Eine schwarz-rote Regierung würde die EU ins Zentrum rücken. Der SPD-Vorstoß für Vereinigte Staaten von Europa geht CDU/CSU jedoch zu weit. Viel zu weit.
Berlin. Kanzlerin Angela Merkel redet Montagmittag im bereits weihnachtlich geschmückten Konrad-Adenauer-Haus viel über die EU, über Frankreich. Am Mittwoch beginnen Gespräche mit der SPD über eine Regierungsbildung – ein erstes Beschnuppern. Und ihre CDU werde dabei einen „ganz besonderen Schwerpunkt auf Europa“ legen, kündigt die Parteichefin an. Da gebe es „ein hohes Maß an Gemeinsamkeiten“ mit der SPD (wobei der Teufel im Detail steckt).
Eine stabile Große Koalition, die Europa in Zeiten der geopolitischen Wirren stärkt: Das ist die große Erzählung, an der Freunde von Schwarz-Rot in diesen Tagen stricken. Zum Vorschlag von SPD-Chef Martin Schulz, bis 2025 per Verfassungsvertrag die Vereinigten Staaten von Europa zu gründen, sagte Merkel gestern aber – nichts. Dass sie höchst skeptisch ist, hat sie schon davor durchblicken lassen. Ihr enger Vertrauter Volker Kauder (CDU) sprach gar von einer „Gefahr für die EU“, die von den Visionen des SPD-Chefs ausgehe.
„Nicht über ihn herfallen“
In Bayern schütteln sie den Kopf über Schulz. Das sei „nicht das, was die Mehrheit der Deutschen will“, sagte der künftige Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Die Umfragen bestätigen das. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) findet Schulz' Vision zwar „klasse“. Sie komme nur zu früh, viel zu früh. Für die Generation ihrer Enkel wären Vereinigte Staaten von Europa „realistisch“.
SPD-Außenminister Sigmar Gabriel rückte zur Ehrenrettung von Schulz aus. Wenn einer neue Ideen habe, sollten nicht gleich alle über ihn herfallen, befand er. „Besser jetzt über eine große Idee debattieren, als uns jeden Tag irgendwie im Klein-Klein verhaken“, so Gabriel, dessen Verhältnis zu Schulz aber angespannt ist und der nun laut „Spiegel“ auf das Finanzressort schielt. Er wäre dann weiter der mächtigste SPD-Minister. Gabriel dementiert den Bericht heftig.
SPD-Chef Schulz wollte mit seiner Vision – Vereinigte Staaten von Europa – nach eigenen Angaben auch „Reibung“ erzeugen. Denn seine Parte leidet an Profilschwäche. Deshalb steuerte sie ja die Opposition an. Nun überlegt man es sich noch einmal – zum Wohle der EU und Emmanuel Macrons sozusagen. Denn die SPD wähnt sich als Macrons natürlicher Bündnispartner. Bisher fiel nichts vom Glanz des Präsidenten in Paris auf die SPD ab. Stattdessen lasen die Genossen vom Tandem Merkel/Macron, von „Mercron“. Das soll sich ändern. Einen „Europaradikalen“ nannte Alexander Dobrindt (CSU) den SPD-Chef. „Ja“, schrieb Schulz, er sei „radikal proeuropäisch“.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.12.2017)