Zusammenstöße nach Freitagsgebet

m Gazastreifen und im Westjordanland protestierten Palästinenser gegen die Verlegung der US-Botschaft. Die Demonstrationen forderten mindestens zwei Todesopfer.
m Gazastreifen und im Westjordanland protestierten Palästinenser gegen die Verlegung der US-Botschaft. Die Demonstrationen forderten mindestens zwei Todesopfer.APA/AFP/MUSA AL SHAER
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Die Ankündigung von Donald Trump, die US-Botschaft in Israel nach Jerusalem zu verlegen, blieb nicht ohne Folgen. Palästinenser und Israelis lieferten sich Straßenschlachten.

Jerusalem/Tunis. Zorn und Empörung in der islamischen Welt über die Jerusalem-Entscheidung von US-Präsident Donald Trump wurden am gestrigen Freitag in zahlreichen Städten des Nahen Ostens Luft gemacht. In Ägypten, Jordanien, Irak und Tunesien, aber auch in der Türkei und im Iran gingen abertausende Menschen nach den Freitagsgebeten auf die Straßen, ohne dass es zu größeren Zwischenfällen oder Ausschreitungen kam. In den Golfstaaten dagegen blieb die Bevölkerung weitgehend desinteressiert. Lediglich im kriegsgeschüttelten Jemen kam es in der Hauptstadt Sanaa zu einer Solidaritätskundgebung mit den Palästinensern, nachdem das Weiße Haus am Vortag erstmals seit der Existenz Israels Jerusalem als Hauptstadt des jüdischen Staates anerkannt hatte.

Dagegen lieferten sich Demonstranten und israelische Polizei in Ostjerusalem und den Westbank-Städten Bethlehem, Hebron und Nablus heftige Zusammenstöße, bei denen mindestens eine Person getötet wurde. Mindestens 760 Menschen wurden verletzt. Rund 261 davon erlitten Schusswunden, die Mehrheit durch Gummimantelgeschosse, wie der palästinensische Rettungsdienst Roter Halbmond am Freitag mitteilte.

Im Westjordanland seien Warnschüsse in die Luft abgegeben worden, im Gazastreifen sei auf Anstifter der Unruhen geschossen worden, sagte eine Sprecherin der israelischen Armee. Diese seien auch getroffen worden.

In den meisten arabischen Staaten sowie im Iran sind Demonstrationen der Bevölkerung normalerweise verboten und werden hart bestraft, vor allem, wenn sie sich gegen Missstände im eigenen Land richten. In Kairo, vor der Al-Azhar-Moschee, deren Umgebung von Bereitschaftspolizei abgeriegelt war, riefen Hunderte Demonstranten Slogans gegen Amerika, vereinzelt aber auch gegen das Regime von Abdel Fattah al-Sisi. Zuvor bereits waren in der ägyptischen Hauptstadt mehrere Menschen festgenommen worden, die vor dem Gebäude der Journalistengewerkschaft protestiert hatten. Ein Berater des Al-Azhar-Chefs Ahmed al-Tayyeb, der nach dem Freitagsgottesdienst mit den Demonstranten diskutierte, erklärte, Israel sei gar kein Staat, sondern „ein koloniales Gebilde“. In Jordaniens Hauptstadt zog eine Menge mit palästinensischen Fahnen durch die Innenstadt und verbrannte Trump-Poster. Auch in Bagdad und Tunis kam es zu Kundgebungen.

In mehreren iranischen Städten skandierten Menschen „Tod für Amerika“ und „Tod für Israel“. In Teheran forderte der ultrakonservative Freitagsprediger Ahmad Khatami, der 2009 eine Schlüsselrolle bei der blutigen Unterdrückung der Grünen Reformbewegung spielte, die Palästinenser auf, eine neue Intifada auszurufen und gegen das Besatzungsregime zu rebellieren. Iran habe Raketen, die Israel erreichen könnten, drohte der Kleriker in seiner Predigt. „Wenn das zionistische Regime einen Fehler begehen sollte, werden wir Tel Aviv dem Erdboden gleichmachen.“ Das Terrornetzwerk al-Qaida nannte die Vereinigten Staaten auf einem seiner Internetportale „den Pharao der Gegenwart“ und forderte seine Anhänger auf, überall, wo möglich, die USA und ihre Verbündeten, die Zionisten und die Kreuzfahrer anzugreifen.

Putin reist nach Ankara

Die angekündigte Verlegung der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem hat auch für diplomatische Verstimmungen gesorgt. Am Rande des OSZE-Ministertreffens in Wien kritisierte der russische Außenminister Sergej Lawrow die Entscheidung des US-Präsidenten (siehe unten), während in Ankara die Präsidentschaftskanzlei wissen ließ, Russlands Staatschef, Wladimir Putin, werde am Montag mit seinem Kollegen Recep Tayyip Erdoğan über die Lage in Jerusalem und Syrien sprechen.

Kritik kam auch aus Frankreich: Die Botschaftsverlegung sei eine „zusätzliche Herausforderung für die Stabilität der ganzen Region“, sagte Staatspräsident Emmanuel Macron. In New York trat am Freitag der UN-Weltsicherheitsrat zusammen, um das umstrittene Vorgehen der Trump-Administration zu diskutieren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.12.2017)

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