Fall Firtasch: Gericht könnte über Auslieferung nach Spanien entscheiden

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Das Oberlandesgericht Wien muss sich am Dienstag mit einem europäischen Haftbefehl aus Spanien gegen den ukrainischen Oligarchen beschäftigen. Letztlich könnte aber der neue Justizminister entscheiden.

Das Oberlandesgericht (OLG) Wien dürfte am Dienstag darüber entscheiden, ob es einer Berufung der Staatsanwaltschaft Wien Recht gibt und der ukrainische Oligarch Dmitri Firtasch nach Spanien ausgeliefert werden darf. Im Februar hatte das OLG demgegenüber dessen Auslieferung in die USA für zulässig erklärt. Die Letztentscheidung wird aber wahrscheinlich erst der neue Justizminister treffen müssen.

Der erwartete Spruch des Oberlandesgerichts, der am Dienstag im Anschluss an eine öffentliche Verhandlung fallen dürfte, wird den äußerst komplexen Auslieferungsfall Firtasch dem Finale einen Schritt näher bringen. Im vergangenen August hatte das Landesgericht Wien einen spanischen Antrag auf Auslieferung (innerhalb der EU offiziell: Übergabe) des Ukrainers abgelehnt. Ein Ansuchen der österreichischen Behörden, mehr Informationen zum spanischen Verdacht der Geldwäsche und der Bildung einer kriminellen Vereinigung gegen Firtasch zu erhalten, seien seit April 2017 von der Justiz in Spanien unbeantwortet geblieben, hatte Gerichtssprecherin Christina Salzborn damals gegenüber der APA erklärt.

Bedingt durch die Berufung der Staatsanwaltschaft Wien gegen diesen Spruch in erster Instanz, muss sich nun auch das Oberlandesgericht Wien mit diesem europäischen Haftbefehl aus Spanien beschäftigen, der im Februar 2017 zu einer kurzfristigen Festnahme des Ukrainers geführt hatte.

Firtasch beklagte politische Motiviertheit

Im Zusammenhang mit einem US-amerikanischen Auslieferungsantrag, der sich auf Vorwürfe der Bestechung im Zusammenhang mit einem nie realisierten Geschäft mit Titan in Indien bezieht, war Firtasch bereits im Frühjahr 2014 in Wien für kurze Zeit in Haft gewesen und er hält sich seit diesem Zeitpunkt in Österreich auf. Im April 2015 lehnte das Landesgericht Wien das US-amerikanische Auslieferungsbegehren als "auch politisch motiviert" ab.

Knapp zwei Jahre später entschied das Oberlandesgericht Wien nach einer Berufung durch die Staatsanwaltschaft Wien schließlich, dass die Auslieferung in die USA doch zulässig sei. Diese Entscheidung aus dem Februar 2017 ist rechtskräftig, sie könnte theoretisch aber durch einen im August beim Obersten Gerichtshof (OGH) gestellten Erneuerungsantrag wieder aufgehoben werden. Firtasch hatte sich in diesem Rechtsmittel über eine unverhältnismäßig hohe Strafandrohung sowie eine politische Motiviertheit des US-Verfahrens beklagt.

So der OGH keine Hemmung beschließt, könnte der amtierende österreichische Justizminister ab dem Zeitpunkt der Rechtskraft der "spanischen" OLG-Entscheidung schon über das weitere Schicksal Firtaschs entscheiden. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass er den OGH-Spruch über den in Bezug auf die US-Auslieferung gestellten Erneuerungsantrag abwartet. Im Fall der Zulässigkeit der Übergabe nach Spanien ist auch hier ein außerordentliches Rechtsmittel nicht auszuschließen, das für eine weitere Verzögerung sorgen könnte.

Entscheidung des Justizministers kaum vorherzusehen

Sollte die Übergabe an Spanien nicht zulässig sein, die Auslieferung in die USA aber zulässig bleiben, könnte sofort entschieden werden. "Über das Auslieferungsersuchen befindet der Bundesminister für Justiz nach Maßgabe zwischenstaatlicher Vereinbarungen und der Grundsätze des zwischenstaatlichen Rechtsverkehrs. Er nimmt dabei auf die Interessen und die völkerrechtlichen Verpflichtungen der Republik Österreich Bedacht", heißt es im österreichischen Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz.

Sollten sowohl Spanien als auch die USA infrage kommen, wäre die Sache komplizierter. Sowohl das österreichische Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz in Kombination mit dem Österreichisch-US-amerikanischen Auslieferungsvertrag als auch das Bundesgesetz über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, das Auslieferungen innerhalb der EU regelt, verzichtet auf eine klare Richtlinie, wie in einem solchen Fall entschieden vorzugehen ist. Als relevante Umstände für die politische Entscheidung des Justizministers werden der Tatort der strafbaren Handlung, die Interessen des ersuchenden Staates, die Schwere der strafbaren Handlungen, die Möglichkeit einer Weiterlieferung zwischen ersuchenden Staaten und die zeitliche Abfolge der Ersuchen genannt.

