Der mühsame Weg zu einer deutschen Regierung

Der Weg zur Regierung ist mühsam.
Der Weg zur Regierung ist mühsam.APA/AFP/TOBIAS SCHWARZ
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Die Gespräche zwischen Union und SPD über eine Regierungsbildung sind gestartet. Ein möglicher Knackpunkt in Verhandlungen über eine Neuauflage der Großen Koalition ist das SPD-Projekt „Bürgerversicherung“.

Berlin. Ein verregneter Wahlabend im September: Martin Schulz sitzt in der ZDF-„Elefantenrunde“. Der SPD-Chef ist sichtlich frustriert über die SPD-Wahlpleite, an der er Kanzlerin Angela Merkel (CDU) eine Mitschuld gibt: Zumindest nennt er sie einen „Ideenstaubsauger“, ihren Wahlkampf findet er „skandalös“. Schulz unterstellt der Kanzlerin weiters „systematische Verweigerung von Politik“. Mit ihr regieren will er definitiv nicht. Merkel lächelt die vielen Angriffe des gereizten SPD-Chefs einfach weg – als wüsste sie, dass sie ihn noch einmal brauchen könnte.

80 Tage danach, am Mittwochabend, trafen sich die Spitzen von Union und SPD zu einem ersten Gespräch im winterlichen Berlin, um die Chancen einer Regierungsbildung (Große Koalition, Minderheitsregierung) auszuloten. Am Ende könnte SPD-Chef Schulz also Merkel (dem „Ideenstaubsauger“) zu ihrer vierten Kanzlerschaft verhelfen. Das ist nicht frei von Ironie.

Sondierungen im Jänner?

Aber der Weg dorthin ist mühsam. Das gestrige Sechsertreffen von Merkel, Schulz, CSU-Chef Horst Seehofer den Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder (CDU), Andrea Nahles (SPD) sowie CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sollte ein erstes Abtasten sein. Eine „Vorsondierung“. Nicht mehr. Der weitere Fahrplan: Über die Aufnahme von Sondierungsgesprächen, die voraussichtlich Anfang Jänner starten würden, soll der SPD-Vorstand an diesem Freitag entscheiden. Für Stufe drei, die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen zum Beispiel, muss ein Parteitag grünes Licht geben, der laut „Bild“ am 12./13. Jänner stattfinden könnte. Bis dahin müssen die GroKo-Skeptiker an der Basis also besänftigt werden.

Die SPD-Spitze hat daher vor Weihnachten eine lange Wunschliste an die Union formuliert. Wirklich brenzlig könnte es etwa bei der geforderten Einführung einer Bürgerversicherung werden. In Deutschland können sich Besserverdiener, Beamte und Selbstständige privat statt gesetzlich versichern lassen. Das sorge für eine Zwei-Klassen-Medizin, moniert die SPD. Künftig sollen daher, etwas vereinfacht, alle neuen Versicherten in denselben Topf einzahlen. Die Idee einer Bürgerversicherung habe „keine Chance“, sagte Armin Laschet, CDU-Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen.

Die Stimmung drückte auch der Vorschlag der SPD eine „KoKo“ (Kooperations-Koalition) anzudenken – ein Zwischending aus einer Minderheitsregierung und einer echten Großen Koalition (GroKo). Die SPD würde danach zwar Ministerämter besetzen und Kernprojekte wie den Bundeshaushalt mit der Union umsetzen, für andere Themen müssten Mehrheiten gesucht werden. Die SPD wäre nicht an die Union gekettet, sie könnte zwischen Regierung und Oppositionsrolle changieren.

Der Basis dürfte das gefallen. Die Union irritiert es. „Eine KoKo ist ein No-Go“, reimte Dobrindt - „entweder ganz oder gar nicht“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.12.2017)

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