Hektik in den letzten Stunden, Debatten mit den Länderchefs und am Ende etliche Überraschungen: Die türkisen Minister sind allesamt neu in der Regierung. Manche standen schon längst fest, andere wurden erst kurzfristig bestimmt. Zum Leidwesen einiger, die sich noch Hoffnungen gemacht hatten.
Aus den schönen Bildern mit Blick über Wien wurde letztlich nichts. Die FPÖ hatte Parteivorstand und Präsidium angesetzt, die sich länger hinzogen, sodass es schon dämmerte, als Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache auf dem Kahlenberg vor die Presse traten, um Personen und Programm vorzustellen.
In seinem erst recht kurzen politischen Leben hat Sebastian Kurz schon einige Rollen gespielt oder spielen müssen. Zunächst war er der ambitionierte, mitunter spätpubertäre (Stichwort „Geilomobil“) Chef der Jungen Volkspartei, danach ein durchaus verbindender Staatssekretär für Integration, der seine anfangs zahlreichen Kritiker schnell eines Besseren belehrte. Nach der Nationalratswahl 2013 brachte Kurz dann den Außenminister auf die Bühne, interpretierte ihn konsequent bis hart, widersetzte sich in der Flüchtlingskrise dem Mainstream und profilierte sich als Anti-These zu Angela Merkel. Als Kanzler wird sich der 31-Jährige zum vierten Mal neu erfinden müssen – und möglicherweise steht ihm hier ausgerechnet Merkel Modell. Denn: Kurz scheint einen eher pragmatischen Zugang gewählt zu haben, mit einer Politik der kleinen Schritte, die möglichst wenige Wähler und Interessengruppen vergrault (bei den Rauchgegnern ist es allerdings schon zu spät). Eine Politik also, wie sie Merkel vorexerziert hat. Zumindest bis zur Flüchtlingskrise. APA/HELMUT FOHRINGER
Heinz-Christian Strache hat die Rolle des Oppositionspolitikers perfekt gespielt: Mit gezielten Angriffen gegen die Regierung und Versprechungen an seine Klientel konnte er das Wählerpotenzial der FPÖ gut ausschöpfen. Zumindest das mit den Versprechungen wird ab jetzt nicht mehr so gut funktionieren – schließlich ist er ja in der Funktion, sie umsetzen zu müssen: Zusätzliche Sozialleistungen, Steuersenkungen und ein Nulldefizit gleichzeitig werden nicht gehen. Ein angriffiger Stil gegenüber dem Koalitionspartner wäre prinzipiell möglich, würde aber die Koalition gefährden. Strache wird also nicht erspart bleiben, das zu machen, was alle Regierungspolitiker machen müssen: Nicht nur Erfolge verkaufen, sondern auch unangenehme Entscheidungen verkünden, die einen Teil der eigenen Klientel verärgern, Kompromisse aushandeln und diese auch vertreten, auch wenn sie der eigenen Wählerschaft nicht gefallen. Ob er das genauso gut kann wie Oppositionspolitik zu machen, wird sich erst zeigen. REUTERS
"Es blümelt" künftig im Kanzleramt. Mit dem bisherigen Wiener ÖVP-Chef Gernot Blümel holt Kurz einen seiner engsten Vertrauen zu sich als Kanzleramtsminister. Dort soll der frühere Generalsekretär der Volkspartei auch einen Image-Gewinn für die Wiener Volkspartei, deren Vorsitzender er seit zwei Jahren ist, lukrieren. Blümel ist einer der größer werdenden Riege junger Männer, die in den vergangenen Jahren langsam aber sicher die Macht in der Volkspartei an sich zog. Seine Karriere startete der gebürtige Wiener, der in Niederösterreich aufwuchs, in der Jungen ÖVP, deren Internationaler Sekretär der graduierte Philosophie- und Wirtschaftsstudent ab 2006 war. Später wurde er sogar Vizepräsident der Jungen Europäischen Volkspartei. Wie bei Kurz war auch bei Blümel Michael Spindelegger der entscheidende Förderer. Dieser machte ihn als Zweiter Nationalratspräsident zu seinem Sekretär und nahm ihn später auch ins Außenministerium uns Vizekanzleramt mit. Eher überraschend kam, als Spindelegger Ende 2013 den weithin unbekannten Blümel dann auch noch zum Generalsekretär machte. Seit Oktober 2015 ist er Obmann der Wiener Volkspartei. APA/HANS PUNZ
Norbert Hofer wird Infrastrukturminister, an sich ein Wunschjob für den Flugtechniker, wäre er vor gut einem Jahr nicht knapp am höchsten Amt im Staat vorbeigerauscht. Die Hofburgkandidatur hat den Burgenländer zu einem der bekanntesten Politiker des Landes gemacht. Zwar hat er sich in der Kampagne eine treue Fan-Basis aufgebaut, doch ist das Image des freundlichen Blauen ein wenig verwelkt. Gehen es freiheitliche Politiker in der Regel öffentlich eher resch an, ist Hofer ganz anders geartet. Stets fröhlich mit sanfter Stimme ist er immer für ein kleines Scherzchen zu haben. Selbst Journalisten, denen Freiheitliche selten allzu wohl gesonnen sind, geht Hofer offen entgegen. Dass er auch anders kann, verbirgt er selbst gar nicht. Unangenehme Personalia in der FPÖ wie Parteiausschlüsse exekutierte er ungerührt im Namen seines Parteichefs und auch bei diversen Wahlkampf-Auseinandersetzungen zeigte Hofer, dass er auch anders kann. Zynisch und polemisch attackierte er seinen Kontrahenten Alexander Van der Bellen und sein bedrohlicher Satz, wonach man noch sehen werde, was alles möglich sei, dürfte ihn letztlich sogar die Präsidentschaft gekostet haben. APA/HANS PUNZ
Hartwig Löger. Einen politischen Quereinsteiger macht der künftige Kanzler Kurz zum Finanzminister, nachdem im Wunsch-Kandidatin Bettina Glatz-Kremsner abgesagt hat. UNIQA-Chef Hartwig Löger (52) wird die schwarz-blauen Budgets verhandeln und Mittel und Wege zur Steuersenkung finden müssen. Löger wollte eigentlich Pilot werden, scheiterte an einer Verletzung, kam zufällig in die Versicherungsbranche und machte dort Karriere. In der Innenpolitik fiel Löger bisher nicht auf - aber in der Sportpolitik, und die dürfte ihm zur Ministerehre verholfen haben: 2014 löste Löger den Wirtschaftsbund-Generalsekretär Peter Haubner als Präsident der Sportunion ab. Das ist einer der drei großen Breitensport-Dachverbände - den Statuten nach parteiunabhängig, aber von den Spitzenfunktionären her fest in ÖVP-Hand. GEPA pictures
