Heikler Besuch des Papstes in Roms Großer Synagoge

Der Papst in der Großen Synagoge
Der Papst in der Großen Synagoge(c) REUTERS (Tony Gentile)
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Vor 24 Jahren schrieb Johannes Paul II. mit dem ersten Papstbesuch in der Großen Synagoge in Rom Geschichte. Dem gebürtigen Deutschen Benedikt XVI. fiel die zweite Visite nicht ganz so leicht.

ROM. Vor einem Jahr haben Italiens Katholiken und Italiens Juden ihren traditionellen „Tag des Dialogs“ erstmals in getrennten Räumen veranstaltet, am Sonntag strömten sie alle wieder, ideell zumindest, in der Synagoge von Rom zusammen. Die jüdischen Verstimmungen über Benedikt XVI. sind beiseitegeschafft. Laut Chefrabbiner Riccardo Di Segni hat man zwar „eher einen politischen Waffenstillstand als einen wahren Frieden erreicht“ – doch der zeitweise sehr ungewisse jüdisch-katholische Gipfel fand tatsächlich statt. Und der Papst war im „Großen Tempel“ sehr willkommen.

Wie heikel das Terrain aber trotzdem noch ist, zeigt sich bei zwei Äußerungen der letzten Tage. Chefrabbiner Di Segni sagte: „Es kommt nun auf die kleinsten Feinheiten an, in der Art des Empfangs und bei den Worten, die gesprochen werden.“ Kardinal Walter Kasper, der vatikanische „Minister“ für die katholisch-jüdischen Gespräche, meinte: „Der Dialog geht weiter. Das ist schon sehr positiv.“

Gespaltene jüdische Gemeinde

Verstört hat Benedikt die Juden mehrfach. Da war die Rehabilitierung des Traditionalistenbischofs Richard Williamson, der den Holocaust leugnet; da war die Rückkehr zu einer Karfreitagsfürbitte, in der die Juden den ungehörigen Aufruf zu ihrer Bekehrung lasen; da war vor wenigen Wochen die Verleihung des „heldenhaften Tugendgrades“ an Pius XII., mit der Benedikt den Weg für die Seligsprechung eines Papstes bereitet hat, dem Kritiker anlasten, er habe zu Hitlers Judenvernichtung geschwiegen.

Roms jüdische Gemeinde, die sich viel darauf zugutehält, älter zu sein als die katholische Kirche, ist gespalten. Einige der ganz wenigen, die den Holocaust überlebt haben – aus Rom wurden 1943 mehr als 2000 Juden in deutsche Vernichtungslager gebracht –, wollen dem Besuch gerade eines deutschen Papstes fernbleiben, darunter der Vorsitzende der Italienischen Rabbinerkonferenz, Giuseppe Laras. Andere weisen darauf hin, dass die katholische Kirche zur Nazi-Zeit einige tausend Juden in Klöstern versteckt und so gerettet haben. Einige sehen gerade in der Karfreitagsfürbitte eine Abkehr vom theologischen Dialog, andere – auch wenn sie Ratzinger als „harten Knochen“ betrachten – sagen, ein Theologe, der zeit seines Lebens die Nähe zwischen Christen- und Judentum hervorgehoben habe, sei der beste Garant für einen Dialog.

Wieder andere bedauern, dass es in Rom keinen Papst mit Ausstrahlung mehr gibt. Sie erinnern an Johannes Paul II., der 1986 als erster Papst überhaupt zu Gast in einer Synagoge war, der die Juden dabei voller Herzlichkeit als „unsere großen Brüder“ bezeichnete und theologische Feinheiten eher mit persönlicher Autorität und formatfüllender Erscheinung überspielte.

Große Delegation aus Israel

War Johannes Pauls Besuch „historisch“, so galt Benedikts Visite als „Fortsetzung“. Honoratioren beider Seiten bildeten in der glanzvollen Synagoge ein festliches Spalier; aus Jerusalem reiste eine Delegation des Obersten Rabbinats an. Israels Regierung, deren politische Verhandlungen mit dem Vatikanstaat seit Jahren nicht vorankommen, schickte einen Vizepremierminister.

Für Benedikt XVI. war es nach beinahe fünf Jahren Pontifikat nicht die erste Begegnung mit dem Judentum. Zwei Synagogen, in Köln und eine in New York, hat er bereits besucht; im Mai 2009 war er in Israel, und drei Jahre vor der dortigen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem hat er in Polen das ehemalige KZ Auschwitz-Birkenau besucht. Roms Chefrabbiner Di Segni seinerseits war bereits im Jänner 2006 im Vatikan zu Gast.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.01.2010)

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