Ex-Fußballer Scharner und Hackmair kritisieren weit verbreitetes "Pastern"

Paul Scharner
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Paul Scharner hat seine eigenes Erlebnis bereits in seiner Autobiographie beschrieben. "Das hat mich brutal geprägt."

Im Angesicht der Diskussion um Missbrauchsvorwürfe in anderen Sportarten haben die Ex-Profis Paul Scharner und Peter Hackmair auch auf verletzende Rituale im Fußball hingewiesen. Das "Pastern" sei weit verbreitet gewesen. Ex-Teamspieler Scharner hatte bereits vor zwei Jahren in seiner Autobiografie von einem Vorfall, der ihn selbst betroffen hatte, berichtet.

Scharner sei laut eigenen Angaben 2001 von Teamkollegen bei der Wiener Austria mit schwarzer Schuhcreme eingeschmiert und mit Badeschlapfen auf den entblößten Hintern geschlagen worden. Dazu wurden ihm die Haare abrasiert. "Es hat mich brutal geprägt", sagte der 37-Jährige nun in einem Interview mit dem "Standard" (Samstag-Ausgabe). "Menschliche Beziehungen konnte ich im Fußballumfeld nur mehr schwer aufbauen."

Auf Anraten seines Karrierebetreuers hatte Scharner den Vorfall damals nicht öffentlich gemacht, um sich seine Laufbahn nicht zu verbauen. "Ich habe mich als Reaktion darauf in meinen Kokon zurückgezogen, weder nach links noch nach rechts geschaut und Karriere gemacht", erklärte der Niederösterreicher, der bis zum Ende seiner Laufbahn 2013 40 Länderspiele für Österreich absolviert hat. Der Defensivspieler hatte stets als Querdenker gegolten. "Bei mir ist der Vorfall insofern glimpflich ausgegangen, weil ich keine Tube anal eingeführt bekommen habe", meinte Scharner.

Hackmair: "Spieler wurde gebrochen"

Anderen sei es ähnlich oder sogar noch schlimmer ergangen, schilderte Hackmair in einem am Montag erscheinenden Interview mit dem Nachrichtenmagazin "profil". "Ein junger Spieler, der gerade einen Profi-Vertrag unterschrieben hatte, wurde geschnappt, auf der Massagebank festgebunden und mit Badeschlapfen oder Ähnlichem geschlagen - oft, bis er geblutet hat", sagte Hackmair. "Dann wurde der Anus mit einer scharfen Traumasalbe eingerieben."

Hackmair hatte seine Karriere 2012 mit nur 25 Jahren beendet. Der frühere ÖFB-Nachwuchsteamspieler ist mittlerweile als ORF-Experte tätig. Sein damaliger Mentaltrainer habe den ÖFB einst von den brutalen Übergriffen informiert. Danach sei das "Pastern" von den Profiklubs unterbunden worden. Manche Jungprofis hätten mit den Auswirkungen aber lange zu kämpfen gehabt. "Ich habe tatsächlich Spieler gesehen, die durch das Pastern regelrecht gebrochen wurden", erklärte Hackmair.

Laut Scharner hätten Trainer und Betreuer von dem Ritual im Fußball gewusst. "Es gab aber keine Konsequenzen", sagte der Ex-Internationale dem "Standard". Er hoffe, dass im Angesicht der MeToo-Debatte und nach den Schilderungen der früheren Rennläuferin Nicola Werdenigg von sexualisierter Gewalt im Skisport nun der richtige Zeitpunkt sei, um darüber zu sprechen. "Die Frage ist nur: Was prangern wir an? Nur einzelne Personen? Dann ändert sich nichts. Das System dahinter muss sich wandeln."

Ansprechstellen gefordert

In einer Kolumne in der Tageszeitung "Kurier" forderte Scharner in Bezug auf Übergriffe Ansprechstellen in allen Institutionen. "Wenn jemand etwas hört, muss er/sie wissen, wen man kontaktieren kann. Und dann müssen Täter wie Trainer zur Rechenschaft gezogen werden", schrieb der Ex-Nationalspieler. Nichts zu wissen, dürfe als Ausrede nicht mehr reichen.

Bei den Initiationsriten gebe es wie bei sexuellen Übergriffen ein "Über-Thema", meinte Scharner, nämlich Hierarchie. Er selbst sei in seinem ersten Austria-Trainingslager noch ein unauffälliger Mitläufer gewesen, im zweiten den arrivierten Spielern aber sportlich bereits auf die Zehen gestiegen. "Die Antwort war, dass ich gepastert wurde."

Einen seiner damaligen Austria-Kollegen ließ Scharner auch in seinem 2015 erschienenen Buch zu Wort kommen. "Paul war zu aufmüpfig", schrieb Ex-Tormann Wolfgang Knaller.

(APA)

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