"Vollholler" und "Alternative Fakten" sind in Österreich zum Wort bzw. Unwort des Jahres 2017 gekürt worden. Auch die Finanzbranche hat ein Wort des Jahres gewählt: Nicht Bitcoin hat sich durchgesetzt, sondern die Negativzinsen.
Ein Unwort oder Wort des Jahres, das hat schon was. Vollholler zum Beispiel. Taufrisch zum Unwort 2017 gekürt. Christian Kern hat es in den Mund genommen, als er sich über Sebastian Kurz und des Schließung der Mittelmeer-Fluchtroute ärgerte. Bald wird Kurz Kanzler - und Kern? Echt Vollholler.
Heuer hat die Wiener Börse - in Anlehnung an das Wort des Jahres - zusammen mit der Finanzbranche erstmalig das Börsenunwort des Jahres ermittelt. Befragt wurden rund 1.000 Branchenvertreter, unter anderem über Vereinigungen wie ÖVFA, VÖIG oder C.I.R.A. Durchgesetzt haben sich die "Negativzinsen". Der Begriff setzte sich aufgrund der dramatischen Auswirkungen für den österreichischen Sparer an die Spitze des Rankings, gefolgt von "Bitcoin" und "Trump-Effekt".
"2017 ist das Jahr, in dem der Niedrigzins-Effekt endgültig bei den privaten Anlegern angekommen ist. Viele ältere Zinsprodukte mit höherer Rendite sind heuer ausgelaufen. Das Sparschwein musste den Gürtel sehr viel enger schnallen. Das Ersparte wird durch die Inflation real entwertet", sagt Börsen-CEO Christoph Boschan. "Im Gegensatz dazu boten österreichische börsennotierte Unternehmen im Leitindex ATX im letzten Vierteljahrhundert eine durchschnittliche Rendite von 6,9 Prozent. Dafür ist allerdings Durchhaltevermögen gefragt, denn Investieren ist ein Marathon und kein Sprint."
Sparleistung zum Erliegen gebracht
Negativzinsen entstehen durch das Sinken eines Zinssatzes unter null. Ein negativer Zinssatz entschädigt den Kreditgeber nicht mehr für das Ausfallrisiko und die Kapitalbereitstellung. Negativzinsen sollen Konsum und Investition anregen und Sparen unattraktiv machen. Immerhin sprang der Oberste Gerichtshof den österreichischen privaten Sparern beiseite und bestimmte, dass bei ihnen in Österreich keinesfalls Negativzinsen eingehoben werden dürfen. Kein Grund zum Jubeln, denn Nullzinsen gepaart mit niedrigen Aktienquoten sind der Grund, warum Österreicher das europäische Schlusslicht bei Rendite auf Veranlagungen sind. Das bestätigte jüngst eine von der Allianz veröffentlichte Studie zur Realrendite im europäischen Vergleich.
Bitcoin & Trump-Effekt
Weiters intensiv als Unwort genannt wurde der Begriff "Bitcoin" – weniger wegen des durchaus vorhandenen revolutionären, technischen Charakters, sondern vielmehr wegen eines Widerspruchs in der steuerlichen Behandlung durch den Staat. Kryptowährungen werden in Österreich als digitales Gut gesehen, der Handel mit diesen ist umsatzsteuer- und – nach Ablauf einer einjährigen Spekulationsfrist – kapitalertragssteuerfrei. Setzt man dagegen auf die Zukunft von realen Werten, wie österreichische börsennotierte Unternehmen in Form von Aktien, sieht der Gesetzgeber eine Kapitalertragssteuer in Höhe von 27,5 Prozent vor.
Ambivalent verliefen auch die Diskussionen zum "Trump-Effekt". Einerseits versprachen sich viele Investoren vom neuen amerikanischen Präsidenten eine bedingungslose Kapitalmarktförderung, andererseits überwarf er sich rasch mit vielen Wallstreet-Akteuren. Spätestens als er durch einen sorglosen Kommentar die Staatsanleihen Puerto Ricos auf Talfahrt schickte, wurde klar, dass die Politik weiterhin der dominierende Faktor für die Entwicklung eines Finanzmarktes bleibt.
Börsenchef Boschan. "In der Diskussion mit unseren Marktteilnehmern hören wir immer wieder zwei Forderungen an die Politik: Erstens, die Herstellung verbesserter Rahmenbedingungen, damit Österreich für ausländische Investoren interessanter wird. Und zweitens die Förderung der heimischen Investorenbasis, um mehr Österreichern die Teilnahme am Erfolg der heimischen Unternehmen zu ermöglichen.“