Prognosen über das Verhalten des Justizministers erscheinen in Ermangelung vergleichbarer Fälle kaum möglich. Der scheidende Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) hatte sich zuletzt angesichts offener Gerichtsentscheidungen noch nicht mit dieser Frage beschäftigt. Wie sein Nachfolger Josef Moser (ÖVP) damit umgehen würde, ist völlig unklar.

Mit Privatjet ins Ausland?

Der neue Justizminister ist jedenfalls bestens mit den nunmehrigen Vertretern und Beratern des Ukrainers in Österreich bekannt. Als Firtaschs Anwalt Dieter Böhmdorfer 2000 auf einem FPÖ-Ticket Justizminister und sein weiterer Anwalt Rüdiger Schender 1999 Nationalratsabgeordneter der FPÖ wurde, war Moser Klubdirektor des freiheitlichen Parlamentsklubs.

"Ein Treffen zwischen Herrn Moser und Firtasch hat es nach meinem aktuellen Wissensstand nicht gegeben und mit Sicherheit keines, das auf meine Vermittlung zustande gekommen wäre", erklärte auf APA-Anfrage der für die österreichische Medienarbeit des Ukrainers verantwortliche Daniel Kapp. Der ÖVP-nahe PR-Unternehmer betonte gleichzeitig, dass er mit dem neuen Justizminister nie über seinen ukrainischen Klienten gesprochen habe. 2015 hatte Kapp zeitnah mit Spekulationen über ein mögliches Antreten von Josef Moser bei den Bundespräsidentschaftswahlen 2016 die Internetdomain moser2016.at reserviert. Gegenüber der Tageszeitung "Der Standard" hatte er dies damals als "reine Privatsache" bezeichnet, mehr wollte er dazu auch am Wochenende nicht sagen.

Parallel zu juristischen Anstrengungen in Österreich versuchten Firtaschs Anwälte bisher erfolglos, das zuständige Gericht in Chicago mit formalen Argumenten zur Abweisung der bereits 2013 eingebrachten Anklage zu bewegen. Der US-Staatsanwalt beharrte Anfang Oktober auf der Abweisung des Einspruchs oder zumindest auf einem Abwarten des österreichischen Auslieferungsverfahrens. In einer mündlichen Anhörung Mitte September in Chicago hatte ein Ankläger zudem der Befürchtung Ausdruck verliehen, dass sich Firtasch bei Ablehnung seiner Auslieferung an die USA in einen Privatjet nach Moskau oder auch ein anderes Ziel setzen könnte, von wo seine Auslieferung an die USA unmöglich wäre.

Zeichen der Entspannung in Ukraine

In seiner ukrainischen Heimat, in der Firtasch mit seinem Mischkonzern Group DF sowie seiner Mehrheitsbeteiligung am reichweitenstarken Fernsehsender "Inter" noch immer als äußerst einflussreich gilt, konnten zuletzt aus seiner Sicht hingegen positive Entwicklungen beobachtet werden. War im Februar 2017 im Umfeld der mitregierenden "Volksfront"-Partei von Ex-Premier Arseni Jazenjuk und Innenminister Arsen Awakow auch über unlautere Mittel nachgedacht worden, die eine etwaige Rückkehr Firtasch' in die Ukraine verhindert hätten, gibt es nun Zeichen der Entspannung.

"Auf 'Inter' ist die äußerst scharfe Kritik an Awakow verschwunden, die es in den letzten drei Jahren gegeben hat", erklärte Natalja Ligatschowa, Chefredakteurin des Kiewer Fachmediums "Detector Media" gegenüber der APA. "Inter" habe vergangene Woche zudem im Zusammenhang mit Protesten des Präsidenten-Kritikers Micheil Saakaschwili zum Vorteil von Staatschef Petro Poroschenko und der (vom Poroschenko-Vertrauten Juri Luzenko geleiteten, Anm.) Generalstaatsanwaltschaft berichtet, betonte Ligatschowa.

Gleichzeitig war es auch in den zwei wichtigen ukrainischen Ermittlungsverfahren, die sich mit Vorwürfen im Zusammenhang mit Firtasch-Firmen in der Ukraine beschäftigen, seit Oktober 2017 ruhig. Ob ein Zusammenhang zwischen der "Inter"-Berichterstattung und der Beruhigung der Ermittlungen besteht, ist unklar. Außer Zweifel steht jedoch, dass Firtaschs Fernsehsender in kommenden ukrainischen Wahlkampfzeiten erneut eine wichtige politische Rolle spielen wird.

(APA)

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