Als steirischer Landesparteichef und Oppositionspolitiker warnte Mario Kunasek auf der Bühne also vor „Asylschwindlern“, fordert auf Facebook ein klares „Ja zum Krampus“ und erwähnt eher nebenbei in einem Interview, dass zur FPÖ „eben auch ein deutschnationaler Flügel“ gehöre. Die Hymne singt er ohne Töchter. Und gegenüber seinem Parteichef verhält er sich ohnehin ausnahmslos loyal. Das war jedenfalls bis jetzt sein Anforderungsprofil. Als Verteidigungsminister wird er allerdings in eine andere Rolle schlüpfen müssen. Bald wird der Unteroffizier nicht mehr Befehle erhalten. Er wird sie auch selbst geben. Zumindest ansatzweise hat Kunasek für seine neue Funktion schon geübt. Denn wenn es weniger um Parteipolitik, sondern um sein Fachbereich geht, kann Kunasek ganz anders. Vor allem im Parlament, in dem er zwischen 2008 und 2015 saß, fiel er als pragmatischer und kooperativer Abgeordneter auf. „Für einen Freiheitlichen“, wie es Beobachter formulieren. Der ehemalige Verteidigungsminister Gerald Klug lobt rückblickend sogar die „aufrichtige, wertschätzende Zusammenarbeit“. Auch wenn Kunasek ein logischer Anwärter für den Posten im Verteidigungsressort war – sein expliziter Wunsch soll es nicht gewesen sein. Das eigentliche Ziel des 41-Jährigen war (und ist es womöglich noch immer) der Landeshauptmannsessel in der Steiermark. Die Presse
Keine zwei Monate ist es her, dass Margarete Schramböck im Streit - zwei Tage nach der Nationalratswahl - die Telekom verließ, nun hat die IT- und Telekommunikationsmanagerin einen neuen Job, der sie noch eine Stufe höher bringt. Die frühere A1-Chefin wird als Überraschungskandidatin Ministerin für Wirtschaft und Digitales. Sie gilt als Vertraute der niederösterreichischen Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP). In der Tiroler ÖVP wird sie als "Tiroler Minister-Beitrag" zur neuen Regierung bewertet. Schramböck galt lange als Vorzeigemanagerin. Die 1970 in St. Johann in Tirol geborene IT-Expertin hatte vor ihrem Engagement bei der Telekom Erfahrungen in Führungsfunktionen bei Alcatel, NextiraOne und Dimension Data Austria gesammelt. (c) Die Presse (Clemens Fabry)
Herbert Kickl. Seit zwölf Jahren ist Herbert Kickl nun schon Generalsekretär der FPÖ, er ist ihr Vordenker und Nachdenker, ihr Chefstratege, Chefideologe, Chefwerbetexter und in allen diesen Funktionen immer auch Chef-Regierungskritiker (wiewohl seine Texte mitunter von Heinz-Christian Strache vorgetragen werden). So. Und jetzt soll Herbert Kickl selbst (mit-)regieren – als Innenminister. Wenn es denn so kommt (und danach sieht es aus), ist das der radikalste Rollentausch dieser Regierungsbildung und einer, der innenpolitisch entscheidend sein wird. Zumal sich vor allem im Bereich der Inneren Sicherheit zeigen wird, ob die FPÖ in der Lage ist, ihre langjährigen Versprechen in konkrete Politik zu übersetzen. Also ob Kickls „Daham statt Islam“-Rhetorik der Realität standhält. Gelingt ihm das, wird zweitrangig sein, wer die Partei nach ihm als Generalsekretär lenkt. Wahrscheinlich wird Kickl das ohnehin selber machen, inoffiziellerweise natürlich, aus dem Innenministerium. So gesehen tauscht er die Rolle nicht, er bekommt eine dazu. Die Presse
Heinz Faßmann. Das Bildungsressort wandert in die Hände eines Universitätsprofessors. Heinz Faßmann, gebürtiger Deutscher und Sebastian Kurz' Paradeexperte, übernimmt das Mega-Ressort. Kurz ließ sich von Faßmann beraten, seit er im Alter von 24 Jahren das Integrationsstaatssekretariat übernahm. Bis heute gilt er bei Migrationals jener Mann, auf den Kurz hört. Längst zum Vorsitzenden des Integrationsbeirats geworden, vermied es Faßmann lange Zeit, allzu politische Aussagen zu tätigen. Vielmehr bemühte er sich, Fakten in den Vordergrund zu schieben. Die Interpretation überließ er meist lieber der Politik - freilich mit Ausreißern. So trat Fassmann dafür ein, Eltern, die Kinder am Schulbesuch hindern, mit Sanktionen zu versehen. Auch warb er dafür, Lehrerinnen das Kopftuch zu verbieten. APA/HANS KLAUS TECHT
Karin Kneissl. Sie ist Rampenlicht gewohnt. Als Nahost-Spezialistin wurde Karin Kneissl im Fernsehen interviewt, trat in Podiumsdiskussionen auf und teilte ihr Wissen in Büchern mit einem breiten Publikum. In der Rolle der Außenministerin erhält sie nun die Möglichkeit, ihre – journalistischen – Analysen in konkrete Sachpolitik zu gießen. Als Politikerin wird Kneissl zudem auch immer wieder mit massiver Kritik konfrontiert werden – die auch immer wieder unfair sein kann. Inwieweit sie damit umgehen kann, wird sich zeigen. Zuletzt etwa ging Kneissl juristisch gegen die frühere „Kurier“-Außenpolitikchefin und Autorin Livia Klingl vor. Klingl hatte sich auf Facebook abschätzig über die frühere Zusammenarbeit mit Kneissl geäußert. Kneissl verlangte einen Widerruf, den Klingl auf Facebook veröffentlichte: „Ich habe im November 2017 die falsche Behauptung verbreitet, ich hätte Dr. Karin Kneissl wegen ,Unfähigkeit‘ nicht weiter beschäftigen können. Ich widerrufe hiermit diese Behauptung.“ Klingl will sich auf Anfrage zu der Causa nicht äußern.
