Juncker zu Türkisblau: "Das ist eine proeuropäische Regierung"

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Kanzler Kurz auf Blitzbesuch in Brüssel. Für EU-Kommissionschef Juncker stellt sich Österreich auch unter der neuen ÖVP-FPÖ-Koalition als verlässlicher europäischer Partner dar.

Doppelt hält besser. Schon ein paar Tage nach seinem Wahlsieg war Sebastian Kurz zum EVP-Gipfel nach Brüssel geflogen, um seine pro-europäische Gesinnung zu demonstrieren. Am Dienstag führte ihn seine erste Reise als Bundeskanzler wieder in die EU-Hauptstadt. Und wieder hatte er für seine Treffen mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und EU-Ratspräsident Donald Tusk dieselbe Botschaft wie damals im Gepäck: Auch mit einer schwarzblauen Regierung bleibt Österreich auf europäischem Kurs.

Es ging bei diesem 18-Stunden-Trip vor allem um Symbolik. Dazu gehörte fürs heimische Publikum sogar die Sitzplatzwahl in der AUA-Maschine: 11F – Kurz fliegt auch als Kanzler in der Economy-Class.

In Brüssel entkam Kurz diesmal einem innigen Kuss Junckers. Stattdessen antwortete der Kommissionspräsident bereits beim Fototermin knapp mit Ja auf die Frage eines Journalisten, ob er Österreich auch mit der neuen Regierung als verlässlichen EU-Partner betrachte. Die Mission des Kanzlers war damit bereits erfüllt, aber im großen Pressesaal der Kommission folgte um 22 Uhr noch beschwichtigende Prosa. „Ich sehe ein positives Signal, dass Österreichs neuer Kanzler seine erste Reise nach Brüssel unternommen hat“, sagte Juncker bei der Pressekonferenz. Der proeuropäische Kurs, den die schwarzblaue Regierung in ihrem Programm skizziert habe, passe der Kommission zu fast 100 Prozent. „Das ist eine pro-europäische Regierung. Wir werden sie an ihren Taten messen.“ Er sei gegen Vorverurteilungen, so Juncker.

Kritik an Kneissl

Zu Außenministerin Karin Kneissl, die ihn einst in einem Kommentar als Cäsar bezeichnet hatte, meinte er, sie müsse nun einen diplomatischeren Ton anschlagen.

Kurz versprach, dass Österreich Beiträge für eine starke subsidiäre EU, für einen Stopp der illegalen Migration und als Brückenbauer zwischen Ost und West leisten werde. EU-Kommissar Johannes Hahn zeigte sich erfreut über das Bekenntnis von Schwarzblau zur EU-Erweiterung am Westbalkan.

Israel wartet vorerst ab

Vorm Abflug nach Brüssel hatte der ÖVP-Chef im Kanzleramt Israels Botschafterin Talya Lador-Fresher empfangen. Am Vorabend hatte die Regierung in Jerusalem über ihre Wiener Vertretung mitteilen lassen, dass die im Jahr 2000 bei der letzten schwarzblauen Koalition verhängte Kontaktsperre über FPÖ-Spitzenpolitiker vorerst aufrecht bleibe. Unter diesen Bann fällt vorläufig auch die parteilose Außenministerin Kneissl, die auf einem FPÖ-Ticket in ihr Amt gekommen war. Zugleich wies Premierminister Benjamin Netanjahu sein Außenamt an, die Beziehungen zu den Freiheitlichen zu evaluieren.

Israel wird die FPÖ also eine Weile unter Beobachtung halten, bevor es den Boykott wohl auslaufen lässt. Es ist Netanjahu nicht entgangen, dass sich FPÖ-Chef Strache zuletzt bei jeder Gelegenheit an die Seite Israels gestellt hat. Doch ebenso unvergessen sind antisemitische Äußerungen von FPÖ-Politikern in der Vergangenheit. Der Premier stand deshalb auch unter Druck jüdischer Organisationen, den Cordon sanitaire um die FPÖ nicht sofort zu schleifen. Aber Kurz ist er offenbar wohlgesonnen. Ihm hatte Netanjahu gleich nach dessen Wahlsieg gratuliert.

Die Aufregung über Schwarzblau hält sich in Grenzen – ganz so, als hätten internationale Beobachter die Koalitionsbeteiligung der FPÖ schon am Wahlabend des 15. Oktober eingepreist. Kalmierend wirkten dann wahrscheinlich auch die pro-europäischen Bekenntnisse im schwarzblauen Regierungsprogramm. „Unser Heimatland ist integraler Teil der EU und der gemeinsamen Währung Euro“, ist da zu lesen, ebenso wie ein Treueschwur auf die Wertegemeinschaft.

Doch die Rolle des europäischen Musterschülers wird diese neue Regierung abstreifen. Subsidiarität lautet ihr Credo. All das legte Kurz in Brüssel dar. In Tusk wusste der Kanzler einen Verbündeten. Mit dem EU-Ratspräsidenten hatte er schon bei der Schließung der Westbalkanroute paktiert. In Brüssel besprach er mit Tusk die EU-Ratspräsidentschaft, die Österreich im zweiten Halbjahr 2018 inne haben wird.

Verärgerung wegen Südtirol

Der vielleicht schwierigste Termin erwartete den Kanzler am Mittwochmorgen bei EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani. Der Italiener hatte die schwarzblaue Ankündigung, Südtirolern künftig die Doppelstaatsbürgerschaft zu gewähren, heftig gescholten.
Die Kritik der Opposition, den Nationalrat zu brüskieren, weil er vor seiner Regierungserklärung ins Ausland reiste, nahm Kurz in Kauf. Die pro-europäische Symbolik war ihm wichtiger als Usancen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.12.2017)

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