Europaweit schlägt jetzt die Stunde der Steuererfinder

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Banken, Finanztransaktionen, Vermögen, Stiftungen – die Schuldenkrise ruft in den finanzknappen EU-Ländern die Steuererfinder auf den Plan. Saniert werden die Budgets aber wohl mit Massensteuern. VON JOSEF URSCHITZ

Wien. Die Defizite explodieren, die Staatsschulden explodieren, und damit haben naturgemäß Steuererfinder Hochsaison. Denn Staatsschuld-Ausweitungen, wie sie 2009 geschahen, heuer geschehen und in den nächsten zwei Jahren geschehen werden, lassen sich durch Einsparungsmaßnahmen allein nicht rückführen. So weit sind sich die Experten jetzt einig.

Es wird also das geschehen, was WKÖ-Präsident Christoph Leitl Montagabend an die Wand gemalt hat: „Man wird uns ins Tascherl greifen.“

Vorerst ist einmal die Finanzbranche dran, wie die jüngst aufgebrochene Diskussion um eine „Bankensteuer“ zeigt. Da gibt es bereits viele, ziemlich unkoordinierte Ideen, wie man die vermeintlichen Verursacher der Krise und die „Reichen“ zur Kasse bitten könnte. Von der Bankensteuer über die Finanztransaktionssteuer bis hin zur stärkeren Besteuerung von Vermögen aller Art.

Alle diese unten aufgelisteten Ideen haben allerdings einen gemeinsamen Pferdefuß: Banken agieren global – und gerade Finanzvermögen sind äußerst mobil.

Eine Bankensteuer hat – ebenso wie die Finanztransaktionssteuer – also nur Sinn, wenn sie zumindest auf EU-Ebene kommt. Das hieße, die Zustimmung von 27 Staaten einzuholen. Denn in der Gemeinschaft herrscht das Einstimmigkeitsprinzip. Kein Wunder, dass EU-Steuerkommissar Laszlo Kovacs „nicht allzu viel darauf verwetten“ würde, dass diese Steuer auf EU-Ebene kommt.

Wenngleich Kovacs zugestehen muss, dass derartige Steuern „sehr populär“ seien. Wer wünscht den Finanzjongleuren in der Krise schließlich nicht die Pest an den Hals?

„Populär“ wären sicher auch die jetzt wieder diskutierten höheren Steuern auf Vermögen und Privatstiftungen. Doch auch hier liegt die Sache reichlich kompliziert. Für den Finanzminister ist es jedenfalls allemal lukrativer, von steuerbegünstigten Stiftungen Steuereinnahmen zu lukrieren als von nicht steuerbegünstigten keine – weil es diese dann nämlich nicht mehr gibt. Und erst die Vermögenssteuer: Zu fassen bekäme man überwiegend Immobilienvermögen. Das führt entweder sofort zu geschmalzenen Mieterhöhungen und einem rasanten Bauernsterben. Außer, man nimmt weitervermietetes Immobilienvermögen (etwa die 200.000 Wohnungen der Gemeinde Wien) sowie landwirtschaftliche Flächen heraus und schafft ausreichende Freibeträge für „Häuslbauer“. Dann schrumpft allerdings das Steuervolumen bis zur Unkenntlichkeit.

Was bleibt, sind Einsparungen (da haben die Steuerbürger nicht nur in Österreich schlechte Erfahrungen gemacht) und Massensteuern wie etwa die Lohnsteuer oder die Mehrwertsteuer. Tatsächlich wird in einigen Ländern schon über Mehrwertsteueranhebungen diskutiert. In Österreich, wo jedes Prozent Mehrwertsteuererhöhung zwei Milliarden bringt, herrscht noch Diskussionsverbot.

1. Erbschafts-, Schenkungs- und Vermögenssteuer

Erst am Dienstag hat sich der Gewerkschaftsbund wieder für eine „Vermögenssteuer auf europäischem Niveau“ stark gemacht. Diese „Reichensteuer“, die laut ÖGB fünf Milliarden Euro brächte, hat allerdings einen entscheidenden Nachteil: Bewegliche Vermögen könnten ohne Probleme „flüchten“, übrig blieben die unbeweglichen, also vor allem Grund und Boden. Das würde auf der Stelle beispielsweise Mieten verteuern – und damit nicht unbedingt die „Reichen“ treffen. Eine Wiedereinführung der vor ein paar Jahren abgeschafften Erbschafts- und Schenkungssteuer steht derzeit nicht zur Diskussion.

2. Besteuerung aller internationalen Finanztransaktionen

Die sogenannte „Tobin Tax“ hat in Österreich nicht nur im SPÖ-Lager Anhänger, auch der ökosoziale Flügel der ÖVP wirft sich dafür in die Bresche. Auf EU-Ebene scheint es immer stärker in Richtung Einführung zu gehen. Die Finanztransaktionssteuer würde alle grenzüberschreitenden Finanztransaktionen mit einer kleinen Abgabe (0,01 bis 0,1 Prozent) belegen. Damit ließen sich internationale Spekulationen zwar kaum verhindern, die Einnahmen wären aber beträchtlich. Allerdings: Die Steuer geht nur international (zumindest auf EU-Ebene) und führt zu einer Abwanderung von Finanzzentren in andere Regionen.

3. Steuer auf Vermögenszuwächse, längere Spekulationsfristen

Eine generelle Steuer auf Vermögenszuwächse aus Finanzgeschäften und eine längere Spekulationsfrist bei Aktiengeschäften (derzeit sind Aktienkursgewinne nach einem Jahr Behaltefrist steuerfrei) würden in der Bevölkerung zwar breite Zustimmung finden, sind für den Finanzminister aber schwer zu kalkulieren: Bei einer generellen Zuwachssteuer müssten den realisierten Gewinnen realisierte Verluste gegengerechnet werden dürfen – womit in Krisenjahren wie 2009 wohl kaum jemand Steuer zahlen würde. Eine generelle Verlängerung der Spekulationsfrist gilt aber als relativ wahrscheinlich.

4. Stärkere Besteuerung der heimischen Privatstiftungen

Stiftungen genießen unbestritten Steuervorteile (beispielsweise halbierter Steuersatz für nicht entnommene Vermögenszuwächse und Steuerfreiheit für gewisse Finanztransaktionen) und bieten sich für Freunde der „Reichensteuer“ als „Watschenmann“ geradezu an. Allerdings: Deutlich höhere Stiftungssteuern wären wohl ein aufgelegtes Eigentor für den Finanzminister: Es gibt nichts beweglicheres als große Vermögen. Und es gibt genug Möglichkeiten, diese auch außerhalb Österreichs – und damit außerhalb des „Zugriffs“ unserer Finanzbehörden – zu vermehren. Das kann wohl nicht im Sinne des Erfinders sein.

5. Mehrwertsteuer, Lohnsteuer, Einkommensteuer

Das ist, auch wenn das noch niemand sagen will, der Bereich, wo europaweit die Musik spielen wird. Massensteuern mit hohen Volumina, wo jedes Prozent gleich ordentlich in der Kasse klingelt. Diese Steuern sind zwar extrem unpopulär, weshalb auch noch de facto Diskussionsverbot herrscht. Aber das Diktat der leeren Kassen wird das bald ändern. Zumal die Alternative – Einsparungen von fünf bis zehn Milliarden Euro allein in Österreich – hierzulande schon wegen der Feinheiten des heimischen Föderalismus und der besonderen Machtverhältnisse zwischen Bund und Ländern nicht durchzubringen ist.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.01.2010)

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