EU-Parlament, ÖVP-Zentrale, Nationalratspräsidium und nun Ministerin: Elisabeth Köstinger (38) klettert auf der politischen Karriereleiter weiter nach oben. Am Montag soll die enge Vertraute von ÖVP-Chef Sebastian Kurz als Ministerin für Nachhaltigkeit, sprich Landwirtschaft und Umwelt, sowie Tourismus angelobt werden. Der Wechsel ins Regierungsamt wird wohl von einiger Kritik begleitet werden, übernahm Köstinger doch erst am 9. November das Amt der Nationalratspräsidentin. Ihren Posten wird nun voraussichtlich Wolfgang Sobotka übernehmen. Der Wechsel ins Landwirtschafts- und Umweltministerium ist für Köstinger eine thematische Heimkehr: Lange war sie das junge, weibliche Gesicht des Bauernbundes. Den Einzug ins EU-Parlament nach Brüssel beziehungsweise Straßburg schaffte die Bauernbündlerin erstmals 2009 und erneut 2014. In der Partei übte die 38-Jährige gleich mehrere hochrangige Funktionen aus. Sie war eine der Stellvertreterinnen des zurückgetretenen Obmanns Reinhold Mitterlehner. Im Mai 2017 übernahm sie bis zu ihrer Wahl ins Nationalratspräsidium den Posten des ÖVP-Generalsekretärin und zählte zum engsten Führungskreis um Kurz. Auch im Nationalratswahlkampf war sie stets vorne mit dabei. APA/GEORG HOCHMUTH
Beate Hartinger wird Sozialministerin. In den letzten Jahren hat man wenig von der Gesundheitsexpertin gehört. Doch Hartinger ist eng mit der Politik verwurzelt. In Zeiten von Schwarz-Blau I war die damalige steirische Nationalratsabgeordnete für etliche Spitzenjobs im Gespräch. Geklappt hat es 2003: Da wurde sie stellvertretende Generaldirektorin des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger. In dem Bereich kennt sie sich aus. Hartinger war Controllerin bei der steirischen Krankenanstaltengesellschaft ehe sie 1996 für die FPÖ in den Landtag und später in den Nationalrat einzog. Dort forderte sie die Zusammenlegung der Gebietskrankenkassen – ein Vorhaben, das sie jetzt als Ministerin umsetzen kann. Im damaligen FPÖ-internen Konflikt hat sich Hartinger klar positioniert: Sie war eine der Teilnehmerinnen am Treffen in Knittelfeld, das das Ende der ersten schwarz-blauen Regierung im Jahr 2002 einleitete und die freiheitliche Partei in eine tiefe Krise stürzte. Im Hauptverband war Hartinger bis 2009 als deklarierte FPÖ-Politikerin in einem schwierigen Umfeld tätig, handelt es sich doch um eine typische rot-schwarz aufgeteilte Sozialpartner-Organisation. Trotzdem erinnert man sich heute noch an die frühere Vize-Chefin als eine, die unbestreitbar eine hohe sachliche Kompetenz sowohl im Gesundheits-, als auch im Pensionsbereich gehabt habe. Die hohe Kompetenz wird Beate Hartinger als Ministerin ebenso brauchen, wie Durchsetzungskraft: Sieht doch das Koalitionsabkommen von ÖVP und FPÖ tiefgreifende Einschnitte in die Strukturen der Sozialversicherungen vor.
Vor gut einem Jahr hat sie an der TU Graz ein Programm für Forscherinnen in Führungspositionen abgeschlossen – nun ist es so weit: Juliane Bogner-Strauß (46) wird für die Volkspartei Ministerin für Frauen, Familie und Jugend. Sie gehört damit zu den echten politischen Aufsteigerinnen der vergangenen Monate. Eben erst ist die steirische Molekularbiologin, deren Name erst in den vergangenen Tagen im schwarz-blauen Personalkarussell auftauchte, als Quereinsteigerin zu einem ÖVP-Mandat im Nationalrat gekommen. Bevor die Tochter einer Weinbauernfamilie vom steirischen ÖVP-Landesparteichef Hermann Schützenhöfer diesen Sommer als Überraschungskandidatin auf Platz drei der Landesliste vorgestellt wurde, war sie politisch nicht aufgefallen. Im Wahlkampf sprach sich Bogner-Strauß so wie Parteichef Sebastian Kurz mit dem Argument der Massenfächer für Studiengebühren und für Zugangsbeschränkungen an den Universitäten aus, in Wahlbroschüren forderte sie eine ausgezeichnete Lehre und Forschung an den Unis, die auch der Wirtschaft zugute kommen sollte: offenbar ihr eigentliches Thema. (c) BARBARA GINDL / APA / picturedes (BARBARA GINDL)
Hubert Fuchs. Seinen 49. Geburtstag Anfang Jänner wird der bisherige Nationalratsabgeordnete bereits als Staatssekretär feiern können. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache schickt den Steuerberater Hubert Fuchs als Staatssekretär in das Finanzministerium. Schon bei den nun zu Ende gegangenenKoalitionsverhandlungen hat er eine nicht unwichtige Rolle gespielt. Fuchs war mit ÖVP-Vizeparteichefin Bettina Glatz-Kremsner für den Bereich Standort verantwortlich. In den anderen Parteien gilt der bisherige stellvertretende Obmann des Finanzausschusses als steuerrechtliche Kapazität. Bei den Angaben des Nationalrats über die Nebeneinkünfte von Abgeordneten rangiert der vielfache Lehrbeauftragte und Autor bzw. Herausgeber von Fachpublikationen in der Kategorie über 10.000 Euro brutto monatlich.Im Parlament sitzt Fuchs erst seit vier Jahren. Bundespräsident Alexander Van der Bellen kennt ihn daher noch nicht. Dabei verbindet die beiden etwas: Van der Bellen ist Oberbefehlshaber des Bundesheeres, Fuchs Milizoffizier. HELMUT FOHRINGER / APA / picture
