Gastkommentar

Gestaltungsmacht der EU in Asien hat ihre Grenzen

Die Asien-Politik der USA unter Donald Trump sorgt für Verunsicherung. Ob die EU davon profitieren wird, ist eher fraglich.

Als der amerikanische Präsident, Donald Trump, Mitte November 2017 von seiner Asien-Reise nach Washington zurückkehrte, bezeichnete er seine Gespräche mit den asiatischen Staats- und Regierungschefs als enormen Erfolg. Demgegenüber finden sich Meinungen, die dies keineswegs so sehen.

Worüber jedoch weitgehend Einigung besteht, ist die Tatsache, dass die ökonomischen, gesellschaftlichen und sicherheitspolitischen Entwicklungen in Asien von enormer Bedeutung für die Gegenwart und Zukunft der USA und die internationalen Beziehungen sind.

Dies betrifft ebenso die Europäische Union. Die Verunsicherung darüber, welchen Weg die amerikanische Asienpolitik unter Trump weiter verfolgen wird, mit der Erwartung zu verknüpfen, die EU könne sich dadurch gegenüber Asien stärker profilieren, erscheint jedoch nicht als sehr hilfreich.

Einhergehend mit dem Ende von Trumps Asien-Reise gab es zwei Ereignisse im Rahmen europäischer Außenpolitik, die kein vergleichbares globales Medieninteresse fanden. Zum einen einigten sich am 13. November 23 EU-Staaten auf eine Ständige Strukturierte Zusammenarbeit (Pesco), die es den teilnehmenden Ländern ermöglichen soll, verteidigungspolitisch enger zusammenzuarbeiten.

Systemische Einschränkungen

Zum anderen feierten die EU und der Verband Südostasiatischer Staaten (Asean) am 14. November das 40-jährige Bestehen der Beziehungen zwischen den beiden Regionalorganisationen. Wie sich am Beispiel der europäischen Verteidigungs- und der Asien-Politik aber auch zeigt, bestehen nach wie vor systemische Einschränkungen für die globale Rolle EU.

Erstens erweist sich die verteidigungspolitische Integration als ein weites und mühsam zu bearbeitendes Feld. Federica Mogherini, die Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, wie auch die deutsche Verteidigungsministerin, Ursula von der Leyen, verwiesen auf die historische Bedeutung der Einigung über die Ständige Strukturierte Zusammenarbeit. So manch eine Überschrift hierzu ließ sogar vermuten, der Weg zu einer Verteidigungsunion sei nun geebnet. Dies trifft nicht zu, die vereinbarte Zusammenarbeit stellt nur einen kleinen Schritt bei der Vertiefung verteidigungspolitischer Kooperation dar.

Die Grundlage hierfür besteht bereits seit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon im Jahr 2009. Eine Entscheidung über eine gemeinsame Verteidigung muss vom Europäischen Rat, also den Staats- und Regierungschefs der EU, einstimmig beschlossen werden. Rückblickend auf den Entwicklungsweg der EU findet sich kein Indiz, dass eine solche weitreichende Entscheidung von den Mitgliedstaaten jemals realistisch in Betracht gezogen wurde. Vor dem Hintergrund der anhaltenden europapolitischen Divergenzen zwischen den EU-Staaten wird in absehbarer Zukunft kaum mehr als das bestehende Integrationsniveau erreicht werden können. Nunmehr müssen die an Pesco beteiligten Staaten beweisen, dass sie diese auch effektiv nutzen und es nicht nur bei Absichtserklärungen belassen.

Zweitens hat die Asien-Politik der EU an Substanz gewonnen, bleibt aber einseitig. Im Mai 2017 veröffentlichte die Europäische Kommission das Reflexionspapier „Die Globalisierung meistern“. Darin wird, mit Blick auf die Entwicklung Asiens, für die nähere Zukunft eine multipolare Weltordnung mit unterschiedlichen Wirtschafts- und Militärmächten nicht ausgeschlossen. Gleichzeitig wird erwartet, es könnten sich neue Märkte für europäische Unternehmen erschließen.

