanzlerin Angela Merkel. Sie hat Hollstein heuer den Nationalen Integrationspreis überreicht. „Vom Flüchtling zum Altenaer Mitbürger“ nennt sich das prämierte Konzept, das unter anderem vorsieht, dass Flüchtlinge in Wohnungen mit Nachbarschaftskontakt statt in anonymen Sammelstellen untergebracht werden. Jeder Flüchtlingsfamilie wird zudem ein „Kümmerer“ zur Seite gestellt. Sie tun viel, damit die Integration gelingt. Das Zusammenleben sei „absolut unproblematisch“, sagt Bürgermeister Hollstein, der am Dienstag vor die Presse tritt. Der 54-jährige Familienvater hat schon eine Krebserkrankung überstanden – und nun am Montagabend einen Messerangriff in einer Imbissstube. Hollstein spricht daher von seinem „dritten Geburtstag“. Am Hals trägt er einen Wundverband. Darunter ist eine mehrere Zentimeter lange Schnittwunde, die aber nur „geklebt“ werden musste.

Hollstein stellt die Messerattacke in einen größeren Zusammenhang, er sieht sich als Opfer eines Klimas von Hass und Hetze. „Dieser Mensch ist für mich durch Brunnenvergiftung (..) zum Werkzeug geworden“, sagt er. Der Stadtchef schildert auch noch einmal den Angriff: Der betrunkene Täter soll demnach zu ihm gesagt haben: „Sie lassen mich verdursten und holen 200 Flüchtlinge nach Altena.“ Dann griff er Hollstein mit dem Messer an. Der Besitzer der Imbissbude und sein Sohn stürzten sich später auf den Angreifer, einen 56-jährigen Deutschen. Gegen den arbeitslosen Maurer wird nun wegen Mordversuchs ermittelt. Er sitzt in U-Haft.

Stadtchef Hollstein erreichten unterdessen E-Mails, deren Verfasser den Angriff „für richtig“ hielten.

Der Fall weckt Erinnerungen an das Attentat auf Henriette Reker: Die nunmehrige Kölner Oberbürgermeisterin wurde 2015 wegen ihrer liberalen Flüchtlingspolitik mit einem Messer angegriffen und lebensgefährlich verletzt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.11.2017)

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