Jerusalem als Israels Hauptstadt: Hamas ruft zu Intifada auf

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Die radikale Palästinenserorganisation ruft zu einem Aufstand gegen Israel auf. Premier Netanjahu zeigt sich unbeeindruckt: Es gebe Kontakt mit anderen Staaten, die Jerusalem als Hauptstadt anerkennen wollen.

Nachdem US-Präsident Donald Trump am Mittwoch verkündet hatte, Jerusalem offiziell als Hauptstadt Israels anzuerkennen und die US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen, rief die radikal-islamische Hamas am Donnerstag zu einem neuen Palästinenser-Aufstand (Intifada) gegen Israel auf. Die Entscheidung Trumps komme einer "Kriegserklärung gegen die Palästinenser" gleich, sagte Hamas-Chef Ismail Haniyeh am Donnerstag in Gaza.

Auf die von den USA unterstützte "zionistische Strategie" gebe es nur eine einzige Antwort - eine "neue Intifada". Die "Intifada zur Befreiung Jerusalems" müsse am Freitag beginnen, forderte der Chef der bisher im Gazastreifen herrschenden Organisation. Haniyeh verlangte außerdem von der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA), dass sie alle Friedensbemühungen mit Israel einstellt. Israel stockte unterdessen sein Militär im Westjordanland auf.

Während der als "Krieg der Steine" begonnenen ersten Intifada von 1987 bis 1993 verloren etwa 2.200 Palästinenser und 200 Israelis ihr Leben. Bei der "Al-Aqsa-Intifada" von 2000 bis 2005 hatten die Palästinenser mit über 3.500 Toten die meisten Opfer zu beklagen, mehr als 1.000 Israelis starben bei Anschlägen von Palästinensern.

US-Außenminister Rex Tillerson versuchte am Montag zu beschwichtigen. "Wir werden das nicht schnell machen", versicherte er beim OSZE-Ministertreffen in Wien. "Das ist nichts, was über Nacht passiert", sagte er mit Blick auf den notwendigen Kauf von Grundstücken und den Bau eines Gebäudes. 

Israel spricht von "historischer Erklärung"

Aus Protest gegen Trumps Entscheidung begannen die Palästinenser Donnerstag früh einen Generalstreik. Im Westjordanland und im Gazastreifen sowie in Ost-Jerusalem blieben öffentliche Einrichtungen, Geschäfte, Schulen und Banken geschlossen.

Israel hingegen feierte die Entscheidung, Regierungschef Benjamin Netanyahu sprach am Donnerstag von einer "historischen Erklärung" des US-Präsidenten. "Präsident Trump hat sich auf ewig mit der Geschichte unserer Hauptstadt verbunden." Israel sei bereits in Kontakt mit weiteren Staaten, die Jerusalem ebenfalls anerkennen wollten, sagte Netanyahu. Konkrete Ländernamen nannte er aber nicht.

Israel beansprucht ganz Jerusalem, das für Juden, Christen und Muslime als heilig gilt, als seine unteilbare Hauptstadt. Dieser Anspruch wird international nicht anerkannt. Israel hatte 1967 während des Sechstagekrieges den arabischen Ostteil der Stadt erobert und später annektiert. Die Palästinenser sehen in Ost-Jerusalem die künftige Hauptstadt eines unabhängigen palästinensischen Staates.

Türkei: "Büchse der Pandora geöffnet"

Die Weltgemeinschaft reagierte mit größter Besorgnis auf den historischen Alleingang Trumps. Saudi-Arabien und der Irak riefen Trump dazu auf, die Entscheidung zurückzunehmen. Auch Indonesien forderte die USA auf, die Entscheidung zu überdenken.

Die Vereinigten Arabischen Emirate verurteilen die Entscheidung und zeigten sich zutiefst beunruhigt über die Auswirkungen auf die Stabilität der Region wegen der Emotionen, die der Entschluss bei Arabern und Muslimen hervorrufe, zitiert die staatliche Nachrichtenagentur WAM eine Mitteilung des Ministeriums. Der Iran verurteilte Trumps Schritt als "Provokation und verrückte Entscheidung", die zu "noch mehr Wut und Gewalt" führen werde. 

Der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim wies Trumps Erklärung indes gleich vollends zurück. "Die Erklärung des US-Präsidenten zur Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels und die damit verbundenen Schritte sind für die Türkei null und nichtig", hieß es in einer Mitteilung Yildirims am Donnerstag. "Mit dieser Entscheidung wurde in der Region die Büchse der Pandora geöffnet". Der Schritt sei ein Beispiel für "totale Verantwortungslosigkeit" und werde schwere Konsequenzen für den Frieden in der Region haben, sagte der türkische Ministerpräsident. Vor dem US-Generalkonsulat in Istanbul kam es in der Nacht zu Protesten gegen die Entscheidung Trumps.

Pence "in Palästina nicht willkommen"

Dem ranghohen Fatah-Mitglied Jibril Rajoub zufolge wird es in diesem Monat anders als geplant kein Treffen zwischen US-Vize-Präsident Mike Pence und Palästinenser-Präsident Mahmoud Abbas (Abu Mazen) geben. Pence sei "in Palästina nicht willkommen", sagte Rajoub am Donnerstag. Pence habe um ein Treffen am 19. Dezember in Bethlehem gebeten. "Solch ein Treffen wird nicht stattfinden."

Unterdessen versicherte das US-Präsidialamt, die Entscheidung über die Anerkennung Jerusalems als israelische Hauptstadt sei kein Signal dafür, dass die USA sich aus dem Nahost-Friedensprozess zurückziehen. Die USA seien der einzige Staat, der Jerusalem als Israels Hauptstadt anerkenne. Man wisse von keinem anderem Land, das dies plane, verlautete außerdem aus dem Weißen Haus.

US-Außenministerium ruft zu erhöhter Wachsamkeit auf

Das US-Außenministerium rief in einer "Worldwide Caution" sogleich zu erhöhter Wachsamkeit vor Terrorattacken auf. US-Bürger wurden aufgerufen, im Ausland besonders vorsichtig zu sein und sich vor Reiseantritt über etwaige Reisewarnungen für das Zielland zu informieren.

Jerusalem

Jerusalem gilt als eines der heikelsten Probleme der Weltpolitik und als einer der fundamentalen Streitpunkte in dem seit Jahrzehnten schwelenden Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern.

Israel hatte 1967 während des Sechs-Tage-Kriegs den arabisch geprägten Ostteil der Stadt erobert und später annektiert. Es beansprucht ganz Jerusalem als seine unteilbare Hauptstadt. Dieser Anspruch wird international nicht anerkannt. Unter anderem erkennen die Vereinten Nationen nicht ganz Jerusalem als Israels Hauptstadt an. Die Palästinenser sehen in Ost-Jerusalem ihre künftige Hauptstadt.

Die Muslime zählen den Felsendom und die Al-Aksa-Moschee in Jerusalem zu ihren wichtigsten Heiligtümern, die Christen die in Jerusalems Altstadt befindliche Grabeskirche Jesu. Juden beten an der Klagemauer.

(APA/AFP/dpa/Red.)

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