„Wiener Zeitung“ droht das Aus

Nur ein Bruchteil der Einnahmen der „Wiener Zeitung“ kommt aus Verkauf und Inseraten.
Nur ein Bruchteil der Einnahmen der „Wiener Zeitung“ kommt aus Verkauf und Inseraten. (c) picturedesk.com
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Die neue Regierung will die Pflichtveröffentlichungen in der „Wiener Zeitung“ streichen. Deren Geschäftsführer Riedler prophezeit für diesen Fall „Konsequenzen“.

Gut geht es der „Wiener Zeitung“ schon länger nicht. Wenn man Informationen aus bestens informierten Kreisen glauben darf, dann wären die Betriebsergebnisse der Zeitung, die der Republik Österreich gehört, seit Jahren negativ, würde man nicht mit buchhalterischen Kniffen wie der Aufwertung von Wertpapieren gegensteuern. Ein wichtiger Teil der Einnahmen kommt aus den sogenannten Pflichtveröffentlichungen – und genau die will die neue Regierung nun abschaffen. Im Regierungsprogramm findet sich unter der Überschrift „Reformen im Gesellschafts- und Unternehmensrecht“ der Punkt: „Entfall der Veröffentlichungspflicht von Eintragungen im Firmenbuch und sonstigen vom Firmenbuchgericht vorzunehmenden Veröffentlichungen im ,Amtsblatt der Wiener Zeitung‘ (vgl. §§ 10, 277 Abs. 2 UGB) und Erweiterung der Möglichkeit der Kundmachung in der Ediktsdatei“.

„Wäre sehr schwierige Situation“

Für die „Wiener Zeitung“ geht es nicht nur um viel Geld – es geht um ihre Existenz. Denn von den kolportierten 20 Millionen Euro an Einnahmen, die die Zeitung jährlich hat, kommen weniger als vier Millionen von Verkaufserlösen und Inseraten – aber knapp zehn Millionen von amtlichen Veröffentlichungen und öffentlichen Ausschreibungen, weitere acht Millionen von Pflichteinschaltungen. Die Republik ist laut Geschäftsführer Wolfgang Riedler „nicht nur der Eigentümer, sondern auch der größte Auftraggeber des Unternehmens“. Aber: Schon seit Jahren kommt es zu Kürzungen – seit der Ausgliederung aus der Staatsdruckerei 1998 ist die Zahl der Pflichtveröffentlichungen sukzessive zurückgegangen.

Riedler wollte am Montag – kurz vor der Aufsichtsratssitzung, bei der am Nachmittag das Budget 2018 beschlossen werden sollte – im Gespräch mit der „Presse“ keine genauen Angaben zu den kolportierten Zahlen machen, bestätigte aber, dass „die Dimensionen stimmen“. Droht der „Wiener Zeitung“ also das Aus, wenn ÖVP und FPÖ ihre Pläne wahr machen? „Wenn der Eigentümer entscheidet, wir schießen nicht mehr zu, wir stützen das nicht mehr, dann wäre das eine sehr schwierige Situation, die Konsequenzen nach sich zieht.“ Vorerst bleibt Riedler aber optimistisch, er will erst abwarten, was genau geplant ist. „Wir wissen ja noch gar nichts Konkretes, auch nichts über die Zeitpläne.“ Man habe sich aber „seit geraumer Zeit“ auf die Zeit nach der Abschaffung der Pflichtveröffentlichungen vorbereitet, beruhigt Riedler. Es sei auch alles „ein bisserl komplizierter“, weil die „Wiener Zeitung“ nicht nur in einer Gesetzesmaterie vorkomme: „Es gibt ja eine Reihe von Aufgaben, die wir für die Republik abwickeln.“

Politische Job-Rochade vor Gericht

Ob Riedler dann noch dabei ist, wird sich weisen: Sein Vertrag läuft bis Mitte 2018. „Ich werde mich bis zum letzten Arbeitstag für das Unternehmen einsetzen“, sagt er. Und: „Wir haben auch in den vergangenen Jahren sehr gute wirtschaftliche Ergebnisse gehabt – die sind absolut in Ordnung, wenn man sie lesen will oder kann. Daher bin ich mit dieser Entwicklung im Prinzip zufrieden.“

2013 beerbte der SPÖ-Mann Riedler den langjährigen Geschäftsführer der „Wiener Zeitung“ und ÖVP-Mann Karl Schiessl. Letzterer rief deshalb die Gleichbehandlungskommission an – die kam zu dem Schluss, dass Schiessl seinen Posten wegen seiner „politischen Orientierung“ räumen musste. Nun geht er arbeitsgerichtlich gegen die Entscheidung vor, auch weil vor der Gleichbehandlungskommission keiner der Befragten erklären konnte, wieso Riedler, der keinerlei Medienerfahrung hatte, überhaupt zum Hearing für den Geschäftsführerposten eingeladen worden war. Schiessl hatte noch vor seinem Abgang ein Konzept für den Fall erarbeitet, dass die Pflichteinschaltungen in der „Wiener Zeitung“ fallen: „Es wären drastische Einschnitte nötig gewesen“, erzählt er der „Presse“ – aber man hätte die Zeitung weiterführen können. Seine Vision: Ein elektronisches Amtsblatt – und eine Print-Wochenzeitung. Aber das wollte keiner hören.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.12.2017)

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