Eine „KoKo“ für Deutschland?

Matthias Miersch
Matthias Mierschimago/photothek
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Die leidgeprüfte SPD denkt über eine lose „Kooperations-Koalition“ nach. CDU-Politiker reagieren skeptisch – und warnen die SPD vor „großem Rosinenpicken“.

Berlin. Schon das Wort GroKo (Große Koalition) ist in Verruf. Vor allem an der SPD-Basis. GroKo – das erinnert die Genossen an die Jahre im Schatten der präsidialen Kanzlerin Angela Merkel; an Profilverlust; an historische Wahlpleiten. Um diese Gefühlslage weiß Martin Schulz, der die Zustimmung der Basis zu einer Regierungsbeteiligung braucht. Der SPD-Chef hat daher in der Fraktionssitzung auch die Möglichkeit einer KoKo statt einer GroKo erläutert.

Das Akronym KoKo steht für Kooperations–Koalition. Die Idee ist simpel und sie stammt von Matthias Miersch, dem Chef der Parlamentarischen Linken in der SPD. Demnach würde eine neue Regierung nur „fünf bis zehn Kernprojekte“ in einem Koalitionsvertrag verankern, darunter den Bundeshaushalt. Für den Rest gilt das freie Spiel der Kräfte im Bundestag.

„Gefährlich“, findet den Vorschlag Sachsens CDU-Ministerpräsident in spe, Michael Kretschmer. „Wir können nicht die Hand reichen für ein bisschen Absprache, für ein bisschen Tolerierung, für ganz großes Rosinenpicken der SPD“, befand CDU-Vizechefin Julia Klöckner. Ihre Parteivorsitzende Merkel, Freundin stabiler Verhältnisse, dürfte das ähnlich sehen.

Heute erstes Treffen

Mit einer zügigen Regierungsbildung ist so oder so nicht zu rechnen. Bei dem heutigen Treffen der CDU/CSU- und SPD-Spitzen handelt es sich lediglich um eine „Sondierung, ob es zu Sondierungsgesprächen kommt“. So hat Merkel jedenfalls die zögerliche SPD verstanden. Die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen müsste ein SPD-Parteitag absegnen, einen Koalitionsvertrag die Mitglieder. Würde eine KoKo den Widerstand an der Basis brechen? 2013 hatten Union und SPD ihre Vorhaben auf 185 Seiten bis ins letzte Detail ausbuchstabiert. Die Regierung arbeitete danach meist geräuschlos. Es führte aber auch dazu, dass die inhaltlichen Grenzen in den nächsten vier Jahren verschwommen sind, dass die Großparteien als „monolithischer Block“ (Miersch) wahrgenommen wurden. Beispiel Mindestlohn: Die SPD hatte ihr Herzensanliegen 2013 für den Koalitionsvertrag erstritten. Vier Jahre später erwähnte Merkel die Maßnahme gern in ihrem Wahlkampf. Der „Mindestlohn“ zahlte nicht auf das SPD-Konto ein.

In einer KoKo könnte die SPD ihr Profil schärfen. Und gegenüber der Option tolerierte Union-Minderheitsregierung hätte die KoKo nebenbei den Vorteil, dass die SPD weiter Minister stellen würde.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.12.2017)

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