Als Josef Moser Mitte August im Wahlkampf von Sebastian Kurz als einer der vielen Quereinsteiger auf seiner Kandidatenliste präsentiert wurde, war allen klar: Mit dem 61-jährigen früheren Präsidenten des Rechnungshofes ist dem ÖVP-Chef ein besonderer Coup gelungen. Schon damals galt er als heißer Kandidat für ein Ministerium. Nun soll er ab Montag nach der Angelobung durch Bundespräsident Alexander Van der Bellen das Ressort für Justiz und Verwaltungsreform anführen. Der bis heute parteifrei gebliebene Osttiroler hat unter dem damaligen FPÖ-Chef Jörg Haider eine beachtliche Karriere gemacht. Er wurde im Jahr 1991 dessen Büroleiter in Kärnten und war immerhin eine turbulente innenpolitische Dekade, inklusive FPÖ-Regierungsbeteiligung, nämlich zwischen 1992 und 2002, Klubdirektor der Freiheitlichen im Nationalrat. Moser erschien daher für das Bestreben von Kurz, für freiheitliche Wähler beim Urnengang am 15. Oktober möglichst attraktiv zu sein, ein überaus geeigneter Kandidat. (c) APA/HELMUT FOHRINGER (HELMUT FOHRINGER)
Die Salzburger Juristin Karoline Edtstadler (36) wird Staatssekretärin im Innenministerium und damit "Aufpasserin" für den künftigen blauen Innenminister Herbert Kickl. Auf diese Funktion und Aufgabe soll vor allem Bundespräsident Alexander Van der Bellen gedrängt haben. Als "resolut und streng im Gerichtssaal" sowie "freundlich und kommunikativ im persönlichen Gespräch" wird Edtstadler in ihrer Heimat beschrieben. Für einiges mediales Aufsehen sorgte 2010 ein Fall, in dem Edtstadler ein bis dahin unbescholtenes Brüderpaar zu relativ hohen Strafen verurteilte, weil diese bei einer Demonstration gegen die Asylpolitik der damaligen ÖVP-Innenministerin Maria Fekter einen Polizisten verletzt haben sollen. Das Oberlandesgericht Linz hob die Verurteilung in wesentlichen Punkten auf, weil das Strafmaß selbst dem Staatsanwalt überzogen erschienen war. Nur Lob hat Landesgerichtspräsident Hans Rathgeb für die Richterin übrig. "Sie war eine ausgesprochen zielorientierte und versierte Richterin". 2014 wechselte Edtstadler als persönliche Referentin ins Kabinett von Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP). Dort war sie in die Reform des Strafgesetzbuches und des Jugendstrafrechts eingebunden. Danach wurde sie Oberstaatsanwältin in der Korruptionsstaatsanwaltschaft, ehe sie im Vorjahr als juristische Mitarbeiterin am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg anheuerte. NEUE VOLKSPARTEI/JAKOB GLASER
Erstmals seit Jahrzehnten erhält die Regierung wieder einen Sprecher. Spitzendiplomat Peter Launsky-Tieffenthal fällt diese schwierige Aufgabe zu. Mit der Neukonstruktion der Informationsarbeit einher geht, dass der Sprecher auch das Pressefoyer nach den Ministerräten halten wird - jeweils unterstützt von ein bis zwei Fachministern. Kurz und Strache werden nur bei besonderen Anlässen selbst vor die Presse treten. Dafür ist ein zweites Launsky-Tieffenthal-Briefing an einem anderen Wochentag geplant. Der 60-jährige Wiener leitete zuletzt die Entwicklungssektion im Außenministerium. Davor war er unter anderem bei der UNO als Unter-Generalsekretär für Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit zuständig. In Österreich kennt man ihn als Sprecher des Außenministeriums in den Jahren 2007 bis 2012. APA/HERBERT NEUBAUER
Einige Ressorts kamen für Wolfgang Sobotka infrage. Jetzt soll er ins Parlament. In der vergangenen Legislaturperiode fiel er – wie formuliert man es am besten – nicht unbedingt für seine vornehme Zurückhaltung und diplomatische Vorgangsweise auf. Im Gegenteil. Beinahe wöchentlich lud der Innenminister Journalisten in sein Büro, um mit einer Gesetzesidee vorzupreschen oder den Koalitionspartner zu provozieren. Wobei das eine meist mit dem anderen zusammenhing. Dass er den Job im Innenressort in der neuen Regierung nicht behalten wird, war allerdings recht schnell klar. Die Freiheitlichen machten das Ministerium zur Koalitionsbedingung, aber Sobotka brauchte sich keine allzu großen Sorgen zu machen. Dass er eine Funktion erhalten werde, war so gut wie fix. Die Frage war nur: welche? Oder, wie es Sobotka selbst noch am Freitagvormittag formulierte: „Das Gansl wird erst in den letzten fünf Minuten knusprig.“ Zuletzt war er dann doch als Nationalratspräsident vorgesehen. Also mehr dirigieren, weniger provozieren. APA/HERBERT PFARRHOFER
ÖVP: 7 Minister plus 1 Staatssekretärin Bundeskanzler: Sebastian KurzKanzleramtsminister für EU, Medien, Kunst und Kultur: Gernot BlümelFinanzen: Hartwig LögerWirtschaft: Margarete SchramböckBildung, Universitäten, Kindergärten: Heinz FaßmannFrauen und Familie: Juliane Bogner-StraußJustiz und Staatsreform: Josef MoserLandwirtschaft und Umwelt: Elisabeth KöstingerStaatssekretärin im Innenministerium: Karoline Edtstadler FPÖ: 6 Minister plus 1 Staatssekretär Vizekanzler und Minister für Beamte, Sport: Heinz-Christian StracheInneres: Herbert KicklVerteidigung: Mario KunasekInfrastruktur und Verkehr: Norbert HoferSoziales und Gesundheit: Beate HartingerÄußeres: Karin KneisslStaatssekretär im Finanzministerium: Hubert Fuchs Die Presse
Ministerliste: Das Kabinett der Regierungs-Neulinge
Kurz bedankte sich bei seinem Vorstand und dem Bundespräsidenten für das Vertrauen. Und auch ein kleiner Seitenhieb ging sich aus: Im Gegensatz zu Ländern wie Deutschland habe man hierzulande die Gespräche zügig abgeschlossen. Überhaupt solle Österreich wieder das „bessere Deutschland“ werden als das es zur Zeit der Regierung Schüssel gegolten habe. Heinz-Christian Strache wiederum hob die menschlichen Qualitäten von Sebastian Kurz hervor und setzte dann zu einem längerem Monolog über Personen und Programm aus seiner Sicht an.
