Ein früherer ÖSV-Fahrer berichtet über sexuellen Missbrauch im Skigymnasium Stams. Die ehemalige Ski-Rennläuferin Werdenigg zeigt sich "sehr betroffen".
„Es macht sehr betroffen“, sagte die ehemalige Ski-Rennläuferin Nikola Werdenigg zu den Aussagen des ehemaligen ÖSV-Aktiven. „Diese Machtübergriffe, die durchaus auch sexualisierte Gewalt sind, sind so typisch für dieses System“, kritisierte sie am Samstag. Ohne diese Übergriffe, mit denen Neulinge, junge Leute, in das System eingeführt werden, würde das Ganze vielleicht nicht so funktionieren.
Worum geht es? Ein Ex-Schüler des Skigymnasiums Stams, der Eliteschule des österreichischen Skisports, berichtete im „Standard", er habe erlebt, wie Kollegen sexuell missbraucht wurden. Meist seien es ältere Schüler gewesen, die sich an jüngeren vergriffen hätten. "Je nachdem, wie aufmüpfig einer vorher war, bekam er Zahnpasta oder einen mehr oder weniger klebrigen Klister anal verabreicht", so der ehemalige Sportler. „Das heißt, da wurde eine Tube eingeführt."
Werdenigg: "Da werden Tabus gebrochen"
„Da werden Tabus gebrochen", erläuterte Werdenigg nun dazu am Samstag. „Bei uns ist das so, dann gehört man dazu und schaut zu und macht möglicherweise sogar selbst mit.“ Zugleich betonte sie aber, dass ihr „die Zeit in Stams nach wie vor heilig und wichtig“ sei. „In meiner Zeit in Stams wäre so etwas unter den Frauen, unter den Mädchen undenkbar gewesen. Wir haben in der Zeit in den frühen Siebzigerjahren stark feministische Diskussionen geführt.“
Werdenigg (geborene Spieß) hatte vor eineinhalb Wochen schwere Vorwürfe gegen einen ehemaligen Mannschaftskollegen und den österreichischen Skiverband (ÖSV) erhoben. Die Olympia-Abfahrtsvierte von 1976 erzählte von weitverbreiteter "sexualisierter Gewalt" im österreichischen Skisport der Siebzigerjahre. Als Täter erwähnte sie "Trainer, Betreuer, Kollegen und Serviceleute". Sie selbst sei als 16-Jährige von einem Teamkollegen vergewaltigt worden. Im Skigymnasium Stams habe sie aber nie etwas Verdächtiges erlebt, hielt sie fest.
„Was jetzt unabhängig von diesen groben Verletzungen betrachtet werden muss, ist dass diese Riten losgelöst vom Sportverband immer diese hierarchischen, autoritären Verhältnisse befeuern. Das gibt es seit Jahrhunderten wahrscheinlich schon, das ist in Burschenschaften gang und gäbe, das ist im Militär immer gang und gäbe gewesen. Das zeigt, wie solche Systeme Menschen brechen“, so Werdenigg weiter.
Junge Menschen, die aus anderen sozialen Umfeldern kommen und sensibel seien, würden gebrochen. „Und ab dem Moment, wo sie das über sich ergehen haben lassen müssen, wenn sie es aushalten, gehören sie dazu. Es gibt auch viele, die es nicht aushalten. Das ist dramatisch.“
(Red./APA)