Ägyptens Regime führt Feldzug gegen „Unmoral“

Abdel Fattah al-Sisi
Abdel Fattah al-SisiAPA/AFP/KHALED DESOUKI
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Wegen eines lasziven Videos wurde eine Sängerin zu zwei Jahren Haft verurteilt. Präsident Sisi verkauft sich in Europa als liberale Alternative zu Islamisten, doch unter seiner Herrschaft verschärft Justiz ihr Vorgehen.

Wien/Kairo. Die Behörden in Ägypten gehen immer massiver gegen Personen vor, die sich angeblicher moralischer Verfehlungen schuldig gemacht haben. Jüngstes Opfer dieser bizarren Kampagne ist die ägyptische Popsängerin Shyma. Weil sie – so der Richter – „zur Unzucht“ angestiftet habe, wurde sie nun in erster Instanz zu zwei Jahren Gefängnis und 500 Euro Bußgeld verurteilt. Der Grund dafür: Die Sängerin hatte in einem lasziven Musikvideo in Unterwäsche posiert und dabei unter anderem an einer Banane geleckt.

In Europa verkauft sich die ägyptische Führung rund um Präsident Abdel Fattah al-Sisi als liberale und säkulare Alternative zur Muslimbruderschaft und anderen Gruppen des sogenannten politischen Islam. De facto hat sich aber gerade unter Sisi die Verfolgung angeblicher Unmoral durch den Strafrichter verschärft.

Anfang November war die Justiz gegen eine weitere, in der Öffentlichkeit stehende Frau vorgegangen: Doaa Salah hatte in ihrer Show auf Al-Nahar-TV über Sex vor der Ehe gesprochen. Und darüber, dass eine Frau auch ohne Mann ein Kind aufziehen könnte; oder dass Männer und Frauen heiraten, ein Kind aufziehen und sich dann wieder scheiden lassen könnten. Ein ägyptisches Gericht konnte diesen Ideen nichts abgewinnen. Es verurteilte die Moderatorin zu drei Jahren Gefängnis.

In punkto Sexualität und Geschlechterrollen haben weite Teile der ägyptischen Gesellschaft sehr konservative Vorstellungen. Das gilt nicht nur für Muslime, sondern auch für koptische Christen. Das koptische Familienrecht ist äußerst streng, Scheidung ist fast unmöglich. Es gibt sogar immer wieder Berichte, dass koptische Christen zum Islam übertreten, um dann unter das liberalere muslimische Scheidungsrecht zu fallen.

Kampagne gegen Homosexuelle

Zuletzt haben Ägyptens Behörden auch eine Verfolgungskampagne gegen Homosexuelle gestartet. Es gab zahlreiche Verhaftungen. Der Parlamentsabgeordnete Riad Abdel Sattar von der säkularen Partei der Freien Ägypter brachte im Oktober einen Gesetzesvorschlag ein, um „homosexuelle Aktivitäten“ und auch Medienberichte darüber mit mehreren Jahren Gefängnis bestrafen zu können. Menschenrechtsorganisationen kritisieren, dass sich die Lage von Homosexuellen unter der Herrschaft von Präsident Sisi kontinuierlich verschlechtert habe.

Sisi war Chef der Armee, als diese 2013 die islamistische Muslimbruderschaft von der Macht verdrängte. Der damalige Präsident Mohammed Mursi und andere Funktionäre der Muslimbruderschaft wurden verhaftet. Das Militär verteidigte den Schritt unter anderem damit, so den Umbau Ägyptens in einen „Gottesstaat“ verhindert zu haben. Die Regierung unter Sisi erhält zugleich aber auch großzügige Hilfe aus Saudiarabien. Das erzkonservative Königshaus sieht die Muslimbruderschaft als Feind, dessen Einfluss zurückgedrängt werden soll.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.12.2017)

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