Am Vorabend war es die ÖVP gewesen, die länger gebraucht hatte. Wegen ihrer Personalia. Die größte Überraschung war wohl die Kür von Hartwig Löger zum Finanzminister. Gerüchte, dass sursprünglich Uniqa-Group-Chef Andreas Brandstetter gefragt worden sei und dieser dann auf Uniqa-Österreich-Chef Hartwig Löger verwiesen habe, wurden in der ÖVP nicht bestätigt. Vielmehr sollen Sebastian Kurz, insbesondere aber ÖVP-Wien-Chef Gernot Blümel, immer wieder mit Löger zu tun gehabt haben und von ihm sehr angetan gewesen sein. Er war jedenfalls stets im engeren Personalpool für das Ressort.
Wunschkandidatin von Sebastian Kurz war allerdings Casinos-Austria-Vorstand Bettina Glatz-Kremsner. Doch diese sagte ab. Angefragt wurde dann auch der Ökonom Gottfried Haber. Auch er soll dem Vernehmen nach abgesagt haben. So fiel die Wahl auf Löger. „Wir hatten für jede Position immer zwei Personen, die die Bereitschaft bekundet hatten, das jeweilige Amt zu übernehmen, wenn es ernst wird“, sagt einer aus dem ÖVP-Team.
Die letzten Stunden vor der Verkündigung der schwarz-blauen Einigung am Freitagabend waren hektisch verlaufen. Das Programm war zu diesem Zeitpunkt bereits akkordiert. „Von der ÖVP ist immer wieder wer rausgelaufen, um zu telefonieren“, erzählen Freiheitliche. Laut ÖVP-Darstellung habe es noch Diskussionsbedarf mit den Landesparteichefs gegeben. Diese waren von Kurz erst relativ spät in die Personalvorstellungen eingebunden worden – auch um zu verhindern, dass diese vorab an die Medien sickern.
Im Fall des neuen Bildungsministers Heinz Faßmann ist das jedenfalls hervorragend gelungen. Als einer der engeren Vertrauten und Ratgeber von Sebastian Kurz eigentlich eine logische Wahl, hatte ihn niemand auf der Ministerliste. Dabei war Faßmann – angeblich – von Anfang an gesetzt.
Rupprechters Aus. Das war eigentlich auch Andrä Rupprechter. Als ihm Kira Grünberg als Tiroler Spitzenkandidatin vorgezogen wurde, hatte ihm Kurz versprochen, dass er dafür auf jeden Fall Landwirtschaftsminister bleibe. Freitag abend erfuhr Rupprechter dann, dass dem doch nicht so sein werde. Ob er dafür den EU-Kommissar in Aussicht gestellt bekam, weiß man nicht.
Dies hat auch mit Wolfgang Sobotka zu tun. Der bisherige, von Kurz geschätzte, von nicht wenigen gefürchtete Innenminister hat intern deutlich zu verstehen gegeben, dass, wenn Rupprechter bleibe, auch er bleiben wolle. Denn wenn man schon dem Prinzip Erneuerung Rechnung tragen wolle, dann sollten alle bisherigen Minister gehen. Sobotka wird nun immerhin Nationalratspräsident. Rupprechter einfacher Abgeordneter.
Volkspartei und Freiheitliche haben sich auf ein Arbeitsprogramm für die kommende Legislaturperiode (2017 bis 2022) verständigt. "Zusammen. Für unser Österreich" lautet der Titel des 182 Seiten umfassenden Koalitionspaktes, der sich in fünf große Kapitel gliedert: 1) Staat und Europa2) Ordnung und Sicherheit3) Zukunft und Gesellschaft4) Fairness und Gerechtigkeit5) Standort und Nachhaltigkeit Die "Presse" gibt einen Überblick über die wichtigsten Punkte. (c) APA
Geschaffen wird ein "Familienbonus Plus". Dieser kommt in Form eines Abzugsbetrages von 1500 Euro pro Kind und Jahr. Der Abzugsbetrag steht bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres zu, sofern Anspruch auf Familienbeihilfe besteht und das Kind in Österreich lebt. Im Gegenzug erfolgt die Streichung des Kinderfreibetrages (440 bzw. je 300 Euro, wenn beide Eltern geltend machen) und der Absetzbarkeit der Kinderbetreuungskosten (bis zu 2300 Euro pro Kind und Jahr). Der "Familienbonus Plus" ist nicht negativsteuerfähig. Um das Schaffen eines Eigenheimes zu erleichtern, sollen staatliche Gebühren und Steuern im Zusammenhang mit dem Eigentumserwerb wegfallen. Weiters soll der Arbeitslosenversicherungsbeitrag für niedrige Einkommen gesenkt werden. Antragslose Verfahren zum Erhalt von Familienbeihilfe werden ausgebaut. Leben die Kinder im Ausland, soll die beantragte Familienbeihilfe an die jeweiligen Lebenserhaltungskosten der Staaten angepasst werden. (c) Clemens Fabry
Eingeführt wird eine erhöhte Mindestpension von 1200 Euro für Menschen mit 40 Beitragsjahren. Ehepaare erhalten bei 40 Beitragsjahren eines Partners zumindest 1500 Euro. Die Höhe der Pensionen sollen jährlich auf Vorschlag der Pensionskommission angepasst werden. Ein legistisches Mega-Projekt ist die Neukodifizierung des ASVG in verschiedene "Bücher". Neu ist vor allem, dass auch Pflege- und Arbeitslosenversicherungsrecht eingebettet werden sollen. www.BilderBox.com
Etabliert werden soll eine neue Pensionsversicherungsanstalt als erste Säule einer neuen Sozialversicherung, die für alle Pensionen zuständig sein soll. Ein größerer Einschnitt ist eine Ablöse des Berufsschutzes durch einen Einkommensschutz. Eingeführt werden soll auch ein Teilpensionsrecht als Einkommensschutz, wenn ein erlernter und höher bezahlter Beruf auf Grund körperlicher Gebrechen nicht mehr ausgeübt werden kann. "Stufenweise, konsequent und nachhaltig" sollen alle noch verbliebenen Pensionsprivilegien abgeschafft werden. Die Altersteilzeit wird ein Stück zurückgedrängt. Das Zugangsalter soll um zwei Jahre auf 55 für Frauen bzw. 60 für Männer steigen. Die Presse