Zu den wichtigsten Handelspartnern der EU im Jahr 2016 zählten, nach den USA, China (2.), Japan (6.), Südkorea (8.) und Indien (9.). Die EU war für China und Indien jeweils größter, für Japan und Südkorea jeweils drittgrößter und für den Asean zweitgrößter Handelspartner.

Strategische Partner

Donald Tusk, der Präsident des Europäischen Rats, hat angesichts der EU/Asean-Beziehungen erklärt, Europa und Asien brauchten sich nicht nur als Handelspartner, sondern auch als Freunde und Alliierte, um globale Bedrohungen und Herausforderungen zu bewältigen, die die beiden Regionen gleichermaßen gefährdeten.

Bei einem Treffen zwischen Tusk und Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker mit dem japanischen Ministerpräsident, Shinzō Abe, im Sommer wurde die strategische Partnerschaft zwischen der EU und Japan gewürdigt und wurden die gemeinsamen Bemühungen zur Aufrechterhaltung einer regelbasierten internationalen Ordnung betont. Ähnliche Argumente finden sich wiederkehrend bei vielen anderen Treffen der EU mit asiatischen Staaten. Unter den „strategischen Partnern“ der EU sind in Asien neben Japan auch China, Indien und Südkorea.

Was die beteiligten Partner jedoch jeweils als strategisch verstehen, bleibt unscharf definiert. Trotz eines hohen entwicklungspolitischen Engagements der EU in Asien und vielschichtiger Dialogformen, ist die Asien-Politik der EU primär eine handelspolitische.

Unterschiedliche Interessen

Drittens können die europäische und amerikanische Asien-Politik nicht gleichgesetzt werden. Rückblickend auf die vergangenen zwei Jahrhunderte unterscheiden sich europäische und amerikanische Interessenpolitik und Machtprojektion in Asien deutlich. Entsprechend geprägt ist die Perzeption der asiatischen Staaten gegenüber den EU-Staaten und den USA.

Es mag durchaus eine Schnittmenge an sicherheitspolitischen Interessen zwischen der EU und den USA gegenüber Asien geben, wie etwa bezüglich der Sicherheit internationaler Schifffahrtsrouten oder der Bekämpfung des Terrorismus. Doch was die EU gegenüber der Region nicht vermitteln kann und will, ist die Möglichkeit zu militärischer Machtprojektion.

Auf der asienpolitischen Agenda der EU stehen Themen wie das Atomwaffen- und Raketenprogramm Nordkoreas, das Verhältnis südostasiatischer Staaten zu China, der Wettbewerb einzelner Staaten um regionalen Einfluss (z. B. im Südchinesischen Meer), Japans mögliche Abkehr von einer rein defensiven Verteidigungspolitik und Indiens Bemühungen, die regionale Machtposition im Wettbewerb mit China weiter auszubauen. Die Stimme der EU hierzu ist deutlich leiser als jene der USA.

Für die Staaten in der Region macht es einen Unterschied, ob das Engagement der EU letztlich auch eine militärische Komponente beinhalten könnte oder nicht.

Innerlich zerrissene EU

Die Grenzen der EU als internationale Gestaltungsmacht werden von den Mitgliedstaaten der Union gesetzt. Sie sind es, die letztendlich Verantwortung für die Rolle der EU in Asien tragen. Noch sind die Folgen des Zustands der inneren Zerrissenheit wie auch des Brexit für die europäische Außen- und Sicherheitspolitik und die damit verbundene Asien-Politik erst in Umrissen sichtbar. Jeder fehlgeschlagene Versuch der Europäer aber, mehr Integration zu erreichen, hat nicht nur für die Staaten Asiens eine Signalwirkung.

Der Autor

Franco Algieri studierte Politikwissenschaft und Sinologie in Freiburg, Taipeh und Tübingen. Er promovierte mit einer Arbeit über die China-Politik der EU. Algieri forscht und lehrt zu Themen europäischer und asiatischer Sicherheitspolitik. Derzeit leitet er das International Relations Department an der Webster Vienna Private University.

E-Mails an:debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.12.2017)

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