Der Chansonnier triumphierte in der Wiener Stadthalle vor so vielen Menschen wie niemals zuvor in Österreich. Davor traf der 93-jährige Schauspieler und Chansonnier „Die Presse“, um über seine Kunst zu plaudern.
Auf seiner rechten Schulter haben schon viele berühmte Zeitgenossen ihre Hand für ein paar Augenblicke ruhen lassen. So entstanden in jüngster Zeit etwa Fotos, auf denen Granden wie Bob Dylan oder Mick Jagger ihr Pratzerl dort liebevoll parkten. Charles Aznavour, weltweit erfolgreicher Chansonnier, gilt als Phänomen. Von kleiner Statur, entwickelte er eine Kreativität und Zähigkeit, die sämtliche seiner direkten Konkurrenten von Jacques Brel bis Léo Ferré in den Schatten stellte.
Während jene nur mehr Erinnerung sind, steht Aznavour mit seiner Beharrungskraft immer noch im Zentrum des internationalen Showbusiness. Mit seinen 93 Jahren tritt er regelmäßig in den größten Sälen auf. Er verfügt nach wie vor über die Körperspannung eines Zirkusartisten. Sein Geist ist hell, einzig die Ohren schwächeln ein wenig. Auf der Bühne der Wiener Stadthalle waren drei Teleprompter aufgestellt, über deren Monitore die Worte seiner Chansons flackerten. Im Ohr hatte er ein hochmodernes Hörgerät. Mit zartbitterem Zug um den Mund verlachte er coram publico die Bürden, die ihm das Alter auferlegt.