Die Zahl der Sozialversicherungen soll deutlich reduziert werden. Die derzeit 21 Träger sollen auf maximal vier bis fünf Träger zurückgefahren werden. Außerdem vorgesehen ist eine Lohnnebenkostensenkung um 500 Millionen Euro (Absenkung des Unfallversicherungsbeitrags auf 0,8 Prozent). Die AUVA muss bis Ende 2018 Reformerfolge vorweisen, sonst wird sie aufgelöst. (c) APA
Beim eigentlich für ab Mai 2018 geplanten Rauchverbot in der Gastronomie hat sich die FPÖ durchgesetzt: Die einst von SPÖ und ÖVP beschlossene Regelung wird gekippt. Gäste können daher vorerst weiter in abgetrennten Räumlichkeiten Zigaretten konsumieren. Zugleich wird der Nichtraucherschutz für Jugendliche verstärkt: Erst mit 18 Jahren wird Rauchen genehmigt, Unter-18-Jährige dürfen nicht mehr im Raucherbereich sitzen, fahren sie in einem Auto mit, darf dort ebenfalls nicht geraucht werden. (c) APA
Das aktive Wahlalter bei Betriebsratswahlen soll von 18 auf 16 Jahre gesenkt werden. Verbesserungen plant man im Schulärztesystem, etwa eine anonyme und elektronische Auswertung der schulärztlichen Untersuchungen und die Herausgabe eines jährlichen evidenzbasierten Gesundheitsberichtes auf Basis der schulärztlichen Untersuchungen. Die Kontrollinstrumenten bei Kinder- und Jugendhilfe (z.B. Vier-Augen-Prinzip) sollen ausgebaut werden. Eine Digitalisierung der Schulbuchaktion wird geprüft.
"Menschen, die arbeiten oder jahrelang einen Beitrag für Österreich geleistet haben, sollen finanziell besser gestellt sein als andere, die das nicht tun oder getan haben", heißt es im Koalitionspakt. Konkret bedeutet das die Einführung einer "Mindestsicherung Neu". Pro Familie wird diesemit 1500 Euro gedeckelt. Für Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte wird die Leistung auf 365 Euro Grundleistung sowie einen möglichen Integrationsbonus von 155 Euro reduziert. Anspruch auf Mindestsicherung hat außerdem nur, wer in den vergangenen sechs Jahren mindestens fünf Jahre legal in Österreich gelebt hat. (c) APA
Eingeführt wird eine Arbeits- und Teilhabepflicht für Sozialhilfebezieher ab dem 15. Lebensjahr (bei Bildungsmaßnahmen keine Altersgrenze nach unten). Wird diese Pflicht verletzt kann es zur Kürzung bzw. vollständigen Sperre der Sozialhilfe kommen. Weiters geplant ist ein intensives Coaching und signifikante Kürzungen bei Arbeitsverweigerung oder Schwarzarbeit. Auch gibt es verpflichtende Beratungen zur Rücksiedlung in das Heimat- oder Herkunftsland. (c) APA
Die neue Regierung bekennt sich zur Senkung der Steuer- und Abgabenquote in Richtung 40 Prozent (derzeit 43,2). Das Einkommensteuergesetz soll als "EStG 2020" umfassend reformiert werden - dazu soll zu Jahresbeginn eine "Taskforce" im Finanzministerium eingerichtet werden. Sie soll u.a. dafür sorgen, dass die Lohnverrechnung vereinfacht und zentral vorgenommen wird. Die Prüfer der Finanzämter und der Gebietskrankenkassen werden in einer Prüfbehörde zusammengefasst. In einem zweiten Schritt soll die gesamte Einhebung aller lohnabhängigen Abgaben durch die Finanzverwaltung erfolgen. Die steuerliche Förderung der Altersvorsorge soll "modernisiert" werden. Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen sollen unter dem Begriff "Abzugsfähige Privatausgaben" zusammengeführt werden. (c) Presse
Österreich soll in puncto Tourismus wettbewerbsfähiger werden - und zwar durch die Senkung der Umsatzsteuer aus Übernachtungen von 13 auf zehn Prozent. Bei (Internet-)Bestellungen aus dem EU-Ausland soll ab dem ersten Euro Umsatzsteuer anfallen (bisher unterliegen Bestellungen aus Nicht-EU-Ländern unter 22 Euro nicht der Umsatzsteuer). Als weiteres Ziel wird im Koalitionspakt die Sendung der Körperschaftssteuer (KöSt) ausgegeben. Wie, ist offen. Bagatellsteuern wie die Schaumweinsteuer sollen geprüft werden. Bei der Normverbrauchsabgabe ist ein aufkommensneutraler Systemwechsel mit Fokus auf den Verbrauch anstelle der Motorleistung angeacht. Die NoVA-Befreiung für hochpreisige Kraftfahrzeuge mit Hybridantrieb wird gestrichen. APA/BARBARA GINDL
Im Wirtschaftsbereich wollen ÖVP und FPÖ die unter den Sozialpartnern höchst umstrittene Arbeitszeitflexibilisierung einführen - und die Höchstgrenze der Arbeitszeit auf zwölf Stunden täglich und 60 Stunden wöchentlich anheben. Ein weiterer Kernpunkt: die Entbürokratisierung. Alle neuen Gesetze sollen künftig einem "Bürokratie-Check" unterzogen und bestehende Vorschriften mit dem Ziel einer Reduktion durchforstet werden. Darüber hinaus ist eine Fachkräfteoffensive und die Stärkung der dualen Berufsausbildung geplant. Die Zulassung qualifizierter Arbeitskräfte aus dem Ausland soll "bedarfsorientiert" gestaltet werden. Arbeitszulassung und Zuwanderungsformen will man künftig klarer trennen. Die Rot-Weiß-Rot-Card soll weiterentwickelt werden. Neugestaltet wird das Arbeitslosengeld: Je länger man es bezieht, umso niedriger wird es. Auch die Notstandshilfe soll in diesem neuen Arbeitslosengeld aufgehen.
