Mit der Bitcoin-Blase baut sich ein systemisches Risiko à la 2008 für das Weltfinanzsystem auf. Offenbar hat man aus der Finanzkrise nichts gelernt.
Die Kryptowährung Bitcoin eilt von Rekord zu Rekord. Rund 11.000 Dollar ist einer dieser unter ungeheurem Energie- und Rechenleistungsaufwand „geschürften“ Token jetzt schon „wert“. Das heißt, so viel wird dafür bezahlt. Denn der Wert einer Bitcoin-Einheit lässt sich beim besten Willen nicht beziffern. Er liegt irgendwo zwischen null und unendlich, wie das bei irrationalen Spekulationsblasen eben so ist.
Man könnte jetzt sagen: Was soll's. Der Hype spielt sich (noch) in einem eher abgeschlossenen Kreis ab, das Volumen ist (noch) überschaubar. Alle Kryptowährungen zusammen repräsentieren derzeit einen Gegenwert von rund 300 Mrd. Euro. Das ist, ein wenig plastischer, nicht mehr als ein Drittel der Börsenkapitalisierung von Apple oder ein Drittel aller faulen Kredite in der EU. Selbst wenn der Bitcoin-Kurs über Nacht auf null fällt, geht daran das Weltfinanzsystem nicht zugrunde. Es sind dann nur einige „early movers“ sagenhaft reich geworden. Und diejenigen, die zu spät aufgesprungen sind, beißen dann eben wie üblich die Hunde.
Aber dabei bleibt es leider nicht. Kryptowährungen sind dabei, sich den Weg in den Anlagemainstream zu bahnen. Bitcoin beispielsweise findet sich plötzlich auf den Titelseiten von ganz normalen Tageszeitungen wieder. In der traditionellen Finanzwirtschaft ist so etwas das sichere Zeichen für eine sogenannte Milchmädchenhausse, die immer knapp vor dem Ende eines Aufschwungs auftritt.
Bei den Kryptowährungen ist das nicht der Fall. Denn dort kommen gerade erst die großen Finanzplayer, die bisher die Finger von solch luftigen Spekulationen gelassen haben, auf den Geschmack. Bitcoin und Co. treten damit also auf eine neue Stufe. Anzunehmen, dass das den Kurs zumindest vorerst noch enorm hochtreiben wird.
Allerdings geraten wir damit von einer überschaubaren Spekulationsblase, deren Platzen höchstens ein paar unvorsichtige Pyramidenspieler arm macht, in ein systemisches Risiko für die Weltwirtschaft. Und damit hört sich der Spaß auf, und man muss sich zu fragen beginnen, ob denn nun alle irr geworden sind.
In großem Stil beginnt es in zwei Wochen, wenn an der Chicago Mercantile Exchange (CME), der größten Rohstoff- und Derivatebörse der Welt, erstmals in großem Stil Bitcoin-Futures gehandelt werden. In kleinerem Stil ist das jetzt schon möglich. Etwa über sogenannte Minifutures, die in Zürich gehandelt werden. Aber ab 18. Dezember wird geklotzt, nicht mehr gekleckert
Futures auf alles Mögliche sind durchaus gängige Finanzinstrumente, die zur Absicherung von konkreten Geschäften auch sinnvoll einsetzbar sind. Rein technisch sind sie aber schlicht Wetten auf künftige Kurse. Und zwar gehebelt. Ein Future auf den Bitcoin-Kurs ist also eine gehebelte Spekulation auf eine Basisspekulation. Und das kann bei einem Basiswert, der zuletzt bis zu 20 Prozent an einem einzigen Tag geschwankt hat, ganz schön ins Auge gehen.
Vor allem aber: Über von großen Instituten gehandelte Future-Kontrakte ist die Bitcoin-Spekulation dann mitten im eng verflochtenen Finanzsystem angekommen. Ein Bitcoin-Crash, der einen großen Broker umwirft, löst dann sehr schnell Kettenreaktionen aus. So wie eben 2008 der Zusammenbruch eines eigentlich auf die USA begrenzten Subprime-Kreditmarkts die ganze Welt mitgerissen hat. Offenbar hat die Finanzwirtschaft aus 2008 absolut nichts gelernt.
Solang der Himmel das Limit für den Bitcoin-Kurs ist, passiert natürlich nichts. Aber das kann sich sehr schnell ändern. Sobald außerhalb der traditionellen Wege gehandelte Kryptowährungen nämlich vom Volumen her echte Konkurrenz zum Geld werden, müssen Staaten reagieren. Sonst können sie sich Steuereintreibung, Geldwäschebekämpfung und Ähnliches gleich an den Hut stecken. Spätestens dann wird Regulierung (China beginnt ja schon damit) ein Thema.
"Preis für Bitcoin-Wetten wird früher oder später bezahlt"
Und spätestens dann haben die Kryptowährungen ein Problem. Hoffentlich passiert das, bevor die Spekulationsgier der nun einsteigenden großen Finanzplayer die Blase auf ein unkontrollierbares Maß anwachsen lässt.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.12.2017)