„Erlkönig“ als Kammeroper

Die britische Mezzosopranistin Alice Coote sang Lieder von Schubert, Elgar, Poulenc und Reynaldo Hahn.

Am Dienstagabend hatten Gesangsliebhaber im Wiener Konzerthaus die Qual der Wahl: Im Großen Saal traten Rolando Villazón und Ildar Abdrazakov auf, im Mozartsaal sang die britische Mezzosopranistin Alice Coote Schubert-Lieder sowie Kleinode von Edward Elgar, Francis Poulenc und Reynaldo Hahn. Wer sich für den Liederabend entschied, wurde mit einer Schubert-Interpretation belohnt, die ihresgleichen sucht. Coote sang nicht nur außergewöhnlich textdeutlich – besonders für eine Nichtmuttersprachlerin –, sie hatte für jedes Lied die passenden Nuancierungen parat.

„Im Frühling“ und vor allem „An Silvia“ boten ihr Gelegenheit, das Volumen ihrer Stimme zu präsentieren; auch die Leichtigkeit, mit der sie Sprünge bewältigte, fiel auf. „Nacht und Träume“ begann sie fast mit geschlossenem Mund und ließ es anschwellen, sodass es zur maximalen Geltung kam, ebenso steigerte sie „Abendstern“ in der Dramatik bis nahe zum Frivolen. Bei „Lachen und Weinen“ bewies sie ihr schauspielerisches Talents, dosierte aber auch hier gekonnt. Zur kleinen Kammeroper machte sie den „Erlkönig“: Sie interpretierte ihn wirklich als Gespräch der Personen, ihr Erlkönig war hoch verführerisch, das Kind besonders ängstlich, der Vater ungläubig-souverän. Das Lied steigerte sich bis zum fast stimmlosen „tot“, das einem kaum hörbaren Todesstoß glich.

Zwiespältig dann nach der Pause. Mit Edward Elgars „Sea Pictures“, einem abwechslungsreichen Zyklus von mystisch-rätselhaften maritimen Episoden, beschwor Coote eine teils ernste, teils dramatische Stimmung. Vor allem „The Swimmer“ gestaltete sie als kleine Geschichte, in die sie viel Emotion legen konnte. Mit Poulencs „Voyage à Paris“ und „Hotel S“ sowie „Les chemins de l'amour“ zeigte Coote jedoch, dass sie auch mit charmant-beschwingter, an U-Musik erinnernder, gleichfalls hoch anspruchsvoller Literatur begeistern kann. Die ungewöhnlich kurzen, ungezwungen-eleganten Lieder Reynaldo Hahns, „Fumée“ und „L'heure exquise“, gingen neben jenen von Poulenc fast unter.

Feinsinnig, vielseitig und einfühlsam begleitet wurde Coote an diesem Abend von einem als idealer Partner bekannten Pianisten, Julius Drake. Schade, dass zahlreiche Sessel im Mozartsaal frei blieben. (tst)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.12.2017)

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