Bis zum Jahr 2030 soll der gesamte Strom in Österreich aus erneuerbaren Energiequellen stammen. Außerdem will Schwarz-Blau Österreich zu einem Vorreiter in der modernen Umwelttechnologie machen, eine entsprechende nationale Klima- und Energiestrategie soll hierfür noch ausgearbeitet werden. Ziel sei aber jedenfalls, bis 2020 bei den Treibhausgasemissionen ein Minus von 16 Prozent gegenüber 2005 zu erreichen, bis 2030 sollen sie um mindestens 36 Prozent reduziert werden. "Green Jobs" sollen forciert und ein nationaler Aktionsplan für Bioökonomie beschlossen werden. Auf Kohle und Atomkraft soll vollständig verzichtet werden. Die Presse
Geplant ist eine "Beschleunigung von Prüfverfahren bei Infrastrukturprojekten", um Projekte wie die Dritte Start- und Landebahn am Flughafen Wien oder den Wiener Lobau-Tunnel rascher umsetzen zu können. Weiters soll es ein besseres Fördersystem für Elektro-Autos geben sowie steuerliche Anreize für emissionsarmes oder emissionsfreies Fahren. imago/Christian Ohde
Im Bildungsbereich setzt die neue Regierung auf die Einführung einer Bildungspflicht statt der bisher neunjährigen Schulpflicht, neue Leistungsüberprüfungen sowie den Erwerb von Deutschkenntnissen vor dem Eintritt in den Regelunterricht. Realisiert werden soll das zweite verpflichtende Kindergartenjahr - für Kinder mit Sprachproblemen bzw. mit anderen Auffälligkeiten. Im Kindergarten soll es wie schon jetzt Sprachstandsfeststellungen geben - wer es benötigt, soll verbindlich Sprachförderung erhalten. Das Kindergartenpersonal soll höhere Standards für die Aus-, Fort- und Weiterbildung bekommen - insbesondere soll das Leitungspersonal eine tertiäre Ausbildung vorweisen. Kindergärten sollen außerdem einen "verbindlichen Wertekanon" erhalten und die öffentliche Hand "verstärkte Kontroll-und Sanktionsmöglichkeiten" bei etwaigen Verletzungen. (c) Presse
Wie bisher sollen schulpflichtige Kinder, die aber noch nicht schulreif sind, eine Vorschulklasse besuchen. Wer nicht ausreichend Deutsch beherrscht, muss eine "Deutschklasse" absolvieren. Beendet wird die verpflichtende Schullaufbahn nicht mehr wie bisher nach neun Jahren, sondern erst nach Erreichen bestimmter Kernkompetenzen (Lesen, Rechnen, Schreiben, soziale und kreative Kompetenzen). Wer diese nicht aufweist, muss nach Ende der neunten Schulstufe eine Förderklasse besuchen. In Sachen Leistungsbeurteilung gibt es ein Bekenntnis zur fünfteiligen Notenskala von Sehr Gut bis Nicht Genügend. Alternative Beurteilungen können zusätzlich vergeben werden. Die derzeit in diversen Gesetzen (Schulunterrichtsgesetz, Schulorganisationsgesetz etc.) enthaltenen schulrechtlichen Bestimmungen sollen künftig in einem einheitlichen Bundesbildungsgesetz aufgehen. Erhalten bleiben soll die Sonderschule.
ÖVP und FPÖ rücken in ihrem Regierungsprogramm im Kapitel "Europa und Außenpolitik" die Verankerung Österreichs als EU-Mitglied, die Neutralität, die aktive Mitwirkung in internationalen Organisation wie der UNO sowie eine "effiziente Entwicklungszusammenarbeit" ins Zentrum. Österreich werde als "integraler Teil" EU an deren Weiterentwicklung mitwirken und zwar in Richtung eines "Weniger, aber effizienter". Angedacht ist, dass das Parlament eventuell künftig Fragen prüft, ob Maßnahmen auf der bestmöglichen Verwaltungsebene (EU, Nationalstaat, Region, Gemeinde) geregelt sind. Die EU solle sich auf "die wesentlichen, für gemeinsame Lösungen geeigneten Themen" beschränken. Weitere Punkte im Bereich Europapolitik: Für einen Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei sollen Verbündete gesucht werden. (c) APA
Mehr Personal soll es für die Polizei geben. Bis 2019 sollen bis zu 2000 Ausbildungsplätze geschaffen werden. Entwickelt werden soll ein kombinierter Lehrberuf Verwaltungs- und Exekutivlehrling. Beschlossen werden soll ein Sicherheitspaket, mit dem Lücken bei der Überwachung internetbasierter Telekommunikation geschlossen werden sollen. Dabei dürfe es jedoch zu keiner "massenwirksamen Überwachung" kommen. Das Sicherheitspaket soll zudem zeitlich befristet beschlossen und parlamentarisch evaluiert werden. Eingeführt werden soll weiters ein Straftatbestand für nachrichtendienstliche Aktivitäten zum Nachteil von Privatpersonen. Auch wird die Möglichkeit zur Doppelstaatsbürgerschaft für Südtiroler mit deutscher und ladinischer Muttersprache geschaffen. (c) Presse
Als Ersatz für die Vorratsdatenspeicherung soll das Quick Freeze Modell kommen, also anlassbezogene Datenspeicherung in Verdachtsfällen. Und zur Terrorismusbekämpfung sollen staatsanwaltschaftliche Kompetenzen "gebündelt" werden. Asyl soll jenen Menschen für "die Dauer ihrer Verfolgung geboten werden, die Österreichs Hilfe wirklich brauchen". Individuelle Unterbringung für Asylwerber soll künftig nicht mehr möglich sein, zudem werden ausschließlich Sachleistungen zur Verfügung gestellt. Bei Antragsstellung wird den Asylsuchenden ihr Bargeld abgenommen zur Deckung der Grundversorgungskosten. Verkürzt werden sollen im Verfahren die Beschwerdefristen. Wenn eine positive Feststellung von Identitäten nicht möglich ist, kommt es zu einer negativen Feststellung. (c) APA
"Weitere Strafverschärfung bei Gewalt- und Sexualdelikten" ist das vordringlichste Ziel der neuen Regierung im Justizbereich. Verschärft wird auch im Suchtmittelbereich - und zur Verfahrensbeschleunigung wird an Fristen gedacht. Auch an neue Tatbestände wird gedacht - und zwar mit Blick auf illegale Zuwanderer, also nicht nur zu Asylbetrug, sondern auch "Behördentäuschung durch Alterslüge". Bestrafen will Schwarz-Blau auch Gaffer, die bei Verkehrsunfällen Hilfskräfte behindern. (c) www.BilderBox.com (www.BilderBox.com)
Schwarz-Blau will den flächendeckenden Breitbandausbau (zumindest hundert Megabit pro Sekunde) vorantreiben. Bis 2021 soll Österreich Pilotland im Bereich 5G-Ausbau werden. Außerdem plant die Koalition die Einführung eines "Bürger- und Unternehmerkontos", mit dem Amtswege online erledigt werden können. Unter dem Schlagwort "digitale Identität" sollen Bürger Personalausweis, Führerschein und E-Card etwa via Handy-App abrufen können - auf freiwilliger Basis. (c) Presse
Relativ vage bleibt das Regierungsprogramm der ÖVP-FPÖ-Koalition in zentralen Punkten aus dem Bereich Wissenschaft. Geplant sind ein "Zugangsregelungs-Management" sowie "moderate Studienbeiträge". Wie ersteres aussehen soll und wie hoch zweitere sein sollen, steht nicht in dem Papier. Verschärft werden soll offenbar das Studienrecht, die ÖH bekommt strengere Vorgaben. Die Presse
Volksabstimmungen über ein Volksbegehren sollen erst ab 900.000 Unterschriften (rund 14 Prozent der Berechtigten) verpflichtend werden - und auch das erst am Ende der Legislaturperiode, wenn sich die 2/3-Mehrheit findet bzw. nach einer Volksbefragung. 2022 soll die verpflichtende Volksabstimmung beschlossen werden. (c) APA
Es kommt eine Novelle des ORF-Gesetzes, im Frühling soll die Enquete dazu stattfinden. Eine (Teil-)Privatisierung des ORF wird dezidiert abgelehnt. Eher vage sind die Aussagen zu ORF-Gebühren und Medienförderung. Zentral in der "neuen medienpolitischen Standortdebatte" sieht die neue Regierung die Weiterentwicklung und "Schärfung" des öffentlich-rechtlichen Auftrags, den man "im Gesetz genau formulieren will". Wie genau das aussehen wird, bleibt offen. Jedenfalls soll das "ORF-Gesetz NEU" eine "Weiterentwicklung der Strukturen und Gremien" des Öffentlich-rechtlichen bringen. Die unter Schwarz-Blau I errichtete Medienbehörde KommAustria sowie ihr Geschäftsapparat, die RTR, sollen eine "neue Organisationsstruktur" erhalten. Der
"Österreich kann nur frei sein, wenn seine Landwirtschaft imstande ist, die Bevölkerung mit einem Selbstversorgungsgrad von 100 Prozent mit gesunden Lebensmitteln zu versorgen", heißt es im Programm. Geben soll es Exportinitiativen und eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für die bäuerliche Direktvermarktung, sowie eine Absenkung der AMA-Gütesiegel-Lizenzgebühren für kleine bäuerliche Betriebe. Des weiteren vorgesehen ist eine "bessere Absicherung für Land- und Forstwirte". Hohe heimische Standards sollen geschützt werden. Zudem wird die Einrichtung einer Task-Force "Zukunft Landwirtschaft und Lebensräume" angekündigt. Die Presse
Familie, Sicherheit, Rauchen: Der schwarz-blaue Koalitionspakt
Ein aufgewertetes Ministerium bekommt nun dessen Nachfolgerin Elisabeth Köstinger. Die Energie- und Umweltagenden wandern vom Wirtschafts- ins Landwirtschaftsministerium. Was am Samstag im Wirtschaftsressort für beträchtlichen Unmut sorgte. Dafür wird Rupprechters Kabinettschef Michael Esterl nun Kabinettschef der neuen Wirtschaftsministerin Margarethe Schramböck.
Für sie sprach, dass eine namhafte Frau aus der Wirtschaft gesucht wurde. Vor allem das Thema der Gegenwart, die Digitalisierung, lässt sich gut mit Schramböck und ihrem bisherigen Wirken bei der Telekom verbinden und vermitteln. Henrietta Egerth-Stadlhuber, die ebenfalls in der Auswahl stand, wollte von sich aus nicht.
Dementiert wird in der ÖVP, dass Sebastian Kurz eigentlich Josef Moser als Finanzminister wollte, jedoch am Widerstand der Länder gescheitert sei und diesen dann eben zum Justizminister gemacht habe, wobei sonst die Leiterin der Wiener Oberstaatsanwaltschaft, Eva Marek, Justizministerin geworden wäre. Doch das schien eher ein Ablenkungsmanöver gewesen zu sein.
Ernsthaft als Justizministerin im Gespräch war dafür Karoline Edtstadler, die nun Staatssekretärin im Innenministerium wird. Vor allem Bundespräsident Alexander Van der Bellen soll auf einen Aufpasser für den freiheitlichen Innenminister Herbert Kickl gedrängt haben. Die „Karo“ wie sie in der ÖVP genannt wird, ist in der Partei, vor allem in der Kurz-Fraktion, bestens vernetzt. Sie war ÖVP-Gemeinderätin und Kabinettsmitarbeiterin bei Justizminister Wolfgang Brandstetter. Bei der Präsentation auf dem Kahlenberg war sie wie ihre übrigen Regierungskollegen noch nicht mit dabei. Auch nicht Peter Launsky-Tieffenthal, der künftige Regierungssprecher.
Fahrplan
Am Montag will Bundespräsident Alexander Van der Bellen die neuen Regierungsmitglieder angeloben.
Am Dienstag sollen die Minister und Staatssekretäre sich im Parlament den Abgeordneten präsentieren.
Mittwoch steht bereits der erste internationale Auftritt des neuen Kanzlers Sebastian Kurz an: Er wird nach Brüssel fliegen.